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Brüssel zur Frankreich-Wahl
Schiere Erleichterung

EU-Politiker reagieren mit Erleichterung auf den Sieg von Emmanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen. Der überzeugte Pro-Europäer könnte neue Impulse setzen - und auch ein Gegengewicht zur derzeitigen deutschen Dominanz in der EU bilden.

Von Jörg Münchenberg |
    Macron steht mit ernstem Blick vor einer blauen Wand mit Frankreich-Fahne an einem Rednerpult. Auf einem Schild darauf steht "Ensemble, la France!".
    Emmanuel Macron konnte die französische Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. (AFP / Lionel BONAVENTURE)
    Es war ein kollektiver Stoßseufzer der Erleichterung. EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker gratulierte per Twitter und später dann auch per Brief: Er sei glücklich, dass die Franzosen eine europäische Zukunft gewählt hätten. EU-Ratspräsident Donald Tusk gratulierte ebenfalls dem französischen Volk, das sich für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und nicht für Tyrannei und Fake News entscheiden habe.
    Denn allen in Brüssel war klar: Ein Wahlsieg von Marine Le Pen hätte das Projekt Europa vielleicht nicht zerstören, aber nachhaltig beschädigen können. So aber freuten sich fast alle, wenngleich es auch angesichts der zahlreichen Stimmen für die Rechtspopulistin Le Pen nachdenkliche Stimmen gab. Der Vorsitzende der deutschen SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Jens Geier:
    "Auch, wenn die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten sind, sollte niemand den Schluss ziehen, dass die Bedrohungen, die der Rechtspopulismus nicht nur für die EU, sondern für die Menschen in der EU insgesamt darstellt, dass diese Bedrohungen verschwinden."
    Gleichzeitig stellen sich viele die Frage, was der überzeugte Pro-Europäer Emmanuel Macron mit Europa vorhat. Die Erwartungen sind riesig und die richten sich dabei nicht allein an Paris: Ska Keller, eine der Vorsitzenden der Grünen im Europäischen Parlament:
    "Wir müssen ganz viel ändern. Macron muss sich überlegen, wie kann er das Land zusammenführen. Aber auch in Europa müssen sich Dinge verändern. Und da spielt die Bundesregierung in Deutschland eine wichtige Rolle. Sie muss gemeinsam mit Macron dafür sorgen, dass wir wegkommen von einer dogmatischen Sparpolitik."
    Macron hat bereits Ideen genannt
    Macron selbst hat bereits einige Ideen auf den Tisch gelegt: Die Eurozone soll insgesamt gestärkt werden durch ein eigenes Parlament und ein eigenes Budget. Die Ausgabe von Eurobonds kann sich der Parteilose ebenfalls vorstellen, die jedoch von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, strikt abgelehnt werden. Genauso wie eine Akzentverschiebung weg von der Einhaltung der Stabilitätsregeln hin zu mehr staatlichen Ausgaben. Doch sein Parteifreund aus dem Europäischen Parlament, Elmar Brok sieht jetzt ebenfalls die Bundesregierung gefordert, sobald die französischen Parlamentswahlen vorbei seien:
    "Wenn dieses geschafft ist, müssen wir Deutschen auch auf die Franzosen zugehen. Um über die Reform der Europäischen Union auch in den Bereichen von Wirtschafts- und Währungspolitik sinnvolle Kompromisse zu finden. Um Gleichgewichte zu schaffen. Und erfahrbar zu machen, dass Europa auch wirtschaftlich allen nutzt."
    Frankreich könnte durch den Wahlsieg von Emanuel Macron in der EU wieder mehr Gewicht und Einfluss bekommen. Und damit neue Impulse für die gesamte Union setzen. Das hoffen viele in der EU-Kommission. Ein Gegengewicht zur deutschen Dominanz innerhalb der Union wäre sicherlich kein schlechtes Szenario, meint auch der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP):
    "Ich bin ganz sicher, dass er versuchen wird, ein bisschen eine bindende Kraft zu entwickeln zwischen dem Süden und Deutschland und den anderen Ländern des Nordens. Das ist die traditionelle Rolle Frankreichs."
    Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zunächst einmal überwiegt die schiere Erleichterung über den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen. Gerade und ganz besonders in Brüssel.