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Carbonbeton
Stresstests für die Zukunft im Brückenbau

Carbon ist ein noch relativ junger Werkstoff, der aber schon vielfach seine Leistungsfähigkeit gezeigt hat, wenn ein leichtes und widerstandsfähiges Material gebraucht wird. Forscher an der TU Berlin wollen ihn auch beim Brückenbau einsetzen und mit Beton kombinieren. Bis Autos über Carbonbetonbrücken fahren, dauert es aber wohl noch etwas.

Von Anja Krieger |
    Blick auf einen Brückenabschnitt der Hochstraße in Ludwigshafen. Die Hochstraße leitet den Verkehr aus der Pfalz bis nach Mannheim und ist eine wichtige Durchgangsstraße, die mittlerweile marode ist und saniert werden muss.
    Blick auf einen Brückenabschnitt der Hochstraße in Ludwigshafen. Betonbrücken könnten in Zukunft viel leichter und langlebiger sein: mit Carbon. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    "Ja, was sie hier vor sich haben, ist wohl die erste Spannbandbrücke der Welt mit Carbon-Spannbändern, das heißt, sie gehen auf einem Band. Das sehen wir hier vorne an der Verankerung, dort laufen die Bänder los."
    Die kleine Brücke aus hellem Beton hängt direkt über dem Boden. Mike Schlaich, Professor für Massivbau an der TU Berlin, läuft sie in wenigen Sekunden ab. Auf 13 Metern Länge liegen Platten aus Beton auf flachen, nur einen Millimeter starken Bändern aus schwarzem Carbon. An beiden Enden der Brücke laufen sie zu Schlaufen zusammen, die an Widerlagern aus Metall verankert sind.
    "Wenn ich dagegen klicke, hören Sie, wie hoch die vorgespannt sind, weil sie hoch klingen."
    Die Bänder, die wie Saiten eines Musikinstruments klingen, bestehen aus einer Vielzahl winziger Fasern aus eng gepackten Kohlenstoffatomen, zehnmal dünner als ein menschliches Haar. In den Bändern der Brücke stecken viele Tausende davon, in Form von Bündeln, die mit Polyamid verklebt sind. So entsteht ein kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff, kurz CFK. Anhand der Versuchsbrücke testen die Forscher der TU die Eigenschaften von Carbon. Denn für Bauingenieure ist Sicherheit oberste Priorität.
    "Und wir können jetzt hoch gehen und werden feststellen, dass die Brücke sehr lebendig ist, denn sehr leichte Tragwerke können auch schwingen."
    Und was schwingt, das kann auch reißen. Wie also reagieren die Carbonbänder auf Belastung, und was passiert, wenn die Brücke altert? Mike Schlaich und seine Kollegen stellen die Brücke immer wieder auf den Prüfstand. Zur Demonstration beginnt der Professor auf der Brücke auf und ab zu wippen.
    - "Ich hoffe, ich werde nicht Zeugin des ersten Zusammenbruchs?!"
    "Nee, die Brücke ist ja quasi wie eine Saite, wenn wir also in der Mitte stehen, dann bringen wir die erste sogenannte Eigenfrequenz zum Schwingen, die erste Eigenform. Der Bauch der Schwingung wie bei der Saite eines Saiteninstruments ist in der Mitte."
    Tatsächlich windet sich die Brücke wie eine Welle hin und her, Dämpfer an den Seiten reduzieren die Schwingung. Der Werkstoff Carbon lässt das zu, ganz anders als Stahl, der bisher in vielen Brücken steckt. Bei solch starker Bewegung treten allerdings auch hohe Kräfte auf. Deshalb ist der Boden unter der Brücke ein sogenanntes Aufspannfeld. Im Keller darunter befindet sich eine große schwere Betonkiste, an der die Auflageböcke fest verankert sind. So können auch einhundert Leute sicher auf der Brücke stehen.
    "Also Spannbandbrücken dieser Art gibt es einige, sind schon ein paar Dutzend solcher Brücken weltweit gebaut worden, aber tatsächlich eher für Fußgängerverkehr, denn sie sind zu lebendig, zu flexibel für Straßenverkehr. Da nimmt man dann Hängebrücken, Bogenbrücken, Fachwerkbrücken oder eher eben vorgespannte Carbonbetonbalken hoffentlich in der Zukunft."
    Auch nach Jahren zeigt die Spannbandbrücke in der Halle der Technischen Universität Berlin keine Zeichen von Alterung und Korrosion. Das hat Mike Schlaich und seinen Kollegen Arndt Goldack dazu angeregt, weitere Anwendungen mit Carbonfasern auszuprobieren. Eine Autobahnbrücke etwa müsste stabil genug sein, damit große Fahrzeuge sie sicher überqueren. Dafür braucht man Beton, in den das Carbon eingebaut werden könnte.
    "Leichtbau heißt ja Material minimieren – Leicht bauen und Ressourcen schonen – deshalb ist Leichtbau im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig."
    Und weil Carbon nicht rostet, könnten Carbonbeton-Brücken auch länger halten. Schon im kommenden Jahr wollen die Forscher einen Prototyp in ihrer Halle aufbauen und testen. Das Projekt ist Teil des Dresdner Forschungsprojekts C3, das im vergangenen Jahr den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten einheimste. Aber auch was ihre schwingende Spannbandbrücke angeht, haben die Brückenbauer noch mehr Ideen.
    "Unser Wunsch, und da muss nur noch ein bisschen Geld da sein, ist die nächste Brücke mit Glasplatten zu machen. Dann wird die Brücke quasi unsichtbar."
    Wenn sich Carbon wirklich durchsetzt, könnte es den Brückenbau grundlegend verändern. Die möglichen Auswirkungen des Werkstoffs auf die Gesundheit, etwa beim Abriss einer Brücke, werden derzeit noch in weiteren Projekten von C3 in Rostock und Dresden untersucht. Die Forscher möchten sicher gehen, dass das Material als Staub in der Lunge keinen Schaden anrichtet.
    Gesetzt den Fall, dass Carbon unbedenklich ist, könnte es Brücken leichter, stabiler und eleganter machen. Das teure und unter hohem Energieaufwand hergestellte Material muss jedoch erst zeigen, dass es das auch wirklich kann. Und deshalb setzen die Forscher an der TU Berlin ihre Brücken weiter unter Stress.