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Bundesteilhabegesetz
Teilhabe statt Gnade

Das neue Bundesteilhabegesetz soll Menschen mit Behinderungen ihren Alltag und die Teilhabe am öffentlichen Leben erleichtern. Denn bisher sind die sogenannten Eingliederungshilfen vorrangig auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet. Der Haken an der Reform: Allzu viel kosten darf die Angelegenheit nicht.

Von Anke Petermann |
    Die Rollstuhlfahrerin Nora Zinke lässt sich von ihrem Freund Martin Manis in Berlin in eine U-Bahn schieben.
    Die bisherigen sogenannten Eingliederungshilfen sind vorrangig auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet. (dpa / Gero Breloer)
    Familie Jantzer wohnt am Rand von Rülzheim im südpfälzischen Landkreis Germersheim. Vor 20 Jahren bauten sich die Jantzers hier ein Haus mit Garten. Vor allem, weil sie ihrem lebhaften autistischen Sohn die enge Mietwohnung nicht mehr zumuten wollten. Ihn zur Schule, später in die Behindertenwerkstatt zu fahren, auf ihn zu achten, wenn er treppauf, treppab durchs Haus und in den Garten lief, war Iris Jantzers Job. Doch vor zwei Jahren nach einer Spritze gegen Rückenschmerzen zwang eine Lähmung die Hausfrau in den Rollstuhl. Genaue Ursache bislang ungeklärt.
    Aus dem Wohnzimmer kommt Iris Jantzer mit dem Rollstuhl über eine selbst gebaute Rampe noch in den Wintergarten, nach draußen ins Grüne aber nicht mehr. Die zweite Rampe Marke Eigenbau kann sie nicht überwinden. Eine professionell gefertigte können sich Jantzers von einem Monteursgehalt nicht leisten.
    "Ich war jetzt seit zwei Jahren nicht mehr im Garten, denn ich kann unseren Garten gar nicht betreten, weil da gar nichts möglich ist."
    Für ihren 30-jährigen Sohn heißt das, er kann nur noch raus, wenn sein Vater da ist.
    "Ich kann ja nicht eingreifen, wenn er einen Anfall kriegt."
    Mit einem epileptischen Anfall muss man aber immer rechnen. Heinrich Buschmann, Begründer der Initiative "Mobil mit Behinderung", hat Iris Jantzer schon bei einigen Kämpfen um Bewegungsfreiheit unterstützt. Auch dieser wird kein einfacher, sagt er voraus. Buschmann selbst leidet unter Muskelschwund und bewegt sich im Elektro-Rollstuhl.
    "Die Rampe wird nicht gefördert, denn das Verlassen einer Wohnung ist keine Grundlage, keine gesetzliche Grundlage vorhanden, um eine Förderung zu erhalten. Das Fahrzeug, die Mobilität, die ja eine Hausfrau braucht, um die Familie in ihrer ganzen hauswirtschaftlichen Tätigkeit versorgen zu können, das wird absolut nicht gefördert. Eine Hausfrau ist ja nur erwerbslos, einfach nur erwerbslos."
    Leben an der Armutsgrenze
    Die sogenannten Eingliederungshilfen sind vorrangig auf die Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet. Die künftigen Leistungen des Bundesteilhabegesetzes sollen sich dagegen am individuellen Bedarf orientieren. Als Iris Jantzer den rollstuhlgerechten Umbau ihres Autos beantragte, bekam sie zu hören, die Familie habe doch eine private Rentenversicherung:
    "Und wenn wir die verkaufen, also dieser Rückkauf, dann könnten wir die finanzieren. Der Zuschuss von der Kreisverwaltung ist erst abgelehnt worden."
    Dagegen gingen die Jantzers mithilfe von Heinrich Buschmann auf die Barrikaden, mobilisierten die örtliche Polit-Prominenz:
    "Und dann hab' ich einen Teil bekommen, und dadurch habe ich jetzt mein Auto gekriegt, aber es war ein langsamer, mühsamer Weg."
    Das Familienbudget ist knapp, zum 11.000 Euro teuren Treppenlift gab die Pflegekasse 2000 Euro dazu. Um den Restbetrag aufzubringen, mussten Jantzers einen Kredit aufnehmen. Wer sparen kann, aber Assistenz braucht, dem geht es auch nicht besser. Jeder Cent, der über einen Sparbetrag von 2.600 Euro hinausgeht, wird angerechnet, um Kosten für betreutes Wohnen oder andere Leistungen zu decken. Das neue Gesetz soll das ändern.
    "Ich glaube, wenn das Bundesteilhabegesetz sich dieser Erwartung nicht erschließt, ich glaube, dann haben wir eine Revolution," sagt Heinrich Buschmann und denkt dabei an Behinderte mit guten Jobs und üppigen Gehältern, die so viel für Assistenz ausgeben, dass sie an der Armutsgrenze leben. Ob das mit dem neuen Gesetz wirklich aufhört? Noch bleibt alles vage und - so bekommt Heinrich Buschmann in Berlin zu hören - "unter Kostenvorbehalt."