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CD-Debüt "Afroplastique"
Niasony Okomos interessanter Stilmix

Sie stammt aus der Republik Kongo, kam mit 13 nach Deutschland und hat schon immer Musik gemacht. Bevor Niasony Okomo jetzt ihre Debüt-CD "Afroplastique" herausgebracht hat, arbeitete sie als Model, Tänzerin und Choreografin. Musik ist für sie "Therapie".

Von Luigi Lauer |
    Nach Unruhen geflüchtete Bewohner von Brazzaville kehren in die Hauptstadt zurück.
    Straßenszene in Brazzaville. Niasony Okomo kam mit 13 nach Deutschland und erlebte einen Kulturschock. (Jean-Philippe Ksiazek / dpa)
    Niasony Okomo: "Afro steht für afrikanische Elemente, Musik, Leben und so weiter, und Plastik steht für die Armut. Und meine ersten Plastiksandalen, Kinderschuhe, da war ich glaube ich acht. Auf dem Weg zum Markt habe ich mir meine ersten Plastiksandalen gekauft."
    Keine Plastikmusik also. Das wirkt beruhigend, was auch immer man sich darunter vorzustellen hat. "Afroplastique" glänzt vor allem durch die flauschige Stimme von Niasony Okomo, wie die Dame mit vollem Namen heißt; es verführt mit wohlgesetztem Chorgesang, der klug platziert ist; und es überzeugt durch eine interessante Stilmischung, die sehr leicht beliebig geraten kann – aber nicht muss.
    Niasony Okomo: "Mein Mann, der macht Reggae, und ich bringe halt andere Elemente rein, afrikanische Elemente, hat manchmal auch mit Reggae zu tun. Und wir versuchen, da so ein Mittelding zu schaffen, was uns beiden gefällt. Die Grundform liegt schon bei Reggae, Pop, Funk, Soukous. Also Rock haben wir auch drin!"
    Tom Vitz heißt besagter Mann und gilt als ein Reggae-Pionier in Deutschland. Soukous wiederum hat sich aus der kongolesischen Rumba entwickelt, hat über Jahrzehnte den ganzen Kontinent überschwemmt und klingt so.
    Kulturschock
    Niasony war 13 Jahre alt, als sie ihrer Mutter von Kongo-Brazzaville nach Deutschland folgen durfte. Gerade noch rechtzeitig, denn bald darauf versank das Land im Bürgerkrieg. Niasony kam nach Heiligenhaus bei Düsseldorf, eine sehr kleine Kleinstadt, in der man Mitte der 80er schwarzen Menschen auf der Straße noch hinterherschaute. Falls denn mal jemand auf der Straße war.
    Niasony Okomo: "Für mich war das alles so grau, das war so ruhig, und das war so leer. Das war das Schlimmste: Wo bin ich hier gelandet' Kommst hier irgendwo und da sind keine Leute auf der Straße (lacht). Unglaublich! Und dann hast du angefangen, erstmal deine Leute in Afrika zu vermissen."
    Für ein pubertierendes Mädchen aus einer afrikanischen Metropole musste die Diagnose nur lauten: Kulturschock. Denn Zusammenleben definiert sich in den meisten afrikanischen Ländern ganz anders.
    Niasony Okomo: "Ja, dass du ständig Leute um dich hast, das du nicht alleine bist, das ist richtig Action. Weil: In Afrika ist das sowieso schwierig, die können sowieso nicht alleine sein. Ich fand das gut."
    Niasony hatte Glück. Es war dann doch mal jemand auf der Straße, der das inzwischen 16-jährige, bildhübsche und hochgewachsene Mädchen für Modenschauen engagierte. Der Job führte sie zu einer Ausbildung als Kosmetikerin, und nebenbei tanzte, choreographierte und sang sie in verschiedenen Projekten. Dann aber, 2007, ein ganz anderer Schock: Ihr Bruder wurde abgeschoben.
    Niasony Okomo: "Ich nehme mir einfach das Recht zu reden über meinen Bruder, weil ich weiß, wieviel ich getan habe, dass er hier bleiben kann, wie schwer das gewesen ist, wieviel Probleme uns die Behörden angetan haben. Das ist denen scheißegal, auf gut Deutsch gesagt, was mit meinem Bruder passiert ist. Ich habe das noch nicht alles verarbeitet. Ich versuche, das zu vergessen einfach."
    "Musik als Therapie"
    Niasony Okomo: "Ich habe immer versucht, meinen Stress irgendwie auf der Bühne rauszulassen, das hat mir gutgetan. Musik als Therapie, das war gut. Ich muss auf der Bühne meine Arbeit machen, weil das seit 40 Jahren nicht aufhört."
    Das Ergebnis der Therapie heißt "Afroplastique" und die Texte sind offenkundig Teil der Verarbeitung. Der Bruder kommt vor, die Situation in Kongo, und die immer noch Kriege auslösende Ausbeutung von Bodenschätzen; aber auch Appelle an Hoffnung und Durchhaltevermögen.
    Inzwischen lebt Niasony in Kempen bei ihrem Mann, die lokale Mundart ist nicht zu überhören. Die leeren Straßen machen ihr keine Angst mehr, und wo sie sich früher nach der Heimat Kongo gesehnt hat, macht sich heute auch schon mal eine sehr kleine Kleinstadt breit.
    Niasony Okomo: "Wir haben ja in Heiligenhaus, wo ich herkomme, da haben wir ja einen Teich. Und in bestimmten Abständen nehme ich mein Auto und fahre zu dem Teich, einfach die Enten füttern zum Beispiel oder sowas. Das ist richtig schön da, kann ich heute noch machen."