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Das Dolly-Prinzip
Der Traum vom Klonen – ausgeträumt

Am 5. Juli 1996 wurde in Schottland ein Schaf namens Dolly geboren - der erste Klon, gewonnen aus einer reifen Körperzelle. Wissenschaftler waren aus dem Häuschen und wollten fortan Organe wie am Fließband produzieren. Kritiker warnten hingegen vor Menschenzucht und fürchteten 'Kinder nach Maß'. 20 Jahre später ist es ruhig um das Klonen geworden, die Methode scheint mehr denn je von einer anderen Alternative abgehängt.

Von Michael Lange |
    Das Klonschaf Dolly steht im Schottischen National Museum.
    Das ausgestopfte Klonschaf. Auch der Leiter der Arbeitsgruppe, die Dolly einst geklont hatte, sagt heute: "Alles, was wir mit embryonalen Stammzellen erreichen wollten, können wir auch mit IPS-Zellen schaffen." (dpa/picture alliance / Daniel Kalker)
    Es ist schon ein wenig enttäuschend. Auf den ersten Blick ist Dolly ein ganz gewöhnliches Schaf. Besonders ist lediglich die Art seiner Entstehung aus reifen, gefrorenen Körperzellen eines bereits geschlachteten Tieres. Wissenschaftler des Roslin-Institutes in der Nähe von Edinburgh in Schottland hatten sich tiefgefrorenes Eutergewebe vom Schlachthof besorgt und daraus eine Zellkultur hergestellt. Die Zellkerne mit dem Erbmaterial spritzten sie in zellkernfreie Eizellen. Das Erbmaterial aus diesen Eizellen hatten die Forscher zuvor entfernt. Es entstand ein Klon – genetisch identisch mit der Euterzelle. Die Idee dazu hatte der Biologe Keith Campbell, um die Durchführung im Labor kümmerte sich der Embryologe Bill Richie.
    "Hier, in diesem Labor wurde Dolly gemacht. Mit diesem Equipment haben wir die Mikromanipulation durchgeführt."
    Der Raum ist winzig. Nicht viel größer als ein Wandschrank. Und die Arbeit darin forderte von Bill Richie und seinem Team viel Geduld. 277 Versuche waren notwendig.
    "Es ist fast wie ein Spiel. Man braucht jede Menge Konzentration. So viel kann schief gehen. Ich bin immer wieder überrascht, dass aus einem so winzigen Zellkern, den wir so grob behandeln, ein neues Lebewesen entstehen kann. In diesem Kern steckt die gesamte Information, um ein neues Tier aus altem Erbmaterial wieder zu erschaffen, wenn Sie so wollen."
    Ein halbes Jahr später, im Februar 1997, wurde das Roslin-Institute von Journalisten gestürmt und von Fernseh-Übertragungswagen belagert. Die ganze Welt diskutierte über ein Schaf. Von Anfang an stand die Befürchtung im Raum, dass auch Menschen auf die gleiche Art geklont werden könnten. Seriöse Wissenschaftler distanzierten sich von diesen Vorstellungen, sie schwärmten lieber vom "therapeutischen Klonen". Mit Klontechnik sollten Embryonen entstehen, als Quelle für embryonale Stammzellen - gedacht zu Therapiezwecken. So plante man, Organe für die Transplantation aus körpereignen Zellen des Patienten im Labor zu züchten.
    "Es wird ein neuer Urquell geschaffen. Es wird im Grunde eine Verjüngungskur in Aussicht gestellt."
    Ingrid Schneider, Professorin an der Universität Hamburg, befasst sich mit Technikfolgenabschätzung im Bereich Biomedizin.
    "Es wird mit Sicherheit irgendwann mal etwas dabei herauskommen. Aber ob das tatsächlich diese wunderbaren Stammzellen sein werden, die man dann implantiert, das ist die ganz große Frage."
    IPS-Zellen verdrängten die Klontechnik als Hoffnungsträger
    2006 entwickelte der Japaner Shinya Yamanaka ein Verfahren, mit dem sich Stammzellen aus Körperzellen herstellen lassen: Die IPS-Technik. Ganz ohne klonen. Induzierte pluripotente Stammzellen – kurz IPS – entstehen durch Umprogrammierung von reifen Gewebezellen. Sie werden zu vielseitigen Stammzellen, die sich medizinisch nutzen lassen. IPS-Zellen verdrängten die Klontechnik als Hoffnungsträger. Auch der Leiter der Arbeitsgruppe, die Dolly einst geklont hatte, Ian Wilmut, schwenkte um.
    "Alles, was wir mit embryonalen Stammzellen erreichen wollten, können wir auch mit IPS-Zellen schaffen. Und sogar noch etwas mehr. Das sind spannende Aussichten für die Stammzellenforschung."
    Erst 2013 gelang es US-Forschern erstmals tatsächlich durch Klonen, embryonale Stammzellen des Menschen herzustellen. Die große Bedeutung hatte das Verfahren zu diesem Zeitpunkt aber bereits eingebüßt. Fast alle Wissenschaftler setzen mittlerweile auf IPS, der Durchbruch in der Medizin steht aber noch aus. Geklont wird heute nur noch selten. Einige Rinderzüchter in den USA und Japan nutzen die Technik, um durch Klonen wertvolle Zuchttiere genetisch zu vervielfältigen. Nur bei ihnen lohnt die aufwendige, teure und noch immer fehleranfällige Methode.
    Dolly starb im Alter von sechs Jahren. Sie wurde wegen einer Lungenkrankheit eingeschläfert. Ob ihr früher Tod Folge des Klonens war, konnte nicht geklärt werden. Dolly steht heute ausgestopft im schottischen Nationalmuseum in Edinburgh.