Diese Sendung finden Sie nach Ausstrahlung sieben Tage in unserer Mediathek.
Musik: "This Is A Call"
Northridge, 45 Autominuten nördlich von Hollywood. Lagerhallen, riesige Malls - dazwischen Einfamilienhäuser mit gepflegtem Vorgarten und Pool, Kindergärten und Schulen. Ein gutbürgerlicher Randbezirk von Los Angeles. Nicht der Ort, an dem man einen Rockstar vermuten würde. Doch genau hier lebt Dave Grohl.
Dave Grohl: "Es ist fast, als ob man gar nicht in Los Angeles wäre. Einfach, weil es hier wirklich nett ist. Und ruhig."
Sein Studio 606 liegt gleich um die Ecke. Ein unauffälliges, zweistöckiges Gebäude, das als Lager, Proberaum, Hauptquartier und Spielwiese dient. Im Aufenthaltsraum, Billardtisch, Tischtennisplatte, diverse Flipper und Spielautomaten. Der Toilettensitz weist die Form eines Gitarrenkorpus auf. Die weitläufigen Gänge haben etwas von einem Museum. Gold- und Platin-Alben. Gerahmte Konzertposter. Fotos von Treffen mit befreundeten Künstlern und Tour-Souvenirs. Im Gegensatz zu vergleichbaren Einrichtungen im Großraum Los Angeles ist das Studio 606 immer gut gebucht - von Bands, die gerne in dieser Rock'n'Roll-Atmosphäre arbeiten. Und die wissen, ist Grohl nicht gerade auf Tournee, schaut er bei Gelegenheit vorbei und ist einer gemeinsamen Session nicht abgeneigt.
Musik: Scream "Gods Look Down"
Autodidakt mit Gespür für gute Melodien
David Eric Grohl aus Springfiel, Virginia, ist ein Punk-Rock-Kid. Aus Rebellion gegen den Kleinstadt-Mief. Angestiftet von seiner älteren Schwester, rebelliert er gegen den Kleinstadtmief. Er liebt die Musik von Fugazi, Hüsker Dü, Circle Jerks und Black Flag. Sein erstes Konzert besucht er mit 13, wird Stammgast im 9:30 Club im nahegelegenen Washington, und startet High School-Bands wie Freak Baby oder Mission Impossible. Zuerst als Gitarrist, dann als Schlagzeuger. Natürlich ohne Unterricht zu nehmen. Grohl ist ein Autodidakt, der dieses Manko mit Leidenschaft und einem Gespür für gute Melodien ausgleicht.
"Als Kind habe ich Schlagzeug gelernt, indem ich zu den Platten meiner Lieblingsbands gespielt habe. Weil ich kein Drumkit hatte, habe ich Kissen aufeinander gestapelt, die Musik aufgedreht und losgelegt. Außerdem habe ich mir Bands in kleinen Clubs angeschaut. Im Hinterkopf hatte ich immer diese Fantasie: "Was, wenn der Sänger auf die Bühne kommt und sagt: 'Sorry, wir können heute nicht auftreten, weil unser Drummer krank ist. Es sei denn, jemand im Publikum kennt die Songs.'" Dann wäre ich am Start gewesen."
Mit 17 bewirbt er sich bei der Band Scream, gibt sich als 20 und somit fast volljährig aus - und wird genommen. Der Beginn seiner Karriere als Profi-Musiker. Er bricht die Schule ab, geht vier Jahre auf Tournee, nimmt zwei Alben auf und freundet sich mit den Kollegen der Melvins an. Die vermitteln ihn Anfang 1991 an eine Band aus Seattle, mit der Grohl Rockgeschichte schreiben wird. Als Mitglied von Nirvana nimmt er das Album "Nevermind" auf und wird zur Gallionsfigur des Grunge. Richtig glücklich ist er aber nicht. Der Gesundheitszustand von Sänger und Gitarrist Kurt Cobain, der unter Depressionen leidet und harte Drogen nimmt, belastet ihn. Der Erfolg der Band wächst ihm über den Kopf. Und er fühlt sich auf die Position des Trommlers reduziert. Dabei schreibt er auch eigene Songs, von denen aber nur zwei Verwendung finden. "Scentless Apprentice" und "Marigold".
Musik: Nirvana – "Marigold"
Entscheidung für eigene Band
Anfang April 1994 begeht Kurt Cobain Selbstmord. Grohl ist 25 und verzweifelt.
"Nevermind" hat unser aller Leben komplett verändert. Es war nichts, mit dem irgendjemand gerechnet hätte - sondern einfach verrückt. Und als Kurt starb, hat das unser Leben regelrecht zerstört."
Tom Petty und Pearl Jam bieten ihm Jobs als Drummer an. Doch Grohl entscheidet sich für seine eigene Band. Die tauft er auf den Namen Foo Fighters - nach den Ufos, die im Zweiten Weltkrieg angeblich von alliierten Kampfpiloten gesichtet wurden. Zur Erstbesetzung der Foo Fighters zählen Pat Smear von den Germs und William Goldsmith und Nate Mendel von Sunny Day Estate. Ein Line-up, das sich im Laufe der Jahre mehrfach ändert und am 95er Debüt gar nicht beteiligt ist. Grohl nimmt es komplett alleine auf.
"Das erste Foo Fighters-Album war eher ein Experiment. Natürlich wollte ich, dass es gut klingt, aber ich hatte nicht vor, "We Are The World" zu schreiben. Ich habe nur rumprobiert, und fand es cool, dass die Leute nicht wussten, worum es in den Texten ging, und dass einige keinen Sinn ergaben. Und zwar ganz bewusst, weil es das Erste war, was ich nach Nirvana gemacht habe. Dagegen sorgte das Cover für Fragen wie: "Wie kannst du es wagen, da eine Waffe abzubilden?" Es war lächerlich."
Bei den Foo Fighters ist Grohl der uneingeschränkte Boss. Er singt, spielt Gitarre und ist verantwortlich für die Musik und Texte. Eine Rolle, die ihm seine Mitstreiter widerstandslos zugestehen. Sie beschränken sich darauf, Grohl beim Ausarbeiten der Arrangements zu helfen und setzen die fertigen Stücke live um. Wem das zu wenig ist, verlässt die Band. Oder sucht Ausgleich in Solo-Alben und Nebenprojekten - wie Bassist Nate Mendel und Gitarrist Chris Shiflett.
Chris Shiflett: "Und Dave schreibt immer mehr, als letztlich auf den Alben landet. Es gab nie einen Moment, in dem er meinte: "Ich habe nur fünf Stücke, habt ihr Jungs noch welche auf Halde?" Das ist nie passiert."
Gesicht, Kopf, Macher
Dave Grohl ist das Gesicht, der Kopf, der Macher. Eine Rolle, die er seit 22 Jahren mit Erfolg ausfüllt. Die bisherige Bilanz der Foo Fighters: Neun Studio-Alben, eine Greatest Hits und ein Live-Album. Über zwölf Millionen verkaufte Tonträger allein in den USA, dazu elf Grammys und vier Brit-Awards.
Musik: Foo Fighters – "Best Of You"
Seit Mitte der 90er loten die Foo Fighters die Schnittmenge zwischen Punk, Rock der 70er und Pop aus. Dabei sind sie eher bodenständig als innovativ. Doch ihre starken Melodien machen die Songs zu echten Ohrwürmern - und bescheren der Band ein ständig wachsendes Publikum. Dave Grohl kennt das Erfolgsrezept.
"Es ist die Liebe zur Musik. Der Spaß, sie gemeinsam mit Freunden zu kreieren – und dann auf die Bühne zu gehen, den Enthusiasmus zu spüren und eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen. Wenn ich von einer Tour nach Hause komme, auf der ich das jeden Abend erlebt habe, fühlt es sich auch OK an, meine Kinder im Mini-Van zur Bushaltestelle zu fahren, Mittagessen zu kochen, Lebensmittel einzukaufen und den Hundekot im Garten aufzusammeln. Das ist eine nette Balance." (lacht)
Grohl gelingt es, seinen musikalischen Output spannend zu halten. Etwa mit Gastauftritten von Led Zeppelins John Paul Jones, Josh Homme von Queens Of The Stone Age und Norah Jones auf "In Your Honor". Einer Mini-Nirvana-Reunion mit Produzent Butch Vig und Krist Novoselic auf "Wasting Light". Oder einer komplette TV-Serie, die während der Aufnahmen zu "Sonic Highways" entsteht. Auch beim neuen Album "Concrete And Gold" zaubert Grohl Gäste aus dem Hut, die man kaum auf einem Album der Foo Fighters vermuten würde. Darunter Justin Timberlake, Shawn Stockman von Boys II Men, Paul McCartney als Schlagzeuger auf "Sunday Rain" und Greg Kurstin als Produzent. Ein Mann, der sonst Pink, Adele oder Sia betreut. Von dem erhofft sich Grohl den perfekten Mix aus Harmonie und Härte. Oder wie er es formuliert. Motörhead trifft die Beatles.
"Ich will etwas Brachiales und Lautes"
"Ich wollte schon immer ein Album machen, das möglichst dynamisch und vielseitig ist. Und als ich Greg Kurstin traf, wurde mir klar. Er kriegt das viel besser hin als ich. Sagst du ihm: 'Ich will etwas Brachiales und Lautes', sorgt er für einen Song wie 'La Dee Da', der knallhart ist. Willst du etwas Bombastisches, verhilft er dir zu einem Stück wie "Concrete And Gold", das von einem düsteren Black Sabbath-Riff zu einer explodierenden Pilzwolke voller Chöre führt."
Im Klartext: Die Melodien sind noch einprägsamer. Die harten Passagen noch frontaler. Der Effekt: Ein spannender Kontrast. In den Texten verarbeitet Grohl seine Unzufriedenheit mit der sozio-politische Situation in den USA. Wobei er nicht zur Rebellion aufruft, sondern zu grundlegendem Umdenken. Dann erübrige sich Trump von selbst.
"Wenn ich Texte schreibe, bin ich nicht so direkt politisch wie Rage Against The Machine. Aber ich versuche sehr wohl, meinen Frust zu formulieren. Und ich will Menschen zusammenbringen und Hoffnung vermitteln. Bei einer Foo Fighters-Show ist es egal, welcher Rasse, Religion, Nationalität oder sozialem Background du angehörst – es geht um eine friedliche Co-Existenz. Gerade weil da Institutionen sind, die nur darauf abzielen, uns in so viele unterschiedliche Fraktionen zu teilen, dass wir vergessen, was menschliches Verhalten und Mitgefühl sind. Trotz gegensätzlicher Ansichten müssen wir einen Weg finden, miteinander klarzukommen. Das ermöglicht die Musik."
Musik: Foo Fighters– "La Dee Da"
Der Drang mit Jedem zu spielen
Neben den Foo Fighters nutzt Dave Grohl jede Gelegenheit, um mit anderen Musikern zu arbeiten. Als Produzent oder Drummer - auf einzelnen Stücken, kompletten Alben und Tourneen. Erlaubt ist, was er spannend findet.
"Würde ich mir AC/DC anschauen, und sie bräuchten an dem Abend zufällig einen Drummer, würde ich sofort einspringen. Genau wie bei Killing Joke und all meinen Lieblingsbands. Ich habe einfach diesen Drang, mit jedem zu spielen. Und manchmal bin ich enttäuscht, dass sie mich nicht anrufen. "Warum haben sie nicht angerufen? Verdammt, ich dachte, sie würden sich melden."
Gemeldet haben sich: Garbage, The Prodigy, Tenacious D., Tony Iommi von Black Sabbath, Ghost, Queen, David Bowie oder Paul McCartney. Bei Queens Of The Stone Age ist er zwischenzeitlich sogar festes Mitglied. Und als wäre das nicht genug, nimmt er mit Probot ein lupenreines Metal-Album auf – mit Mitgliedern von Motörhead, Venom und Sepultura.
Musik: Probot (Grohl & Lemmy) – "Shake Yor Blood"
2009 gründet er mit Josh Homme und John Paul Jones das Trio Them Crooked Vultures, wagt sich an herrlich verqueren Prog-Rock. Diese musikalische Freiheit wird er sich auch in Zukunft nehmen. Denn obwohl er die Foo Fighters nie aufgeben würde. Der Spaß, so Grohl, dürfe nie zu kurz kommen. Das habe er von Nirvana gelernt, die mit ihrem Erfolg nicht umzugehen wussten. Grohl gelingt das ohne Probleme.
Musik: McCartney & Grohl/Novoselic/Smear – "Cut Me Some Slack"
Tonstudios sind wie Museen
Vielseitigkeit beweist Grohl auch mit seinen Filmprojekten. Dazu zählen Auftritte bei den Muppets und Tenacious D. Aber auch ambitionierte Projekte wie die Dokumentation "Sound City" - über ein Tonstudio, in dem seitenweise Musikgeschichte geschrieben wurde, aber trotzdem schließen musste. Ein Sinnbild für den Wandel der Musikindustrie, die immer weniger Geld generiert und deshalb mehr auf Home-Recording und Low Budget-Produktionen setzt.
"Einer der Gründe, warum ich den Film gedreht habe, ist, weil Studios wie Sound City für mich wie Museen, Kirchen oder Kathedralen sind. Sie einfach verschwinden zu sehen, ist traurig. Ich meine, ginge es darum, das Haus von George Washington in Mount Vernon abzureißen - oh mein Gott, dann gäbe es Proteststürme. Warum ist das bei Sound City nicht genauso? Schließlich wurde die Welt durch diesen Raum verändert. Und ohne ihn wäre ich wahrscheinlich gar nicht hier. Von daher war es meine persönliche Mission, diesen Film zu drehen."
Einen ähnlichen Anspruch verfolgt Grohl mit "Sonic Highways". Einer Reportage über die Aufnahmen zum achten Foo Fighters-Album.
Musik: Foo Fighters – "Outside"
Musik: Foo Fighters – "All My Life"
Gitarrist mit geballtem Charisma
Wenn er nicht im Studio ist, dann steht Dave Grohl auf der Bühne. Als Sänger und Gitarrist mit geballtem Charisma und echten Entertainer-Qualitäten. Er spielt gekonnt auf der Gefühlspartitur seines Publikums und findet den goldenen Mittelweg zwischen Rockspektakel und erdiger Performance. Zudem weist Grohl das richtige Maß an Verrücktheit auf. Als er sich 2015 bei einem Auftritt in Stockholm das Bein bricht, setzt er das Konzert im Rollstuhl fort. Den Rest der Tour bestreitet er mit einer Art Thron, auf dem er im Sitzen Gitarre spielt und singt. Den Thron verleiht er später an Axl Rose, den dasselbe Schicksal ereilt.
"Ich habe Guns'n'Roses gesehen - und sie klangen wirklich gut. Eine fantastische Show. Der Thron ist die perfekte Lösung, um mit gebrochenem Bein zu touren. Die eingebauten Lichter, die Laser und die Nebelmaschine sind großartig. Aber gleichzeitig hat das Ganze auch etwas schreiend Komisches. Man wirkt wie ein König, der seine Untertanen dirigiert. Also ziemlich lustig."
Wie verbunden sich Grohl seinem Publikum fühlt, zeigt seine Reaktion auf eine Aktion im italienischen Cesena. Hier versammeln sich 1000 Gitarristen und Schlagzeuger, um gemeinsam das Stück "Learn To Fly" zu spielen und per YouTube-Video um eine Visite der Band zu bitten. Grohl sagt spontan zu. Was seine Ausnahmestellung im modernen Rockzirkus unterstreicht. Der 48jährige verfügt über ein Privat-Vermögen von 260 Millionen Dollar. Aber: Er gilt auch als "Mr. Nice Guy" - als charmanter, witziger, ehrlicher Kumpeltyp, von dem sich viele Kollegen etwas abschauen könnten. Selbst, wenn er das gerne relativiert.
"Ich bin kein Engel. Und kein Heiliger. Manchmal bin ich sogar ein ziemliches Arschloch. Aber meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich Leuten mit Anstand und Respekt begegne. Meistens tue ich das auch. Ich höre zwar Punk-Rock, aber ich bin nett zu dir." (kichert)
Musik: Foo Fighters- The Pretender