In zahllosen Aktenordnern auf großen Metallregalen archiviert Marina Naprushkina Zeitungsartikel, Kunstwerke und Videoaufnahmen des Staatsfernsehens aus Weißrussland. Der aus Sowjetzeiten überlieferte Heldenkult ist in Belarus noch ungebrochen, erläutert die 29-Jährige. Genauso ist auch der offizielle Kulturbetrieb bei Konzepten des vergangenen Jahrhunderts stecken geblieben.
"Ich hab in Minsk Kunst studiert, an der Kunstschule Glebov. Und das muss man so verstehen, dass ist ein ganz konservatives Studium, man hat sehr viel Handwerk beigebracht bekommen. Wir haben sieben Stunden am Tag gemalt und gezeichnet. Wir haben Porträts gemalt, Wir haben Landschaften gezeichnet von Natur. Trotzdem hat man das Gefühl gehabt, dass ist noch nicht alles. (..) Unsere Bücher in der Bücherei der Kunsthochschule endeten bei Impressionismus. Man konnte sich nicht tatsächlich vorstellen, was die anderen Künstler weltweit machen."
Internet war zu ihrer Studienzeit in Minsk noch nicht verbreitet. Der erste Kontakt mit moderner Kunst bei ihrem Aufbaustudium in Deutschland war für die schmächtige Frau mit dunklem Bubikopf zunächst ein Schock. Ihr eigenes Weltbild hat sich dadurch verschoben, erzählt die junge Künstlerin mit einem verschmitzten Lachen. In ihren Werken ist das zu sehen als Symbiose von traditionellen Bildern und modernem Grafik-Design. Die von Naprushkina nachgestellten Szenen auf Postern sind von den Originalen der belarussischen Staatspropaganda kaum zu unterscheiden. Etwa wenn großformatige Bilder junge Pioniere bei Jubelfeiern zeigen. Oder wenn Männer in Uniform mit ordensgeschmückter Brust stolz lächeln.
"Das Büro für Antipropaganda, das ist mein Hauptprojekt. Und das Büro für Antipropaganda wurde vor fünf Jahren gegründet. Und es geht darum, in diesem Büro zu untersuchen, wie die politischen Systeme funktionieren. Und wie die Propaganda eingesetzt wird dafür, dass das System erhalten bleibt. Welche Botschaften werden nach außen geschickt, wie stabilisiert sich das System in der Gesellschaft?"
In einen anderen Zusammenhang gestellt wird jede Form von Propaganda zur Antipropaganda, ist Marina Naprushkina überzeugt. Deshalb seien bei einer Installation ihres Büros für Antipropaganda in der Nationalgalerie in Warschau einige ihrer Kunstwerke von Besuchern zerstört worden. Die Provokation war geplant, sagt Naprushkina. Dass ein von Ihr gepflanztes Blumenbeet mit dem Symbol des russischen Geheimdienstes KGB schnell niedergetrampelt wurde, hatte die Kunstrebellin erwartet. Wie gewalttätig das Lukaschenko Regime in ihrer Heimat inzwischen aber auf Protest reagiert, war für Marina Naprushkina wie für viele andere bislang unvorstellbar.
Die Bilder vom Oktoberplatz in Minsk sahen fast so aus wie Szenen der archaischen Kämpfe auf dem Freiheitsplatz in Kairo. Mit den Liedern des Musikers Ljavon Volski auf den Lippen hatten in Minsk Zehntausende Jugendliche Wahlmanipulationen angeprangert und Demokratie gefordert. Diktator Lukaschenko ließ die junge Freiheitsbewegung von Schlägertrupps niederknüppeln, Hunderte ins Gefängnis werfen und foltern.
"Ich musste irgendwie auf diese Situation reagieren, für jeden Belarussen war das ein Schock. Niemand hat damit gerechnet, dass die Regierung so stark angreifen wird. Dann hab ich angefangen zu zeichnen. Das hat natürlich, glaub ich, in erster Linie so eine therapeutische Wirkung gehabt, dass man einfach mit dem was passierte, zurecht kommen konnte. Und diese Geschichten haben sich von Anfang an in zwei Teilen aufgeteilt. Dass man sagt, auf der einen Seite war diese offizielle Propaganda. Diese Darstellung der Geschehnisse, die man in staatlichen Medien zu sehen und zu hören bekommt. Und das andere waren quasi diese freie Zeugenberichterstattung oder freie Nachrichten, die man meistens im Internet nur kriegen konnte, weil die gedruckten freien Medien existieren in Belarussland nicht."
Aus den zahllosen Porträts und Skizzen, die Marina Naprushkina nach den ersten Gewaltexzessen in Belarus gezeichnet hatte, entstand schließlich eine ganze Zeitung. Der Titel: "Überzeugender Sieg: Zwei Geschichten wie es wirklich war." Obwohl die Aufmachung eher an einen Comic erinnert, kämpfen hier keine Helden mit einem Bösewicht. Ganz in der Tradition ihres "Büros für Antipropaganda" erzählt die Malerin ihre Bilder-Geschichte dokumentarisch. Ihr Comic zitiert Lukaschenko und Regierungsgegner mit Sprechblasen - aber durch Originalzitate aus dem Staatsfernsehen oder aus Internet-Bloggs. Einige ihrer Mitstreiter, die ihre Zeitung in Belarus verteilt hatten, sind inzwischen verhaftet worden. Trotzdem arbeitet die Kunstaktivistin weiter an den Fortsetzungsgeschichten. Marina Naprushkinas "Büro für Antipropaganda" hat sich inzwischen vom künstlerischen Projekt zu einer regelrechten Keimzellen des politischen Widerstands gewandelt.
"Ich hab in Minsk Kunst studiert, an der Kunstschule Glebov. Und das muss man so verstehen, dass ist ein ganz konservatives Studium, man hat sehr viel Handwerk beigebracht bekommen. Wir haben sieben Stunden am Tag gemalt und gezeichnet. Wir haben Porträts gemalt, Wir haben Landschaften gezeichnet von Natur. Trotzdem hat man das Gefühl gehabt, dass ist noch nicht alles. (..) Unsere Bücher in der Bücherei der Kunsthochschule endeten bei Impressionismus. Man konnte sich nicht tatsächlich vorstellen, was die anderen Künstler weltweit machen."
Internet war zu ihrer Studienzeit in Minsk noch nicht verbreitet. Der erste Kontakt mit moderner Kunst bei ihrem Aufbaustudium in Deutschland war für die schmächtige Frau mit dunklem Bubikopf zunächst ein Schock. Ihr eigenes Weltbild hat sich dadurch verschoben, erzählt die junge Künstlerin mit einem verschmitzten Lachen. In ihren Werken ist das zu sehen als Symbiose von traditionellen Bildern und modernem Grafik-Design. Die von Naprushkina nachgestellten Szenen auf Postern sind von den Originalen der belarussischen Staatspropaganda kaum zu unterscheiden. Etwa wenn großformatige Bilder junge Pioniere bei Jubelfeiern zeigen. Oder wenn Männer in Uniform mit ordensgeschmückter Brust stolz lächeln.
"Das Büro für Antipropaganda, das ist mein Hauptprojekt. Und das Büro für Antipropaganda wurde vor fünf Jahren gegründet. Und es geht darum, in diesem Büro zu untersuchen, wie die politischen Systeme funktionieren. Und wie die Propaganda eingesetzt wird dafür, dass das System erhalten bleibt. Welche Botschaften werden nach außen geschickt, wie stabilisiert sich das System in der Gesellschaft?"
In einen anderen Zusammenhang gestellt wird jede Form von Propaganda zur Antipropaganda, ist Marina Naprushkina überzeugt. Deshalb seien bei einer Installation ihres Büros für Antipropaganda in der Nationalgalerie in Warschau einige ihrer Kunstwerke von Besuchern zerstört worden. Die Provokation war geplant, sagt Naprushkina. Dass ein von Ihr gepflanztes Blumenbeet mit dem Symbol des russischen Geheimdienstes KGB schnell niedergetrampelt wurde, hatte die Kunstrebellin erwartet. Wie gewalttätig das Lukaschenko Regime in ihrer Heimat inzwischen aber auf Protest reagiert, war für Marina Naprushkina wie für viele andere bislang unvorstellbar.
Die Bilder vom Oktoberplatz in Minsk sahen fast so aus wie Szenen der archaischen Kämpfe auf dem Freiheitsplatz in Kairo. Mit den Liedern des Musikers Ljavon Volski auf den Lippen hatten in Minsk Zehntausende Jugendliche Wahlmanipulationen angeprangert und Demokratie gefordert. Diktator Lukaschenko ließ die junge Freiheitsbewegung von Schlägertrupps niederknüppeln, Hunderte ins Gefängnis werfen und foltern.
"Ich musste irgendwie auf diese Situation reagieren, für jeden Belarussen war das ein Schock. Niemand hat damit gerechnet, dass die Regierung so stark angreifen wird. Dann hab ich angefangen zu zeichnen. Das hat natürlich, glaub ich, in erster Linie so eine therapeutische Wirkung gehabt, dass man einfach mit dem was passierte, zurecht kommen konnte. Und diese Geschichten haben sich von Anfang an in zwei Teilen aufgeteilt. Dass man sagt, auf der einen Seite war diese offizielle Propaganda. Diese Darstellung der Geschehnisse, die man in staatlichen Medien zu sehen und zu hören bekommt. Und das andere waren quasi diese freie Zeugenberichterstattung oder freie Nachrichten, die man meistens im Internet nur kriegen konnte, weil die gedruckten freien Medien existieren in Belarussland nicht."
Aus den zahllosen Porträts und Skizzen, die Marina Naprushkina nach den ersten Gewaltexzessen in Belarus gezeichnet hatte, entstand schließlich eine ganze Zeitung. Der Titel: "Überzeugender Sieg: Zwei Geschichten wie es wirklich war." Obwohl die Aufmachung eher an einen Comic erinnert, kämpfen hier keine Helden mit einem Bösewicht. Ganz in der Tradition ihres "Büros für Antipropaganda" erzählt die Malerin ihre Bilder-Geschichte dokumentarisch. Ihr Comic zitiert Lukaschenko und Regierungsgegner mit Sprechblasen - aber durch Originalzitate aus dem Staatsfernsehen oder aus Internet-Bloggs. Einige ihrer Mitstreiter, die ihre Zeitung in Belarus verteilt hatten, sind inzwischen verhaftet worden. Trotzdem arbeitet die Kunstaktivistin weiter an den Fortsetzungsgeschichten. Marina Naprushkinas "Büro für Antipropaganda" hat sich inzwischen vom künstlerischen Projekt zu einer regelrechten Keimzellen des politischen Widerstands gewandelt.