Vor einer Kirche in Havanna bittet der Santería-Priester Luis die Göttin Ochún und die katholische Jungfrau Maria zugleich um Hilfe für eine Gläubige. Die ist nur mal kurz zum Beten in die Kirche gegangen. Er sagt:
"Ich bin hier vor der Kirche, weil Santería ein Synkretismus ist, eine Vermischung der afrikanischen Yoruba-Religion mit dem Katholischen. Es gibt hier keine Trennung, alle Religionen stimmen doch darin überein, dass das Geistige das Wichtigste ist, das Geistige und das Afrikanische. Die Spanier haben die katholische Kirche verehrt. Die Afrikaner aber brachten ihre Religionen mit nach Kuba und versuchten, beides zu verbinden, damit sie ihre Götter weiter verehren konnten."
Papst Franziskus bittet um Vergebung
70 Prozent der Kubaner suchen in der Santería Halt und Rat. Wegen ihr habe der Glaube im kommunistisch regierten Staat überhaupt überleben können, meinen viele Kubaner, die heute wieder unbesorgt in die katholische Kirche gehen. Deren Unterdrückung hat nachgelassen, seit Papst Johannes Paul II. in den 1990er-Jahren die Insel besuchte und etwas Freiheit für die Kirche erreichte. Die Mischung von Religionen und Glauben ist keine kubanische Besonderheit: Die Karibik war seit der Eroberung eine Viel-Völker-Region und entsprechend offen und durchlässig. Mit den Sklaven und Arbeitskräften aus Afrika und Asien wurden auch deren Religionen importiert. Vom Glauben der Ureinwohner blieb allerdings nichts übrig. Wie der Vatikan eingesteht, ist die Region unterworfen worden. Priester hätten die "Heilige Schrift" benutzt, um die Völker zu versklaven. Papst Franziskus brachte es 2015 auf den Punkt. Im Namen Gottes seien viele Verbrechen begangen worden:
"Ich will so deutlich sein wie Papst Johannes Paul II.: In aller Bescheidenheit bitte ich nicht nur um Vergebung für die Sünden der Kirche, sondern für die Verbrechen an den Ureinwohnern während der sogenannten Eroberung Amerikas."
Heute sind die meisten der 40 Millionen Karibik-Bewohner Christen - Protestanten oder Katholiken, je nachdem, welche Kolonialmacht ihre Religion auf die jeweilige Insel mitbrachte. Die meisten Katholiken gibt es auf den spanischsprachigen Inseln - 95 Prozent sind es in der Dominikanischen Republik, die sich die Insel Hispaniola mit Haiti teilt. Haiti war das erste Land, das die Sklaverei abschaffte, Voudou ist dort eine anerkannte Religion.
"Voudou ist Teil des Alltags"
Bei einer Voudou-Zeremonie nehmen die Tanzenden Kontakt zu einem Loa auf, einem der mehr als 400 Geister der westafrikanischen Religion. Die Sklaven ließen sie sich von ihren weißen Herren weder mit der Peitsche noch durch den Galgen austreiben. Bis heute versuchen evangelikale Missionare, den Menschen ihren Voudou auszureden, mit Argumenten wie: Ihr Glaube sei verantwortlich für die verheerende Erdbebenkatastrophe von 2010. Doch allen Vorurteilen und aller Angst zum Trotz bleibe Voudou immer Teil der haitianischen Identität, erklärt der international erfolgreiche Filmemacher Raoul Peck:
"Voudou ist Teil des Alltags. Sie sprechen nicht immer darüber, sondern erleben das. Auf dem Land hat der Priester eine höhere Stellung: Er hilft den Leuten, kann Geld leihen, er ist manchmal besser ausgebildet. Jemand, der in die katholische Kirche geht, kann auch zu einer Voudou-Zeremonie gehen. Die Leute sehen das sehr unverkrampft."
Lange nach Abschaffung der Sklaverei in der Karibik und nachdem viele Inseln unabhängig von ihren Kolonialherren in Europa geworden waren, kamen Arbeitskräfte aus Indien und China auf einige Inseln und brachten ihren Glauben mit. Problemlos leben die Religionen Seite an Seite oder mischen sich. Da sind Synagoge und Moschee auch mal nur durch einen Parkplatz getrennt, Hindutempel stehen an Karibikstränden.