Peter Kaiser, Norbert Moc, Heinz-Peter Zierholz: Das Gastmahl der Mörderin Giftmorde aus drei Jahrhunderten Verlag das neue Berlin, 1997, 256 Seiten, 29,80 Mark
Nina Schindler (Hrsg.): Die Hohe Kunst des Mordens Alles über Krimis Claassen Verlag, 1997, 537 Seiten, 58 Mark
Mit Kain und Abel ging es los; die Lust am Mord ist zeitlos. Aber wie schafft man einen ungeliebten Mitmenschen am besten aus dem Weg? Das Autorentrio Kaiser, Moc und Zierholz hat jetzt einen neuen Sammelband in Sachen Giftmord vorgelegt, in dem sie mit Hilfe von Prozeßakten und Zeitzeugenberichten authentische Fälle rekonstruieren. Gift sei eine elegante Problemlösung, heißt es im Vorwort: "Es tötet heimtückisch und lautlos, verlangt weder körperliche Kraft noch Gewalt, verursacht nicht die unangenehmen Begleiterscheinungen eines gewöhnlichen Mordes, ist bei entsprechender Kenntnis variierbar in seinen Wirkungen und zweifellos mit einer gewissen reizvollen Herausforderung an den Intellekt des Täters verbunden."
Der erste Fall, der strenggenommen nicht in die Sammlung gehört, weil kein Giftmord vorlag, sondern nur ein unbewiesener Verdacht, der allerdings tödliche Folgen hatte, ist der beklemmendste in einem Buch, das man ansonsten wenig bekümmert liest. Man ist vielmehr verblüfft, mit welcher Lässigkeit die jeweiligen Damen und Herren Konfliktbewältigung betrieben. Aber zunächst geht es um die Subpriorin Maria Renata Singerin von Mossau, eine Achtzigjährige, die 1746 gegen gutes Geld fünf geistesgestörte Töchter eines angesehenen Stadtrates in ihr Kloster aufnahm - eine häufige Praxis in der damaligen Zeit. Eine der jungen Frauen erkrankt, hält die Heiltränke Maria Renatas für Gift und beichtet auf dem Sterbebett einem Pater wirre Phantasien von Hexen auf Besenstielen und dergleichen. Dem Pater passen diese letzten Worte einer offenkundig Schwachsinnigen gut ins Konzept. Er und sein Abt, beide fanatische Gegner der Aufklärung, bringen es dahin, daß Maria Renata mit dem Segen der Kirche 1749 als die letzte Hexe in Deutschland hingerichtet wird. Eine tödliche Verleumdung.
Im Umkreis der ehrbaren Charlotte Ursinus zu leben, war der Gesundheit durchaus nicht zuträglich. Ein Ehemann wurde dahingerafft, danach ein Liebhaber, dann eine Tante, auch den Diener ereilte es beinahe - Frau Ursinus gab später unter anderem an, sie wollte an ihm ausprobieren, wieviel Gift sie selbst nehmen müsse, um Suizid zu begehen. Aber gutes Personal findet sich so schwer - der widerspenstige Diener entzog sich rechtzeitig. - 1909 bekamen mehrere Offiziere von unbekannter Hand Liebeskapseln zugesandt. Einer schluckte erwartungsfroh. Der Mann war alsbald eine Leiche. Eine Frau Hofrichter wollte ihren Gatten so gern zum Hauptmann aufsteigen sehen, und der versuchte, seine lästigen Konkurrenten mittels Blausäure auszuschalten.
Kaiser, Moc und Zierholz haben die sieben vorgestellten Mordfälle weitgehend sachlich und mit Interesse am historischen Kontext beschrieben. Auch wenn die gestalterischen Freiheiten, die sie sich nehmen, gelegentlich zu großzügig bemessen sind, wirkt das Buch im Ganzen noch geradezu redlich. Jedenfalls im Vergleich mit dem anmaßenden Machwerk "Schwarze Witwen und eiserne Jungfrauen", einer Geschichte der Mörderinnen von Christian Bolte und Klaus Dimmler. Man staunt, mit welch selbstbewußter Attitude hier die allergrößten Plattheiten vorgestellt werden. Wer es bisher nicht wußte, erfährt von den Herren, daß auch Frauen zu extremen Gewalttaten imstande sein können, man kennt das ja, traumatische Erlebnisse in Kindheit und Jugend, die nicht in Autoaggressionen umschlagen, sondern nach außen gewendet werden. Das Buch ist ein Sammelsurium tatsächlicher und literarischer Mordfälle, die mit Populärpsychologie, Brocken von poststrukturalistischer Theorie und Zitaten aus der Sensationspresse zu einem durchaus unbekömmlichen Brei verrührt werden. Der Darstellung von Giftmörderinnen, die sozusagen Privatinteressen nachgingen, folgt ein Kapitel über Mord aus politischer Leidenschaft. Verwundert liest man: "vielleicht unbewußt pochende weibliche Minderwertigkeitsgefühle angesichts männlicher Welteroberungsgesten machten sich immer wieder auf aggressive Weise Luft."
Aha. So wird es wohl gewesen sein, als die Judith des apokryphen alttestamentarischen Buchs den Holofernes erschlug. Unbewußte Minderwertigkeitsgefühle trieben sicherlich auch Jeanne d´Arc, Charlotte Corday, Ulrike Meinhof, und wen sonst noch die Autoren in diesem Kapitel berechtigt oder völlig unberechtigt heranziehen. Ob es nun um Mord geht oder um die Figur der "Jungfrau in Waffen", das sehen Bolte und Dümmler nicht so eng, und deshalb findet sich auch die Autorin Susanna Tamaro in diesem Teil des Buchs wieder. Sie hat den Fehler gemacht, ihre vegetarische Ernährung und ihre bevorzugten Sportarten öffentlich zu machen und zuzugeben, daß sie Bienen züchtet. Man kann von ihrer literarischen Arbeit und ihrer Lebensweise halten, was man will, aber daß sie bei Bolte und Dümmler zur "heiligen Susanna der Bienenzucht, gewappnet mit den modernen Attributen der kriegerischen Amazone" wird, erscheint als billige Polemik. Was hat Frau Tamaro in einer Geschichte der Mörderinnen zu suchen? Auch Brigitte Bardot findet Erwähnung, sofern sie gelegentlich als "neuzeitliche Hexe" gesehen wurde, und in einem Exkurs wird geschildert, wie Robert-Francois Damiens, der doch wohl männlichen Geschlechts war, wegen Majestätsbeleidigung auf entsetzliche Weise zu Tode gefoltert wurde. Man hat den Eindruck, die Autoren greifen alles, alles auf, wenn es nur grausam genug ist oder die Sensationsgier in irgendeiner Weise aufstachelt. Genüßlich wird die Geschichte einer ungarischen Gräfin ausgewalzt, die der Sage nach über 600 Mädchen mittels einer Blutpresse, der "eisernen Jungfrau" getötet haben soll, um sich in den anschließenden Blutbädern zu verjüngen. Von Sirenen, Kindsmörderinnen, Hexen und Nymphen ist die Rede; auch ein unkritischer Hinweis auf die "gefühlskalte Nymphomanin" findet sich - es gibt fürwahr sehr viele böse Frauen.
Ein zusammengestückeltes Buch, und man stutzt während der Lektüre immer wieder. Verrät es Stilbewußtsein, wenn die Autoren ausmalen, Jean Paul Marat habe in seiner Wanne innerlich gekichert beim Gedanken an die Hinrichtung von Volksfeinden? Ist es adäquat, zu schreiben, eine spätere Malerin, "erblickt die interessante Welt der Künstler", wenn man sagen will, sie sei geboren worden oder habe das Licht der Welt erblickt? Und was ist davon zu halten, wenn die als junge Frau vergewaltigte Malerin Artemisia Gentileschi, die später eine kraftvolle Version der Ermordung des Holofernes malte, mit den gönnerhaften Sätzen bedacht wird: "Sie war nicht zerbrochen an den Erlebnissen mit Tassi. Die Kunst hatte ihr geholfen!" Das Resümee, das die Autoren aus ihrer Interpretation von Artemisia Gentileschis Leben und Werk ziehen, gibt sich launig-herablassend und ist sicherlich exakt die Art von Lebenshilfe, die Frauen immer schon vermißt haben: Es sei erwiesen, daß körperlich-schlagende Argumente befreiend wirkten, und, Zitat, "Männer, die ihre leidenden Frauen wirklich unterstützen möchten, sollten ihnen daher beide Wangen hinhalten."
Nein, nein: Auch wenn diese Geschichte der Mörderinnen nicht auf jeder Seite dermaßen geschmacklos auftritt, hier scheint ein allerdings großes Thema grob verpatzt worden zu sein.
Läßt sich denn über tatsächliche oder fiktive Morde nicht so schreiben, daß man die jeweiligen Schreibtischtäter und das eigene Los als Leser nicht beseufzen muß? Läßt sich auf der Meta-Ebene, in Texten über Kriminalfälle und Kriminalliteratur, nicht, sagen wir, einladender schreiben?
"Das Mordsbuch. Alles über Krimis", herausgegeben von Nina Schindler, tritt mit diesem Anspruch auf. Das Buch will eins von Fans für Fans sein, man soll schmöckern, kichern, rätseln dürfen. Ein Wälzer: 537 Seiten, eingestreute kriminalistische Kreuzworträtsel, Krimipuzzles - und über 1000 empfohlene oder besprochene Bücher. Genau da liegt der Hund begraben. Was erfährt der Leser, wenn ihm mitgeteilt wird, daß die Autorin Kate Colloway ihre Heldin in ein wüstes Abenteuer stürzt; daß John Sherwood seinen Helden ein haarsträubendes Abenteuer erleben läßt und daß man sich Namen wie Domini Highsmith oder Molly Brown merken sollte? Seitenweise wird auf diese Weise öde Fleißarbeit betrieben. Mit Wehmut denkt man an den im zweiten Quartal 1996 erschienenen Band der Literaturzeitschrift "die Horen", in dem die kriminelle Energie der Autoren schönste Blüten trieb - da muß man bei Nina Schindler lange suchen. Aber es gibt in ihrer Sammlung intelligente, spannende Beiträge. Nach der Lektüre von Guntram Schwotzers Text über den Tatort Stadtbibliothek wird man eine solche Lokalität mit anderen Augen sehen; Ingrid Noll erzählt von skurrilen und leidvollen Erfahrungen mit Fans, die sie selbst um die Ecke bringen, oder Carmen Korn gibt Einblick in ihre Motivation als Krimischreiberin.
Ja, es gibt lesenswerte, kluge Analysen in diesem Band - aber wer bisher kein Krimifan ist, wird es durch dieses Buch nicht. Vor einer Lektüre in einem Rutsch sei gewarnt; man fühlt sich danach wie erschlagen. Das aufwendige Layout, das einen anfangs amüsiert, verstellt zunehmend den Genuß beim Lesen, die Seiten sind übersät mit ablenkenden Sternchen, Hüten, schwarzen Händen, Fotos, Schlüsseln, Fußspuren - als traue die Herausgeberin der Faszination der Texte selbst nicht so recht. Schade. Das Bemühen, zu möglichst vielen Aspekten des Genres Texte vorzustellen, kehrt sich irgendwann gegen das Mordsbuch, das ein sehr viel strengeres Lektorat gebraucht hätte. Einzelne Autoren, das sei hier noch einmal gesagt, verdienen wirkliches Lob. Aber alle drei Bücher zusammengenommen liegen als Ganzes, mit Verlaub gesagt, wie eine aufgedunsene Leiche da. Auf leisen Sohlen will man sich entfernen.
Nina Schindler (Hrsg.): Die Hohe Kunst des Mordens Alles über Krimis Claassen Verlag, 1997, 537 Seiten, 58 Mark
Mit Kain und Abel ging es los; die Lust am Mord ist zeitlos. Aber wie schafft man einen ungeliebten Mitmenschen am besten aus dem Weg? Das Autorentrio Kaiser, Moc und Zierholz hat jetzt einen neuen Sammelband in Sachen Giftmord vorgelegt, in dem sie mit Hilfe von Prozeßakten und Zeitzeugenberichten authentische Fälle rekonstruieren. Gift sei eine elegante Problemlösung, heißt es im Vorwort: "Es tötet heimtückisch und lautlos, verlangt weder körperliche Kraft noch Gewalt, verursacht nicht die unangenehmen Begleiterscheinungen eines gewöhnlichen Mordes, ist bei entsprechender Kenntnis variierbar in seinen Wirkungen und zweifellos mit einer gewissen reizvollen Herausforderung an den Intellekt des Täters verbunden."
Der erste Fall, der strenggenommen nicht in die Sammlung gehört, weil kein Giftmord vorlag, sondern nur ein unbewiesener Verdacht, der allerdings tödliche Folgen hatte, ist der beklemmendste in einem Buch, das man ansonsten wenig bekümmert liest. Man ist vielmehr verblüfft, mit welcher Lässigkeit die jeweiligen Damen und Herren Konfliktbewältigung betrieben. Aber zunächst geht es um die Subpriorin Maria Renata Singerin von Mossau, eine Achtzigjährige, die 1746 gegen gutes Geld fünf geistesgestörte Töchter eines angesehenen Stadtrates in ihr Kloster aufnahm - eine häufige Praxis in der damaligen Zeit. Eine der jungen Frauen erkrankt, hält die Heiltränke Maria Renatas für Gift und beichtet auf dem Sterbebett einem Pater wirre Phantasien von Hexen auf Besenstielen und dergleichen. Dem Pater passen diese letzten Worte einer offenkundig Schwachsinnigen gut ins Konzept. Er und sein Abt, beide fanatische Gegner der Aufklärung, bringen es dahin, daß Maria Renata mit dem Segen der Kirche 1749 als die letzte Hexe in Deutschland hingerichtet wird. Eine tödliche Verleumdung.
Im Umkreis der ehrbaren Charlotte Ursinus zu leben, war der Gesundheit durchaus nicht zuträglich. Ein Ehemann wurde dahingerafft, danach ein Liebhaber, dann eine Tante, auch den Diener ereilte es beinahe - Frau Ursinus gab später unter anderem an, sie wollte an ihm ausprobieren, wieviel Gift sie selbst nehmen müsse, um Suizid zu begehen. Aber gutes Personal findet sich so schwer - der widerspenstige Diener entzog sich rechtzeitig. - 1909 bekamen mehrere Offiziere von unbekannter Hand Liebeskapseln zugesandt. Einer schluckte erwartungsfroh. Der Mann war alsbald eine Leiche. Eine Frau Hofrichter wollte ihren Gatten so gern zum Hauptmann aufsteigen sehen, und der versuchte, seine lästigen Konkurrenten mittels Blausäure auszuschalten.
Kaiser, Moc und Zierholz haben die sieben vorgestellten Mordfälle weitgehend sachlich und mit Interesse am historischen Kontext beschrieben. Auch wenn die gestalterischen Freiheiten, die sie sich nehmen, gelegentlich zu großzügig bemessen sind, wirkt das Buch im Ganzen noch geradezu redlich. Jedenfalls im Vergleich mit dem anmaßenden Machwerk "Schwarze Witwen und eiserne Jungfrauen", einer Geschichte der Mörderinnen von Christian Bolte und Klaus Dimmler. Man staunt, mit welch selbstbewußter Attitude hier die allergrößten Plattheiten vorgestellt werden. Wer es bisher nicht wußte, erfährt von den Herren, daß auch Frauen zu extremen Gewalttaten imstande sein können, man kennt das ja, traumatische Erlebnisse in Kindheit und Jugend, die nicht in Autoaggressionen umschlagen, sondern nach außen gewendet werden. Das Buch ist ein Sammelsurium tatsächlicher und literarischer Mordfälle, die mit Populärpsychologie, Brocken von poststrukturalistischer Theorie und Zitaten aus der Sensationspresse zu einem durchaus unbekömmlichen Brei verrührt werden. Der Darstellung von Giftmörderinnen, die sozusagen Privatinteressen nachgingen, folgt ein Kapitel über Mord aus politischer Leidenschaft. Verwundert liest man: "vielleicht unbewußt pochende weibliche Minderwertigkeitsgefühle angesichts männlicher Welteroberungsgesten machten sich immer wieder auf aggressive Weise Luft."
Aha. So wird es wohl gewesen sein, als die Judith des apokryphen alttestamentarischen Buchs den Holofernes erschlug. Unbewußte Minderwertigkeitsgefühle trieben sicherlich auch Jeanne d´Arc, Charlotte Corday, Ulrike Meinhof, und wen sonst noch die Autoren in diesem Kapitel berechtigt oder völlig unberechtigt heranziehen. Ob es nun um Mord geht oder um die Figur der "Jungfrau in Waffen", das sehen Bolte und Dümmler nicht so eng, und deshalb findet sich auch die Autorin Susanna Tamaro in diesem Teil des Buchs wieder. Sie hat den Fehler gemacht, ihre vegetarische Ernährung und ihre bevorzugten Sportarten öffentlich zu machen und zuzugeben, daß sie Bienen züchtet. Man kann von ihrer literarischen Arbeit und ihrer Lebensweise halten, was man will, aber daß sie bei Bolte und Dümmler zur "heiligen Susanna der Bienenzucht, gewappnet mit den modernen Attributen der kriegerischen Amazone" wird, erscheint als billige Polemik. Was hat Frau Tamaro in einer Geschichte der Mörderinnen zu suchen? Auch Brigitte Bardot findet Erwähnung, sofern sie gelegentlich als "neuzeitliche Hexe" gesehen wurde, und in einem Exkurs wird geschildert, wie Robert-Francois Damiens, der doch wohl männlichen Geschlechts war, wegen Majestätsbeleidigung auf entsetzliche Weise zu Tode gefoltert wurde. Man hat den Eindruck, die Autoren greifen alles, alles auf, wenn es nur grausam genug ist oder die Sensationsgier in irgendeiner Weise aufstachelt. Genüßlich wird die Geschichte einer ungarischen Gräfin ausgewalzt, die der Sage nach über 600 Mädchen mittels einer Blutpresse, der "eisernen Jungfrau" getötet haben soll, um sich in den anschließenden Blutbädern zu verjüngen. Von Sirenen, Kindsmörderinnen, Hexen und Nymphen ist die Rede; auch ein unkritischer Hinweis auf die "gefühlskalte Nymphomanin" findet sich - es gibt fürwahr sehr viele böse Frauen.
Ein zusammengestückeltes Buch, und man stutzt während der Lektüre immer wieder. Verrät es Stilbewußtsein, wenn die Autoren ausmalen, Jean Paul Marat habe in seiner Wanne innerlich gekichert beim Gedanken an die Hinrichtung von Volksfeinden? Ist es adäquat, zu schreiben, eine spätere Malerin, "erblickt die interessante Welt der Künstler", wenn man sagen will, sie sei geboren worden oder habe das Licht der Welt erblickt? Und was ist davon zu halten, wenn die als junge Frau vergewaltigte Malerin Artemisia Gentileschi, die später eine kraftvolle Version der Ermordung des Holofernes malte, mit den gönnerhaften Sätzen bedacht wird: "Sie war nicht zerbrochen an den Erlebnissen mit Tassi. Die Kunst hatte ihr geholfen!" Das Resümee, das die Autoren aus ihrer Interpretation von Artemisia Gentileschis Leben und Werk ziehen, gibt sich launig-herablassend und ist sicherlich exakt die Art von Lebenshilfe, die Frauen immer schon vermißt haben: Es sei erwiesen, daß körperlich-schlagende Argumente befreiend wirkten, und, Zitat, "Männer, die ihre leidenden Frauen wirklich unterstützen möchten, sollten ihnen daher beide Wangen hinhalten."
Nein, nein: Auch wenn diese Geschichte der Mörderinnen nicht auf jeder Seite dermaßen geschmacklos auftritt, hier scheint ein allerdings großes Thema grob verpatzt worden zu sein.
Läßt sich denn über tatsächliche oder fiktive Morde nicht so schreiben, daß man die jeweiligen Schreibtischtäter und das eigene Los als Leser nicht beseufzen muß? Läßt sich auf der Meta-Ebene, in Texten über Kriminalfälle und Kriminalliteratur, nicht, sagen wir, einladender schreiben?
"Das Mordsbuch. Alles über Krimis", herausgegeben von Nina Schindler, tritt mit diesem Anspruch auf. Das Buch will eins von Fans für Fans sein, man soll schmöckern, kichern, rätseln dürfen. Ein Wälzer: 537 Seiten, eingestreute kriminalistische Kreuzworträtsel, Krimipuzzles - und über 1000 empfohlene oder besprochene Bücher. Genau da liegt der Hund begraben. Was erfährt der Leser, wenn ihm mitgeteilt wird, daß die Autorin Kate Colloway ihre Heldin in ein wüstes Abenteuer stürzt; daß John Sherwood seinen Helden ein haarsträubendes Abenteuer erleben läßt und daß man sich Namen wie Domini Highsmith oder Molly Brown merken sollte? Seitenweise wird auf diese Weise öde Fleißarbeit betrieben. Mit Wehmut denkt man an den im zweiten Quartal 1996 erschienenen Band der Literaturzeitschrift "die Horen", in dem die kriminelle Energie der Autoren schönste Blüten trieb - da muß man bei Nina Schindler lange suchen. Aber es gibt in ihrer Sammlung intelligente, spannende Beiträge. Nach der Lektüre von Guntram Schwotzers Text über den Tatort Stadtbibliothek wird man eine solche Lokalität mit anderen Augen sehen; Ingrid Noll erzählt von skurrilen und leidvollen Erfahrungen mit Fans, die sie selbst um die Ecke bringen, oder Carmen Korn gibt Einblick in ihre Motivation als Krimischreiberin.
Ja, es gibt lesenswerte, kluge Analysen in diesem Band - aber wer bisher kein Krimifan ist, wird es durch dieses Buch nicht. Vor einer Lektüre in einem Rutsch sei gewarnt; man fühlt sich danach wie erschlagen. Das aufwendige Layout, das einen anfangs amüsiert, verstellt zunehmend den Genuß beim Lesen, die Seiten sind übersät mit ablenkenden Sternchen, Hüten, schwarzen Händen, Fotos, Schlüsseln, Fußspuren - als traue die Herausgeberin der Faszination der Texte selbst nicht so recht. Schade. Das Bemühen, zu möglichst vielen Aspekten des Genres Texte vorzustellen, kehrt sich irgendwann gegen das Mordsbuch, das ein sehr viel strengeres Lektorat gebraucht hätte. Einzelne Autoren, das sei hier noch einmal gesagt, verdienen wirkliches Lob. Aber alle drei Bücher zusammengenommen liegen als Ganzes, mit Verlaub gesagt, wie eine aufgedunsene Leiche da. Auf leisen Sohlen will man sich entfernen.