Archiv

"Clubfilmnächte" in Berlin
Glitzer und Exzesse

Berlin war schon immer ein Magnet für Künstler, Freigeister und Feierwütige. Das spiegelt sich auch in der Clubkultur der Hauptstadt wider. In den vergangenen Jahrzehnten sind dort individuelle, schrille und düstere Feier-Locations entstanden. Das Filmfestival "Clubfilmnächte" gibt einen Überblick.

Von Gesine Kühne |
    Die Narva Lounge beim Club Matrix in Berlin am Warschauer Platz am U-Bahnhof Warschauer Strasse.
    Die Clubkultur in Berlin ist individuell und bunt. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    1978 bis 2015. 37 Jahre Clubkultur in Berlin in Filmform schenkt sich der Verein "Club Commission Berlin" zum 15. Geburtstag. Und uns. Uns Feierwütigen von damals und heute, uns Berlininteressierten, uns Zugezogenen, uns Einheimischen. 37 Jahre Clubkultur hört sich erstmal viel an, sei aber nur ein kleiner Einblick in die ganze Geschichte, erzählt der Kurator dieses Festivals, Andreas Döhler:
    "Clubgeschichte müsste im Grunde genommen ja schon mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin irgendwie anfangen, mit der Eröffnung des ersten Jazzclubs 1946 am Kurfürstendamm. Es war dann klar, es muss ein eher willkürliches Datum gewählt werden. Was dann so, jetzt nicht ganz zufällig, mit Beginn der Punkkultur Ende der 70er, Anfang der 80er-Jahre startet."
    Streifzug durch die Clubkultur
    Döhler sieht dieses kleine Festival als eine Art Streifzug durch die Clubkultur. Denn mit acht Hauptfilmen und über 20 Kurzformaten ist selbst die Geschichte der letzten knapp 40 Jahre nicht erzählt. Diese Auswahl kann nur ein Vorgeschmack sein, um sich irgendwann jeder Subkultur und deren Entwicklung in der Stadt Berlin zu widmen.
    Denn darum geht es in allen der Filme in dieser Woche: um Subkultur, um Jugendbewegungen, die letztlich nur ihre Kunst leben wollen, sie präsentieren wollen, aber auf keinen Fall mit Hinblick auf Kommerz.
    "Ich würde mal sagen, bis zum Ende der Neunziger gab es die Idee einer Karriere gar nicht unserer Subkulturszene. Im Grunde war es eine sehr große Spiel- und Experimentierwiese, auf der einfach alle ausprobiert haben. Und im Grunde wirklich nur der Moment 'Leben in der Nacht' an einem Abend gezählt hat und am nächsten Tag wurden die Karten neu gemischt, man hat etwas Neues ausprobiert."
    Freiräume existieren heute kaum noch
    Der Künstler Jim Avignon erzählt im Film "Berlinized" von Freiräumen, die die Neunziger zu einem DER Jahrzehnte machten.
    "Man konnte einfach machen", ergänzt die Bildhauerin Nina Rhode, "ohne irgendjemand zu fragen". Das geht heute nicht mehr so einfach, weil diese Freiräume, zum Beispiel Grundstücke oder unbewohnte Häuser, kaum noch existieren und wenn doch, sie einen Eigentümer haben. Dennoch funktioniert das nicht durchkommerzialisierte Künstlerleben auch noch in den 2010ern. Das zeigt die Dokumentation "Oh Yeah. Berlin. - Makers from the Berlin subculture" mit Tim Schneider von der Künstlergruppe "Karmanoia":
    "Wenn du zaubern möchtest und dir dabei treu bleibst, dann schaffe und die Leute werden kommen!"
    Clubs als kleine Wunderländer
    Mit einer Art Zauber funktionieren aktuell Clubs wie "Die wilde Renate" oder auch das "Sisyphos". Glitzer, leuchtendes Tape und Skulpturen machen aus vielen Berliner Clubs kleine Wunderländer. Auch wenn die Musik oft in den Hintergrund rückt und Drogenexzesse letztlich die Erinnerungen an den vergangenen Abend bestimmen, so viel anders war das in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht, erzählt der Kurator der Clubfilmnächte Andreas Döhler.
    "Es geht in dem gesamten Programm in dieser Woche darum, Verknüpfungen aufzuzeigen. Verknüpfungen von Club- und Subkulturleben in den Achtzigern im Vergleich dann wieder zu den Neunzigern, wo dann die Unterschiede gar nicht so groß sind."
    In den genannten Jahrzehnten stehen sich zwei große Subkulturen gegenüber: Punk und Techno. So richtig wollen die Szenen nichts miteinander zu tun haben, trotzdem gibt es große Parallelen berichtet Döhler. Beide Subkulturen haben eine Club- und Feierszene geschaffen, in der sich künstlerisch ausgelebt werden kann. Ihre größte Gemeinsamkeit ist jedoch: der Exzess.
    Und schon ist auch die Brücke in die heutige Zeit geschlagen. Klar sagen die Alten: früher war das alles anders, freier, es ging um die Musik, Kunst und nicht um Drogen oder Geld. Dass es auch im zugebauten Investorengroßstadtmief fast genauso unangepasst bunt zugehen kann, zeigen dann eben Filme wie "Oh Yeah. Berlin."