"Die Bundesregierung hat ihren Streit über eine mögliche Teilprivatisierung der geplanten Autobahn-Gesellschaft beigelegt", berichteten bereits vor einigen Tagen die Zeitungen in Deutschland. Im Grundgesetz soll demnach festgeschrieben werden, dass eine privatrechtliche Gesellschaft des Bundes gegründet und für den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung der deutschen Autobahnen und großen Bundesstraßen zuständig sein wird. Diese Gesellschaft soll zu 100 Prozent in Bundesbesitz sein und darf auch nicht teilweise privatisiert werden.
Alles klar also? Freitag, der 25. November, zwei Tage nach der Einigung auf den Fluren des Bundesrates.
"Erst Mal ist ja nur das Allerschlimmste verhindert, das Schlimmste bleibt die Gesellschaft an sich, die überhaupt keinen Sinn macht und die Infrastrukturausbauten in Zukunft eher verzögern als beschleunigen wird."
Olaf Lies, Verkehrsminister von Niedersachsen und Parteifreund von Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender, der die bereits verkündigte Einigung der Bundesregierung mit verhandelt hat.
"Ich bin allerdings überrascht, wie leichtgläubig alle sind, denn nur alleine auf Grund einer Pressemeldung, dass jetzt die Privatisierung vom Tisch wäre, dabei ist das Thema noch nicht gegessen."
Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden Württemberg.
"Am Ende kommt es immer auf das Kleingedruckte an, und auch das gucken wir uns jetzt genau an."
Die Details sind entscheidend
Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen. Wie für ihn sind auch für Olaf Lies aus Niedersachsen vor allem die Details entscheidend, wie diese Bundesautobahngesellschaft aufgebaut und organisiert sein wird.
"Wir kennen ja noch gar nichts, wir diskutieren sozusagen über ein Modell, das noch nicht vom Bund dargestellt worden ist. Das habe ich allerdings auch noch nicht erlebt, dass es quasi um den wesentlichen Aspekt der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes geht, die Infrastruktur, mal eben leichtfertig sagt man: Wir ändern das, weiß aber gar nicht, wie."
Bisher sieht die Zuständigkeit für die deutschen Autobahnen so aus: Der Bund bezahlt und die Länder führen aus, eine so genannte Auftragsverwaltung. Jedes Bundesland ist für die Planung und den Bau zuständig und unterhält die Autobahnmeistereien, die die Wartung, den Betrieb und die Instandhaltung übernehmen. Das Geld dafür kommt vom Bund, der auch vorgibt, wo und wie gebaut werden soll.
Das Autobahnnetz allerdings ist zunehmend marode, wie Marcel Fratzscher festgestellt hat. Er leitet das Berliner Institut für Wirtschaftsforschung und hat für das Bundeswirtschaftsministerium schon vor eineinhalb Jahren mit einer Expertenkommission den Zustand der Infrastruktur analysiert.
"Wenn man sich jetzt Autobahnen anschaut, dann sieht man viele baufällige Brücken, wir sehen, dass in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz Brücken über den Rhein gesperrt sind, gar nicht mehr zu Verfügung stehen. Es ist ein riesen Problem, nicht nur für uns Bürger sondern natürlich auch für Unternehmen. Das schafft richtig Kosten. Ich glaube, das muss man sich erst einmal richtig bewusst machen: Der Status Quo ist gescheitert."
Seine Lösung: Die Auftragsverwaltung soll beendet werden, zuständig soll nur noch der Bund sein, der diese Zuständigkeit in eine privatrechtliche Gesellschaft auslagert, die möglichst weit entfernt von der Politik sein soll. Und die privates Kapital aufnehmen kann, um den Investitionsstau zu lösen.
Diese Vorschläge sind damit eine der größten strukturellen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, Grundgesetzänderung inklusive. Das bedeutet: Eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat sind notwendig. Wegen dieser hohen Hürden wurden die Vorschläge Fratzschers lange Zeit als unrealisierbar abgetan, bis Finanzminister Wolfgang Schäuble auf eine geniale Idee kam, um sich die Zustimmung der Länder zu sichern: Er hat die Frage der Bundesautobahngesellschaft mit der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs verbunden.
Olaf Lies, Niedersachsens Verkehrsminister dazu:
"Der Eindruck bleibt einfach, dass man versucht hat im Bund-Länder-Finanzausgleich ein Thema mit unter zu bringen, was zunächst einmal nichts damit zu tun hat, auch keinen sinnvollen Zusammenhang damit erkennen lässt und trotzdem natürlich die Länder unter Druck gesetzt hat."
Dennoch haben die Ministerpräsidenten der Gründung einer Bundesgesellschaft grundsätzlich zugestimmt. Und auch in der Bundesregierung ist man sich nun im Grundsatz einig. Am Donnerstag wird aller Voraussicht nach das Kabinett den Gesetzentwurf für eine Grundgesetzänderung beschließen.
Zuletzt gab es Streit, weil Schäuble sich die Möglichkeit offen halten wollte, dass private Geldgeber sich an der Gesellschaft beteiligen können. Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt waren dagegen. Für Sven-Christian Kindler, den haushaltspolitischen Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, lenkte dieser Streit vom eigentlichen Problem ab.
"Das ist ein großes Schauspiel, was Sigmar Gabriel aufgeführt hat. Er hat sich zu Recht gegen die direkte Teilprivatisierung dieser Gesellschaft gewehrt, aber die Gefahr ist gar nicht die direkte Privatisierung über eine Beteiligung von privaten Investoren. Viel bedrohlicher ist die Privatisierung durch die Hintertür."
Sven-Christian Kindler sieht insbesondere zwei Elemente der geplanten Reform kritisch, die er als "verdeckte Privatisierung" bezeichnet. Die neu zu gründende Gesellschaft – nach derzeitigem Stand eine GmbH – wird wohl eigenständig und ohne Zustimmung des Bundestags öffentlich-private Partnerschaften, kurz ÖPP, ausschreiben können.
Öffentlich- Private Partnerschaften (ÖPP) als Lösung?
Bei einer solchen ÖPP – manchmal auch englisch PPP, Public Private Partnership – genannt, vergibt die öffentliche Hand Infrastruktur-Aufträge an ein privates Unternehmen. Es soll beispielsweise ein Konzerthaus bauen und betreiben, eine Schule oder einen Kindergarten renovieren und bewirtschaften oder eben ein Teilstück einer Autobahn. Der öffentliche Auftraggeber zahlt dafür eine Art Miete für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum, meist sind das 30 Jahre. Danach fällt der Bau an die Kommune, das Land oder den Bund zurück.
Die Ausweitung von ÖPP-Projekten ist eines der zentralen Elemente der Reform, wie auch Eckhardt Rehberg, der finanzpolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, betont.
"Diese Kapitalgesellschaft könnte dann auch problemlos, so wie es heute das Bundesverkehrsministerium schon macht, ÖPP-Projekte, also Öffentlich-Private-Partnerschaften realisieren. Nach meiner Auffassung bedarf es da keiner Minderheitsbeteiligung von Privaten."
Enak Ferlemann ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium unter Alexander Dobrindt und ein großer Verfechter von ÖPP. Er sagt, öffentlich-private Partnerschaften seien in der Regel günstiger für den Steuerzahler. Außerdem seien Bauvorhaben schneller und pünktlicher fertig. Denn in seinen Augen arbeiten private Unternehmen effizienter als es der Staat als Bauherr und Betreiber könnte. Zudem ließen sich als ÖPP Vorhaben verwirklichen, die sonst erst einmal nicht möglich seien.
Regelmäßig aber kritisieren Bundesrechnungshof und auch die Landesrechnungshöfe, dass die ÖPP-Projekte praktisch allesamt teurer seien, als ein konventioneller Bau. Enak Ferlemann sieht das anders.
"Ich befinde mich ja mit dem Bundesrechnungshof in einer Dauerdiskussion über die Sinnhaftigkeit von ÖPP-Modellen und deren Wirtschaftlichkeit. Wir stellen fest, dass die ÖPP-Modelle sehr, sehr wirtschaftlich sind. Die Annahmen, die der Bundesrechnungshof bei seinen Berechnungen macht, auf der staatlichen Seite, gehen von einer optimalen Struktur des Staates aus, die wir so gar nicht haben. Und deswegen hinkt der Vergleich ziemlich stark. Und damit auch die Ergebnisse und deswegen sind die ÖPP-Modelle letztendlich sehr überzeugend."
Der Bundesrechnungshof hat im Jahr 2014 die bis dato als ÖPP fertiggestellten Autobahnen genauer untersucht: sechs Teilstücke mit einem geplanten Auftragswert von 5,1 Milliarden Euro. Das Verkehrsministerium hatte im Vorfeld berechnet, dass diese als ÖPP um zirka 40 Prozent günstiger als ein konventioneller Bau sein würden. Dieses Ziel habe das Ministerium weit verfehlt, schrieb der Bundesrechnungshof in einer Stellungnahme an den Haushaltsausschuss des Bundestages.
"Vielmehr haben Berechnungen des Bundesrechnungshofs zu fünf der sechs bereits vergebenen ÖPP-Projekte ergeben, dass allein diese insgesamt über 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre. Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind."
Die Verträge sind geheim
Ein weiterer Kritikpunkt an ÖPP ist, dass die Verträge geheim sind. Selbst Bundestagsabgeordnete dürfen sie nur in speziellen Geheimschutzräumen ohne ihre Mitarbeiter einsehen und nicht darüber berichten. Wegen des enormen Umfangs der Akten ist eine parlamentarische Kontrolle nur sehr eingeschränkt möglich. Auch Wissenschaftler wie Holger Mühlenkamp, Professor für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre an der Universität für Verwaltungswissenschaft in Speyer, haben kaum Einblick in solche Verträge. Um zu beurteilen, wer nun Recht hat – die Regierung oder die Rechnungshöfe – muss er deren Aussagen interpretieren.
"Ich bin ja so geschult, dass ich die Interessenslage auch berücksichtige. Und da frage ich mich, welche Intention haben denn die Rechnungshöfe, ÖPP schlecht zu rechnen? Eigentlich keine. Das Bundesverkehrsministerium dagegen hat natürlich ein Interesse an ÖPP. Also muss man schon sagen, dass es da sehr unterschiedliche Interessen gibt und die Rechnungshöfe würde ich da schon von der Interessenslage als neutral betrachten, das Bundesverkehrsministerium und ähnliche eher nicht."
Auch eine Episode in Niedersachsen legt den Verdacht nahe, dass es den beteiligten Bundesministerien weniger darum geht, möglichst günstig für die Steuerzahler zu bauen. Das Land Niedersachsen hatte sich geweigert, ein Teilstück der A7 als ÖPP zu bauen, mit der Begründung, es sei teurer als ein konventioneller Bau. Das Bundesverkehrsministerium sah das anders und wies das Land an, es als ÖPP auszuschreiben.
Eine Autobahnmeisterei allerdings wehrte sich. Die dort Angestellten – sie waren beim Land angestellt – sollten versetzt werden, denn als ÖPP werden die Meistereien vom privaten Betreiber unterhalten. Als die Wirtschaftlichkeit für das Teilstück der A7 berechnet wurde, haben die Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Seesen nachweisen können, dass sie effektiver und günstiger arbeiten als ein privater Betreiber. Darauf sind sie immer noch stolz.
Ein Besuch von Sigmar Gabriel Anfang 2014 hat sie desillusioniert. Der SPD-Chef und Wirtschaftsminister hat in Seesen seinen Wahlkreis. In ihn hatten sie große Hoffnung gesetzt. Und doch verkündete Gabriel das Ende ihrer Autobahnmeisterei, so berichtete es damals einer der Mitarbeiter.
"Ich sage mal, die Leute, die haben ja wirklich gekämpft. Und wie dann Sigmar Gabriel hier war und hat, also sage ich mal, dieses Ende mehr oder weniger verkündet. Auch die Fragen, die da gestellt worden sind und er da ganz klar gesagt hat: Ja, das ist so, es ist teurer, das hat uns natürlich auch gebrochen. Weil man dann sagt: Der Zweithöchste in unserem Vater Staat gibt dir zwar Recht und sagt, es interessiert uns aber nicht. Vielleicht interessiert es uns noch, aber es stört uns nicht. Wir machen es doch anders."
Warum also setzen die Bundesministerien so vehement auf ÖPP? Professor Holger Mühlenkamp von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften glaubt den Grund zu kennen:
"Der öffentlichen Hand fällt es unter sonst gleichen Umständen zunehmend schwer, Infrastruktur zu finanzieren beispielsweise. Und dann werden ÖPP politisch attraktiv, weil man durch ÖPP, wenn man die Verträge entsprechend gestaltet, die Schuldenbremse aushebeln kann. Also es kommt ja sozusagen zu einer latenten Staatsverschuldung außerhalb der Schuldenbremse. Das ganze macht es politisch sehr attraktiv. Und das könnte vielleicht auch erklären, warum solche indirekten Finanzierungsmodelle wie ÖPP und jetzt vielleicht auch Infrastrukturgesellschaften politisch sehr attraktiv sind."
Auch Schäubles "schwarze Null" lässt sich wesentlich leichter einhalten, wenn Infrastrukturprojekte außerhalb des offiziellen Bundeshaushaltes in einer Bundesautobahngesellschaft ausgelagert werden. Die Schulden dieser Gesellschaft sollen nicht im Bundeshauhalt auftauchen. Und genau hier liegt für Sven-Christian Kindler von den Grünen der zweite große Knackpunkt der Reform.
"Die zweite Privatisierungsfalle liegt beim Fremdkapital. Das wäre eine versteckte Privatisierung, indem diese Gesellschaft sich Kredite am Kapitalmarkt holt, Anleihen ausgibt und wenn sie das ohne Staatsgarantien macht, dann zahlt sie nicht 0,2, 0,3 Prozent, zum Beispiel wie der Bund momentan für seine Anleihen, sondern zahlt vielleicht drei oder vier Prozent. Und das ist eigentlich auch das Ziel dieser Gesellschaft, Banken und Versicherungen, der Allianz, Ergo und Deutsche Bank, eben nachher hohe Renditen in der Niedrigzinsphase zu gewähren."
GmbH soll es richten
Die Bundesregierung will eine GmbH gründen, die selbst Kredite aufnehmen oder Anleihen ausgeben, also privates Kapital akquirieren kann. Eine Staatsgarantie soll sie nicht bekommen. Das macht die Kredite teurer, kritisiert auch Professor Mühlenkamp.
"Und letztlich geht es, wenn Sie so wollen, um die Verteilung der Kosten der Eurokrise. Die tragen derzeit Kapitalanleger. Und wenn es Kapitalanlegern gelingt, öffentliche Infrastruktur zu finanzieren, letztlich zu überhöhten Finanzierungskosten, dann werden diese Kosten umverteilt, auf den Steuerzahler."
Dass die künftige Gesellschaft keine Staatsgarantie und damit Zugang zu günstigeren Krediten bekommt, geht auf die Empfehlungen der Fratzscher-Kommission zurück, in der auch mehrere Vertreter der Finanzindustrie saßen.
"Der einzige Grund, warum wir in der Expertenkommission gesagt haben, wir sind gegen eine Staatsgarantie ist, dass eine solche Staatsgarantie mit hoher Wahrscheinlichkeit nach europäischem Recht nicht legal sein wird."
Erklärt Marcel Fratzscher. Was er allerdings nicht erklären kann: Die meisten Empfehlungen seiner Kommission orientieren sich an der österreichischen ASFINAG der dortigen privatrechtlich organisierten Autobahngesellschaft. Diese hat allerdings seit ihrer Gründung 1982 eine Staatsgarantie. Warum dies in Österreich europarechtskonform ist und in Deutschland nicht, das lässt der Wissenschaftler offen.
Um die Frage zu klären, warum der Ökonom Fratzscher, der nicht müde wird, eine effiziente Staatsführung anzumahnen, diese höheren Kapitalkosten für eine Autobahngesellschaft in Kauf nimmt, muss man noch einmal seine Analyse des Status Quo heranziehen. Die Kommission hat festgestellt, dass es einen enormen Investitionsstau gibt und Milliarden in die öffentliche Infrastruktur gesteckt werden müssen. Diesen Investitionsstau haben vor allem politische Entscheidungen und Strukturen verursacht, so Marcel Fratzscher.
"In schlechten Zeiten fährt man öffentliche Investitionen zurück, damit man genug Möglichkeit hat, die Menschen sozial zu unterstützen. In guten Zeiten, so wie in den letzten drei Jahren, kommt dann eine große Koalition, die sagt: 'Ach, öffentliche Investitionen ist nicht so wichtig, wir können uns jetzt mal was richtig gönnen, in dem Bereich Rentenreform, geben mal jedes Jahr zehn Milliarden dafür aus.' Und das ist die Perversität der Schuldenbremse, dass sie dazu führt, dass die öffentlichen Investitionen stärker fallen."
Deshalb plädiert der Ökonom dafür, Investitionen zu entpolitisieren, wie er es nennt.
"Deshalb: Die Schuldenbremse ist richtig, aber wir brauchen auch einen Investitionsschutz, müssen also einen Schritt weiter gehen und sagen: Wie können wir sicher stellen, dass in der Zukunft Regierungen halt nicht immer entscheiden und sagen: Investitionen, Investitionen… überlassen wir mal der zukünftigen Generation, sondern sie dazu zwingen, sowohl die Schuldenbremse einzuhalten, also nicht über ihre Verhältnisse zu leben, und gleichzeitig die öffentlichen Investitionen, also das öffentliche Volksvermögen, letztlich zu schützen. Und diese Kombination ist wichtig und dieser zweite Schritt, der fehlt noch."
Investitionen in die öffentliche Infrastruktur
Und dieser zweite Schritt beinhaltet unter anderem die privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft, die dem Zugriff des Staates entzogen ist und die – so die Theorie – nur nach den offensichtlichen und nicht nach den politischen Notwendigkeiten entscheidet.
Zudem fordert er faktisch eine Zweiteilung des Staatshaushaltes. Die eine Seite beinhaltet Ausgaben wie Löhne und Gehälter, Sozialleistungen, Renten und andere Aufgaben des Staates, für die die Schuldenbremse gelten soll. Auf der anderen Seite stehen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, die außerhalb der Schuldenbremse und außerhalb der Politik in ÖPP und privatrechtlichen Gesellschaften stattfinden sollen. Auch zu dem Preis, dass sie dadurch teurer werden, aber eben nicht durch politische Entscheidungen und die Schuldenbremse limitiert sind. Ein gegensätzliches Politikverständnis zu dieser Ansicht des Ökonomen Fratzscher formuliert Winfried Hermann.
"Ob Sie Straßen bauen, in welchem Umfang Sie bauen, ob Sie Schienenwege ausbauen, ob Sie das vernetzen oder nicht vernetzen, das sind hochpolitische Fragen. Und wenn wir das Klima schützen wollen, wenn wir Verkehr und Mobilität nachhaltig gestalten wollen, dann brauchen wir auch einen politischen Zugriff, dann können wir das nicht den Investoren überlassen."
Wer sich durchsetzen wird, eine Verkehrspolitik á la Hermann oder entpolitisierte Investitionen in die Infrastruktur á la Fratzscher, ist noch nicht abzusehen. Der Grundgesetzänderung will Hermann zustimmen, um den Länderfinanzausgleich nicht zu gefährden. Eine entpolitisierte Infrastrukturgesellschaft aber will er gemeinsam mit anderen Bundesländern auf jeden Fall verhindern.