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Das katholische Münster
Ein Heimspiel für den Katholikentag?

Fahrräder, Studenten und ein abgedrehtes Tatort-Team: Das steht gemeinhin für Münster. Die Stadt gilt zudem als besonders schwarz und katholisch. Doch gegen den dort stattfindenden Katholikentag regt sich durchaus auch Protest - vor allem gegen die öffentliche Finanzierung durch Stadt, Land und Bund.

Von Burkhard Schäfers |
    Die Eröffnung des Katholikentags in Münster am 09.05.2018 vor dem St. Paulus Dom
    Der Katholikentag 2018 in Münster steht unter dem Motto "Suche Frieden" (imago stock&people / Rüdiger Wölk)
    "Suche Frieden" heißt das Leitwort des Katholikentags. Daniela Wakonigg aber sucht Streit. Die Regionalbeauftragte des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten organisiert parallel zum Katholikentreffen einen sogenannten Ketzertag - mit Debatten über das Kriegspotenzial der Religionen oder religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz.
    "Ich muss mich streiten, wenn der Katholikentag herkommt und öffentliche Gelder absahnt für ein christliches Glaubensfest. Und ich muss mich streiten über viele Inhalte, die vom Katholikentag verkündet werden. Ich denke an Einflussnahme auf Gesetzgebungsverfahren wie die Sterbehilfe. Also in ganz viele Dinge mischt sich die Kirche ein, und zwar gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung."
    "Dem Rest der Gesellschaft bringt das überhaupt nichts"
    Aus Sicht der Konfessionslosen betreiben die Katholiken mit ihrem Treffen eine Agendapolitik, finanziert durch Steuermittel. Wakonigg will mit ihrem Ketzertag zeigen, dass es viele gebe, die den Katholikentag in dieser Form ablehnen. Selbst wenn der Anteil der Katholiken in Münster noch bei knapp 50 Prozent liegt.
    "Das ist größenwahnsinnig, was hier gerade passiert in Münster. Mit einer Sperrung der Innenstadt, mit der Lahmlegung des Fahrradverkehrs in der Fahrradhochburg Münster. Und ich weiß auch nicht, was das bringen soll. Es ist eine Diskussion der Christen unter sich über Fragen, die sie für interessant finden, mit Antworten, die sie für die richtigen halten. Aber dem Rest der Gesellschaft bringt das überhaupt nichts."
    Das sieht Thomas Sternberg naturgemäß anders. Als Präsident steht er an der Spitze des Zentralkomitees der Katholiken, dem Katholikentags-Veranstalter. Sternberg sagt:
    "Das sind eben nicht nur die Katholiken, die sich hier treffen. Und ich habe den Eindruck, in dem Maße, in dem sich unsere Debatte immer stärker auf die sogenannten Sozialen Medien beschränkt, und da zu Echoräumen und Filterblasen führen, bei denen nur noch das wahrgenommen wird, was man ohnehin schon weiß und meint. Da sind solche offenen Foren absolut wichtig. Dass hier so viele Menschen kommen, zeigt vielleicht auch den Wunsch danach, aus solchen rein digital wahrgenommenen Informationen auch mal wieder leibhaftig Leute zu sehen und zu sprechen."
    "Für die Städte rechnet sich das sehr gut"
    9,3 Millionen Euro kostet der Katholikentag in Münster. Knapp ein Drittel davon sind Zuschüsse vom Bund, vom Land Nordrhein-Westfalen und von der Stadt. Vor allem um das Geld der Kommune in Höhe von knapp einer Million Euro gibt es Streit. Erst wollte der Stadtrat gar nichts geben, später einigten sich die Lokalpolitiker auf Sachzuschüsse wie die Nutzung der Messehallen, von Schulen und Theater. Aus Sicht von ZdK-Präsident Sternberg profitiert Münster von der Werbewirkung des Katholikentags.
    "Für die Städte, die das austragen, rechnet sich das sehr gut. Wenn ich denke, was in dieser Stadt los ist, und was hier allein schon an Gewerbesteuereinnahmen kommt über den Katholikentag. Aber auch an öffentlicher Wahrnehmung: Es sind über 1 000 akkreditierte Journalisten in der Stadt - von daher rechnet sich das für eine Austragungskommune in jedem Fall."
    Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg.
    Thomas Sternberg vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist überzeugt: Der Katholikentag lohnt sich auch finanziell für die Kommunen (imago / epd)
    So sieht es auch die Stadt Leipzig, vor zwei Jahren Austragungsort des Katholikentags: Sie gab eine Million Euro Zuschuss, an Netto-Einnahmen für Stadt und Unternehmen seien mehr als sieben Millionen herausgekommen, rechnete die Verwaltung im Nachhinein vor. Daniela Wakonigg vom Bund der Konfessionslosen überzeugt das nicht:
    "Wahnsinnig viele Leute flüchten während des Katholikentags aus der Stadt. Die haben einfach keine Lust auf die Sperrungen und das ganze Theater, was mit dem Katholikentag verbunden ist. Ich persönlich habe von vielen Leuten gehört, dass sie tatsächlich wegfahren werden."
    Ist die öffentliche Förderung von kirchlichen Großveranstaltungen gut investiertes Geld oder nicht? Über diese Frage wird angesichts der fortschreitenden Säkularisierung vermehrt diskutiert. Katholikentage und auch evangelische Kirchentage nehmen für sich in Anspruch, mit Ausstellungen, Lesungen und Konzerten kulturelle Ereignisse zu sein - sowie einen bedeutenden Beitrag zu zentralen politischen und gesellschaftlichen Fragen zu leisten. Etwa zum Antisemitismus. Aber Daniela Wakonigg sagt:
    "Sie werden keine Konzepte entwickeln können auf einem Katholikentag, wie man das Problem des Antisemitismus bekämpfen kann. Was sie machen auf dem Katholikentag: Sie schmücken sich mit der Feder, dass sie über das Thema Antisemitismus diskutiert haben. Aber es kommt doch nicht zu irgendwelchen Lösungen, das geschieht nicht auf dem Podium auf dem Katholikentag."
    Sind Politik und Religion zu eng verwoben?
    Auch Rüdiger Sagel, Fraktionssprecher der Linkspartei im Stadtrat von Münster, kritisiert die Förderung. Zumal die Kirchensteuereinnahmen sprudeln und das Bistum Münster über ein großes Vermögen und Haushaltsüberschüsse verfüge. Öffentliches Geld werde woanders dringender benötigt.
    "Wir haben in Münster mittlerweile auch eine sehr hohe Armut. Die Kassen sind auch in Münster ziemlich leer. Wir haben eine Armutsquote von über 16 Prozent. Jedes vierte Kind in Münster wird unter Armutsbedingungen groß. Trotzdem werden pro Jahr nur circa 250 000 Euro bereitgestellt. Wir fänden es besser, wenn vier Jahre damit mehr Armutsbekämpfung geleistet würde, das wäre wesentlich besser angelegtes Geld."
    Bundespräsident Steinmeier steht hinter einem Rednerpult. Im Hintergrund ist ein blaues Banner mit dem Motto des diesjährigen Katholikentages "Suche Frieden" in weißer Schrift zu sehen.   
    Bundespräsident Steinmeier spricht zur Eröffnung des Katholikentages in Münster (dpa /Rolf Vennenbernd)
    Zum Katholikentag in Münster kommen die Kanzlerin, der Bundespräsident und mehrere Bundesminister von CDU, CSU und SPD. Das Verhältnis von Politik und Kirche sei zu eng, kritisiert die Linke, die sich für eine strikte Trennung einsetzt. Obgleich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, auch Linkspartei, das Reformationsjubiläum mitfeierte. Rüdiger Sagel sagt:
    "Die verschiedenen Parteien sind sehr unterschiedlich mit den Kirchen verwoben. Wir wissen, dass renommierte Politiker auch in den Spitzengremien der Kirchen vertreten sind. Das ist sicherlich ein Problem, weil wenn solche Einflussnahmen stattfinden, hat das natürlich Auswirkungen."
    Ist Religion Privatsache oder gesellschaftlicher Faktor, der eine öffentliche Förderung rechtfertigt? Diese Debatte wird andauern - auch mit Blick auf künftige kirchliche Großveranstaltungen.