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Datendiebstahl im Internet
"Die deutsche Politik war zu zaghaft"

In Sachen Datensicherheit im Internet habe man in Deutschland 15 Jahre lang im Dornröschenschlaf gelegen, sagte Jens Koeppen (CDU), Vorsitzender des neuen Parlamentsausschusses Digitale Agenda, im DLF. Jetzt müsse dringend gehandelt werden.

Jens Koeppen im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Der Vorsitzende des neuen Parlamentsausschusses Digitale Agenda, Jens Koeppen (CDU)
    Der Vorsitzende des neuen Parlamentsausschusses Digitale Agenda, Jens Koeppen (CDU) ( Wolfgang Kumm/dpa)
    Die deutsche Politik sei in der IT-Sicherheit zu zaghaft gewesen, sagte Jens Koeppen, Vorsitzender des neuen Parlamentsausschusses Digitale Agenda, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Angesichts der großen Herausforderungen müsse etwa das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik besser ausgestattet werden.
    Koeppen räumte ein, Deutschland habe bei dem Thema in den vergangenen 15 Jahren geschlafen. Handlungsbedarf bestehe allerdings nicht nur seitens der Politik, sondern auch bei den Internetnutzern - etwa bei der Auswahl von Passwörtern.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Wer liest hier eigentlich mit? Diese Frage stellt sich inzwischen wohl fast jeder, der ab und zu übers Internet kommuniziert oder konsumiert. Das ist die Konsequenz aus der NSA-Affäre, aber inzwischen häufen sich auch die Fälle, in denen echte Kriminelle massenhaft sensible Daten ausspähen, Zugangskennungen und dazugehörige Passwörter. Der Fall, der jetzt bekannt wurde, der könnte alle Dimensionen sprengen, jedenfalls wäre es ein Rekord-Hack. Jens Koeppen von der CDU. Er ist der Vorsitzender des Bundestagsausschusses Digitale Agenda. Guten Morgen!
    Jens Koeppen: Guten Morgen, Frau Schulz!
    "Hier ist dringender Handlungsbedarf"
    Schulz: Warum deckt eine US-Firma auf, dass wohl auch massenhaft Daten deutscher Nutzer ausgespäht wurden?
    Koeppen: Das ist natürlich eine Frage, die gestellt werden muss. Letztendlich hat das ja auch mehrere Monate gedauert, dass man überhaupt den Hackern auf die Spur gekommen ist. Das ganze Ausmaß, das ist leider ein neuer trauriger Rekord. Unglaubliche Dimensionen, aber wovor auch Michael Hange, der Präsident vom BSI, schon lange gewarnt hat. Er hat bei uns in der ersten Anhörung, die wir im Ausschuss hatten über die IT-Sicherheit – uns ist das Thema natürlich sehr wichtig, hat dort gesagt: "Wir fahren in einer Kutsche ohne Dach und hoffen, dass es nicht regnet." Und das ist jetzt natürlich eingetreten und eingetroffen, und das heißt, hier ist dringender Handlungsbedarf, und alle Fachleute in der öffentlichen Anhörung haben uns ja gesagt, was auf der Agenda zu stehen hat. Und das muss jetzt schnellstens auch umgesetzt werden.
    Schulz: Wenn dieser Handlungsbedarf so dringend ist, warum haben Sie dann nicht schon längst gehandelt?
    Koeppen: Ja, sehen Sie, das ist ja so, dass wir als Ausschuss natürlich erst seit Kurzem in Betrieb sind sozusagen, und unsere Aufgabe ist es ja vornehmlich und das haben wir uns auch als Ziel gesetzt, die Chancen des Internets darzustellen – Wirtschaftswachstum, bessere medizinische Versorgung, bessere öffentliche Angebote, neue Verkehrslösungen und alles, was dazu gehört, mit neuen Arbeitsplätzen, also die Chancen des Internets – und dazu, natürlich gehört das sichere Internet. Das heißt, ein sicheres Internet ist die Grundvoraussetzung für dieses Vertrauen, dass die Menschen das lösen können.
    Koeppen: BSI braucht mehr Manpower
    Schulz: Ja, da haben wir sicherlich gar keinen Dissens. Ich möchte das gern ein bisschen konkreter machen. Sie sind ja der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda. Schätzen Sie uns doch mal ein, vielleicht auf einer Schulnotenskala, wie gut sind die Daten deutscher Internetnutzer geschützt. Mangelhaft noch oder schon ungenügend?
    Koeppen: Wie gesagt, wenn Sie das Beispiel von der fahrenden Kutsche, die kein Dach hat, und wir hoffen, dass es nicht regnet, nehmen, ist der Handlungsbedarf und sind die Herausforderungen sehr, sehr groß. Allerdings ist das nicht eine Sache nur der Politik, sondern auch insbesondere von uns selber. Denn keiner legt ja seinen Schlüssel unter die Fußmatte und fährt in den Urlaub und sagt noch, wo dann letztendlich der Tresor liegt, sondern wir schützen uns ja in der analogen Welt auch viel besser als wir das jetzt tun. Und der Kollege hat ja schon gesagt, Passwörter und alles das, was wir preisgeben, ist natürlich die Grundvoraussetzung.
    Das heißt aber allerdings nicht, dass die Politik sich aus der Verantwortung stehlen darf. Wir müssen zum Ersten dafür sorgen, und das finde ich persönlich auch, dass das BSI, das hervorragende Fachleute hat, muss ich ganz deutlich sagen, besser ausgestattet wird, mit mehr Manpower, und natürlich auch materiell.
    Schulz: Wie viel Geld fordern Sie, und wo kommt das her?
    Koeppen: Also das ist natürlich eine Sache auch, das ist ja eine Unterbehörde im Prinzip des Innenministeriums, das muss mit den Fachleuten im Innenministerium gemeinsam besprochen werden. Wir wollen, dass die Fachleute, die dort da sind und die auch davor warnen und die sagen, welche Lücken es gibt, dass die natürlich besser ausgestattet werden. Es ist jetzt so nicht mit Zahlen zu benennen, jedenfalls jetzt noch nicht, aber wir müssen schnell handeln.
    Schulz: Aber wenn Sie die Zahlen nicht benennen können, wie ist es dann eine realistische Perspektive, dass das schnell passieren soll?
    Koeppen: Sehen Sie, wir sind ja der Ausschuss für die digitale Agenda, mit unserem Auftrag, die Chancen darzulegen und so weiter, und natürlich flankierend, die anderen federführenden Arbeitsgruppen und Ministerien zu unterstützen. Und unsere Aufgabe ist es, und das haben wir ja gemacht als Erstes in der Anhörung IT-Sicherheit, das war ja die erste Anhörung, die wir gemacht haben, die öffentliche Anhörung, haben wir gesagt, okay, hier gibt es Handlungsbedarf, und das wissen die Leute natürlich auch, im Innenausschuss, meine Kollegen in den Arbeitsgruppen, und da wird jetzt gemeinsam dran gehandelt. Die Bundesregierung gibt ja die Digitale Agenda im August noch frei, und da wird das auch natürlich mit Zahlen unterlegt werden.
    Schulz: Ja, aber wenn Sie das jetzt immer wieder betonen, dass Sie ja jetzt gerade erst anfangen zu arbeiten und sich auf das Thema zu konzentrieren, dann lese ich daraus zwischen den Zeilen zu Recht, dass das Thema bisher vom Gesetzgeber und auch von der Bundesregierung komplett verschlafen wurde?
    Koeppen: Sagen wir mal so: Wir haben ja generell in Deutschland 15 Jahre lang einen Dornröschenschlaf geschlafen, gerade bei der IT, bei dem Internet, bei der Digitalisierung. Das muss man ganz deutlich sagen.
    "Wir haben zu sehr abgewartet"
    Schulz: Wer hat das zu verantworten?
    Koeppen: Das ist unsere Gesellschaft, sage ich mal, weil wir gesagt haben, das Thema ist – wir haben zu sehr abgewartet, was vom Großen Teich hier zu uns herüberkommt und waren reaktiv unterwegs und nicht aktiv unterwegs. Und das muss sich ändern, und das wird sich auch ändern, und da sind wir eigentlich, ich sage mal, jetzt, glaube ich, so gut aufgestellt, das Thema ist im Deutschen Bundestag angekommen. Und da muss natürlich jetzt was passieren. Dass das natürlich jetzt hineinspült, auch gerade dieses Ausmaß, dieser neue, traurige Rekord, zeigt uns, dass der Handlungsbedarf besonders groß ist.
    Schulz: Ja, aber sagen Sie uns noch mal: Ihre Partei, die CDU, die ist ja nun schon seit langer Zeit an der Regierung – das hat Ihre Partei dann verschlafen?
    Koeppen: Wenn Sie das so interpretieren – ich sehe das nicht so.
    Schulz: Mit der Verantwortung der Vorsitzenden auch.
    Koeppen: Nein, schauen Sie, das ist – das wäre zu kurz gesprungen, wenn man das so machen möchte.
    "Wir brauchen multinationale Antworten"
    Schulz: Warum?
    Koeppen: Weil, wen wollen Sie jetzt in den 15 Jahren dafür zuständig machen, dass jetzt hier die IT-Sicherheit, dass zwölf, ich sage mal russische Hacker dort sitzen und dann diese Sachen ausspionieren. Das wäre aus meiner Sicht zu kurz gesprungen.
    Ich denke, mit der Aufstellung, wie wir es jetzt haben, mit dem Ausschuss, mit den Arbeitsgruppen, mit der Zusammenarbeit, ist, glaube ich, der Grundstein gelegt, um da auch wirklich jetzt ranzugehen. Ich würde auch gar nicht danach immer zurückschauen. Wir müssen schauen, was werden wir jetzt tun. Wir brauchen, und das ist ganz wichtig, eine schnelle, zügige, europäische Grundversorgung. Und Deutschland kann das Sicherheitsproblem auch nicht alleine lösen. Wir brauchen europäische Antworten, multinationale Antworten, und da müssen wir mit allen zusammenarbeiten. Und vor allen Dingen, was ganz wichtig ist, auch die Sorgfaltspflicht eines jeden Einzelnen. Wir sind zu zaghaft jeder selbst, er muss sich auch mal selbst an die Nase packen. Sind zu zaghaft damit umgegangen.
    Schulz: Jens Koeppen von der CDU, der Vorsitzende des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, hier heute in den Informationen am Morgen. Haben Sie herzlichen Dank!
    Koeppen: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.