Kate Maleike: Der fröhliche Reformer, das Enfant Terrible der deutschen Hochschullandschaft, der heimliche Bildungsminister, Scientific Entrepreneur - in seinen 14 Jahren als Leiter des Zentrums für Hochschulentwicklung hat Professor Detlef Müller-Böling eine Menge an Bezeichnungen erfahren, positive wie auch negative, denn nicht immer stießen die Reformvorschläge des CHE auch auf Gegenliebe. Besonders bei der Studierendenschaft hat sich Müller-Böling nicht nur immer Freunde gemacht, zum Beispiel durch seine Hochschulrankings und die Befürwortung von Studiengebühren hat er einiges an Kritik auch einfangen müssen. Heute ist nun sein letzter offizieller Arbeitstag, gleich nimmt er die Kisten und geht in den Ruhestand. Herr Müller-Böling, mit welchem Gefühl denn?
Detlef Müller-Böling: Mit einem sehr guten Gefühl, weil ich glaube, dass auf der einen Seite sehr viel Bewegung in das deutsche Hochschulsystem gekommen ist und dass wir aus der Erstarrung, die uns in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren gekennzeichnet hat, herausgekommen sind, jetzt dynamisch in den Weltwettbewerb wieder eingetreten sind, und insofern kann ich mit einem sehr beruhigten Gefühl meine Kisten nehmen.
Maleike: Die Hochschulrankings und die Studiengebühren hatte ich ja schon angesprochen, Sie haben aber natürlich in erster Linie auch dafür gesorgt, dass die Hochschullandschaft unternehmerischer wird, dass Qualitätsmanagement betrieben wird, Profilbildung, Prozessoptimierung wären weitere Stichworte oder auch Best Practice. Was davon war denn die größte Herausforderung für Sie?
Müller-Böling: Ach, alles eigentlich zu seiner Zeit. Der entscheidende Punkt der Reform, der auch am Anfang nicht verstanden wurde, war, dass wir alles dies gleichzeitig verändern mussten oder zumindest aufeinander bezogen verändern müssen. Wenn man die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Universitäten verändern will, dann bedeutet das, dass man auch besser mit den Finanzen umgehen kann als in einer Gremienuniversität, bei der die Zuwächse an alle gleichmäßig verteilt werden. Das ist nur möglich dann, wenn man auch auf die Qualität schaut und sich fragt: Wo soll das Geld sinnvollerweise mit der Qualität hinfließen? Und diese Gesamtzusammenhänge waren außerordentlich wichtig, sind mittlerweile im Bewusstsein aller Akteure, und das freut mich besonders.
Maleike: Was würden Sie denn rückblickend als die bedeutendste Entwicklung sehen, die Sie auch mit angeschoben haben?
Müller-Böling: Ganz wichtig ist, dass die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Hochschule verändert worden sind, dass wir jetzt tatsächlich verantwortliche Leute etwa auf der Dekanebene haben, auf der Rektoratsebene haben, die Entscheidungen treffen können und nicht nur auf die Gremien angewiesen sind. Die Gremien kontrollieren sie, sie sind einem Hochschulrat gegenüber verantwortlich und jetzt können überhaupt erst Entscheidungen getroffen werden. Das war mit dem Kollegialitätsprinzip und in der Gremienuniversität nicht möglich.
Maleike: Gab es so was wie einen harten Brocken, an dem Sie sich auch die Zähne ausgebissen haben?
Müller-Böling: Ja, wenn Sie so wollen, ist das das Kapazitätsrecht, die Kapazitätsverordnung, die noch nicht verändert worden ist, obwohl das immer wieder gefordert wird, zuletzt auch von Frau Schavan. Und was mit weiterhin sehr viel Sorge macht, ist die Finanzierungsfrage, die zwar in Teilen und an bestimmten Ecken, etwa bei der Exzellenzinitiative, verbessert ist, die aber noch lange nicht einem internationalen Standard entspricht, obwohl das in den Sonntagsreden immer wieder gefordert wird, auch von den Politikern. Hier muss auf jeden Fall noch nachgelegt werden, und hier müssen auch andere Strukturen der Finanzierung, also länderübergreifende Finanzierungsformen, gefunden werden, mit einem Lehrpool beispielsweise.
Maleike: Und dem Hochschulpakt II?
Müller-Böling: Ja natürlich, das ist die ganz große, nationale Herausforderung. Wir haben ja sehr intensiv schon früh darauf hingewiesen, wie viele neue Studierende auf uns zukommen, dass das eine große Chance ist für diese Republik, noch einmal so viele Akademiker zu bekommen. Dies muss aber auch entsprechend ausfinanziert werden und das muss im Hochschulpakt II jetzt passieren. Ich sehe da sehr große Bereitschaft auf der Seite von Bund und Ländern, aber da wird man sie dann an den Entscheidungen messen müssen.
Maleike: Was werden denn die wichtigsten Aufgaben für die Hochschulen in Zukunft sein?
Müller-Böling: Ich glaube, dass eine der ganz wesentlichen Aufgaben außer denen, die schon gut in Angriff genommen worden sind wie beispielsweise die Qualitätsfrage, die ist noch nicht zu Ende, aber die ist in Angriff genommen worden, aber eine der ganz wesentlichen Aufgaben wird sein, die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf neu in den Hochschulen zu gestalten. Das halte ich für eine gesellschaftliche Aufgabe insgesamt. Wir brauchen dies in allen Organisationsformen und hier müssten die Hochschulen Vorreiter sein, wie man die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser gestalten kann. Und die Finanzierungsfrage, die muss meines Erachtens auch gelöst werden im Hochschulpakt II. Für die nächsten 10, 15 Jahre müsste hier auch nicht nur mehr Geld ins System hinein, sondern darüber hinaus auch Strukturen gefunden werden, die das Geld richtig verteilen und das muss länderübergreifend erfolgen aus meiner Sicht, sonst kommen wir mit den Herausforderungen des demographischen Wandels nicht zurecht.
Maleike: Und Sie? Segeln und sich Frau und Familie widmen sagen Sie immer, dass das jetzt Ihre vornehmlichste Aufgabe werden wird. Daran können die meisten aber gar nicht glauben. Wann werden Sie die nächsten Vortragskoffer packen?
Müller-Böling: Anfang September werde ich keinen Vortragskoffer packen, sondern den Gutachterkoffer und in der Gutachterkommission der Bundesregierung von Bund und Ländern sein, die die Anträge für die Gleichstellungskonzepte der Hochschulen bewertet. In dieser Gutachterkommission bin ich drin.
Maleike: Es geht also weiter, nicht nur Privatier?
Müller-Böling: Ja, natürlich wird es weitergehen, ich werde nun nicht völlig aufhören, mich um eins der liebsten Kinder, die ich in den letzten Jahren hatte, zu kümmern, das deutsche Hochschulsystem oder das europäische dann, nein, aber nicht mehr in der Form, wie das bisher der Fall gewesen ist, das wird nicht mehr der Fall sein.
Maleike: Vielleicht hören wir uns dann doch mal wieder. Professor Müller-Böling war das, der jetzt scheidende Leiter des CHE in Gütersloh. Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Müller-Böling: Ich danke Ihnen, Frau Maleike!
Detlef Müller-Böling: Mit einem sehr guten Gefühl, weil ich glaube, dass auf der einen Seite sehr viel Bewegung in das deutsche Hochschulsystem gekommen ist und dass wir aus der Erstarrung, die uns in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren gekennzeichnet hat, herausgekommen sind, jetzt dynamisch in den Weltwettbewerb wieder eingetreten sind, und insofern kann ich mit einem sehr beruhigten Gefühl meine Kisten nehmen.
Maleike: Die Hochschulrankings und die Studiengebühren hatte ich ja schon angesprochen, Sie haben aber natürlich in erster Linie auch dafür gesorgt, dass die Hochschullandschaft unternehmerischer wird, dass Qualitätsmanagement betrieben wird, Profilbildung, Prozessoptimierung wären weitere Stichworte oder auch Best Practice. Was davon war denn die größte Herausforderung für Sie?
Müller-Böling: Ach, alles eigentlich zu seiner Zeit. Der entscheidende Punkt der Reform, der auch am Anfang nicht verstanden wurde, war, dass wir alles dies gleichzeitig verändern mussten oder zumindest aufeinander bezogen verändern müssen. Wenn man die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Universitäten verändern will, dann bedeutet das, dass man auch besser mit den Finanzen umgehen kann als in einer Gremienuniversität, bei der die Zuwächse an alle gleichmäßig verteilt werden. Das ist nur möglich dann, wenn man auch auf die Qualität schaut und sich fragt: Wo soll das Geld sinnvollerweise mit der Qualität hinfließen? Und diese Gesamtzusammenhänge waren außerordentlich wichtig, sind mittlerweile im Bewusstsein aller Akteure, und das freut mich besonders.
Maleike: Was würden Sie denn rückblickend als die bedeutendste Entwicklung sehen, die Sie auch mit angeschoben haben?
Müller-Böling: Ganz wichtig ist, dass die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Hochschule verändert worden sind, dass wir jetzt tatsächlich verantwortliche Leute etwa auf der Dekanebene haben, auf der Rektoratsebene haben, die Entscheidungen treffen können und nicht nur auf die Gremien angewiesen sind. Die Gremien kontrollieren sie, sie sind einem Hochschulrat gegenüber verantwortlich und jetzt können überhaupt erst Entscheidungen getroffen werden. Das war mit dem Kollegialitätsprinzip und in der Gremienuniversität nicht möglich.
Maleike: Gab es so was wie einen harten Brocken, an dem Sie sich auch die Zähne ausgebissen haben?
Müller-Böling: Ja, wenn Sie so wollen, ist das das Kapazitätsrecht, die Kapazitätsverordnung, die noch nicht verändert worden ist, obwohl das immer wieder gefordert wird, zuletzt auch von Frau Schavan. Und was mit weiterhin sehr viel Sorge macht, ist die Finanzierungsfrage, die zwar in Teilen und an bestimmten Ecken, etwa bei der Exzellenzinitiative, verbessert ist, die aber noch lange nicht einem internationalen Standard entspricht, obwohl das in den Sonntagsreden immer wieder gefordert wird, auch von den Politikern. Hier muss auf jeden Fall noch nachgelegt werden, und hier müssen auch andere Strukturen der Finanzierung, also länderübergreifende Finanzierungsformen, gefunden werden, mit einem Lehrpool beispielsweise.
Maleike: Und dem Hochschulpakt II?
Müller-Böling: Ja natürlich, das ist die ganz große, nationale Herausforderung. Wir haben ja sehr intensiv schon früh darauf hingewiesen, wie viele neue Studierende auf uns zukommen, dass das eine große Chance ist für diese Republik, noch einmal so viele Akademiker zu bekommen. Dies muss aber auch entsprechend ausfinanziert werden und das muss im Hochschulpakt II jetzt passieren. Ich sehe da sehr große Bereitschaft auf der Seite von Bund und Ländern, aber da wird man sie dann an den Entscheidungen messen müssen.
Maleike: Was werden denn die wichtigsten Aufgaben für die Hochschulen in Zukunft sein?
Müller-Böling: Ich glaube, dass eine der ganz wesentlichen Aufgaben außer denen, die schon gut in Angriff genommen worden sind wie beispielsweise die Qualitätsfrage, die ist noch nicht zu Ende, aber die ist in Angriff genommen worden, aber eine der ganz wesentlichen Aufgaben wird sein, die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf neu in den Hochschulen zu gestalten. Das halte ich für eine gesellschaftliche Aufgabe insgesamt. Wir brauchen dies in allen Organisationsformen und hier müssten die Hochschulen Vorreiter sein, wie man die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser gestalten kann. Und die Finanzierungsfrage, die muss meines Erachtens auch gelöst werden im Hochschulpakt II. Für die nächsten 10, 15 Jahre müsste hier auch nicht nur mehr Geld ins System hinein, sondern darüber hinaus auch Strukturen gefunden werden, die das Geld richtig verteilen und das muss länderübergreifend erfolgen aus meiner Sicht, sonst kommen wir mit den Herausforderungen des demographischen Wandels nicht zurecht.
Maleike: Und Sie? Segeln und sich Frau und Familie widmen sagen Sie immer, dass das jetzt Ihre vornehmlichste Aufgabe werden wird. Daran können die meisten aber gar nicht glauben. Wann werden Sie die nächsten Vortragskoffer packen?
Müller-Böling: Anfang September werde ich keinen Vortragskoffer packen, sondern den Gutachterkoffer und in der Gutachterkommission der Bundesregierung von Bund und Ländern sein, die die Anträge für die Gleichstellungskonzepte der Hochschulen bewertet. In dieser Gutachterkommission bin ich drin.
Maleike: Es geht also weiter, nicht nur Privatier?
Müller-Böling: Ja, natürlich wird es weitergehen, ich werde nun nicht völlig aufhören, mich um eins der liebsten Kinder, die ich in den letzten Jahren hatte, zu kümmern, das deutsche Hochschulsystem oder das europäische dann, nein, aber nicht mehr in der Form, wie das bisher der Fall gewesen ist, das wird nicht mehr der Fall sein.
Maleike: Vielleicht hören wir uns dann doch mal wieder. Professor Müller-Böling war das, der jetzt scheidende Leiter des CHE in Gütersloh. Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Müller-Böling: Ich danke Ihnen, Frau Maleike!