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Debatte um Crispr-Cas
"Schwarz-Weiß kann es in einer solchen komplizierten Frage nicht geben"

Der Deutsche Ethikrat hat über den Einsatz der genetischen Hochpräzisions-Schere Crispr-Cas9 debattiert. Der Rat könne noch keine abschließende Empfehlung zum Umgang mit dieser Technologie geben, sagte Ethikrat-Mitglied Alena Buyx im DLF. Man stehe erst am Beginn einer Debatte. Zudem könne es kein Schwarz-Weiß in einer solchen komplizierten Frage geben.

Alena M. Buyx im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
    Ein Mikroskop
    Neue Verfahren wie die Crispr-Cas9-Methode haben die biomedizinische Forschung in das öffentliche Interesse gerückt. (picture alliance / dpa - Martin Schutt)
    Maja Ellmenreich: Einfach und kostengünstig soll die sogenannte Chrispr-Cas9-Technik sein. Mit der kann man Veränderungen am Genom vornehmen und auf diesem Wege schweren Krankheiten den Kampf ansagen. Die Adjektive "einfach" und "kostengünstig" lassen verständlicherweise Forscherherzen höherschlagen. Doch nicht nur die, denn die Chrispr-Cas9-Methode, auch Genschere genannt, mit der man DNA-Stränge zerschneiden und verändern kann, sie ist höchst umstritten. Deshalb beschäftigt sich zur Stunde der Deutsche Ethikrat mit ihr auf seiner Jahrestagung in Berlin unter der Überschrift: "Zugriff auf das menschliche Erbgut - neue Möglichkeiten und ihre ethische Beurteilung." Mitglied im neuberufenen Ethikrat ist die Medizinethikerin Alena Buyx. Sie ist Professorin an der Universität Kiel und wir hatten heute nachmittag in einer Tagungspause Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Zunächst habe ich sie gefragt, warum genau diese neue Technik für den Ethikrat von Interesse ist.
    !!Alena M. Buyx: Na gut, das eine ist, dass es sich einfach um potenzielle Eingriffe in das menschliche Genom handelt, die dann auch weitergegeben werden können, die sogenannten Keimbahn-Eingriffe, und das ist natürlich schon etwas, das bei vielen zu Sorgen führt und Ängste hervorruft. Das andere ist aber auch, dass das eine neue Methode ist, die von den Forschern für sehr aussichtsreich gehalten wird, also einen echten Forschungsfortschritt darstellt. Das heißt, wir haben es mit etwas zu tun, das großes Potenzial hat, aber eventuell auch durchaus große Risiken für uns alle haben kann, und das ist natürlich immer etwas, was viele potenzielle ethische Implikationen hat.
    "Grundlegende Fragen, zu denen jeder sich eine Meinung bilden kann"
    Ellmenreich: Also ein Wettrennen von Ethik und Forschung?
    Buyx: So eng würde ich das nicht führen, denn das ist vielleicht die zweite Sache, die interessant ist an dieser Technologie und auch ein Grund dafür, dass der Ethikrat sich damit beschäftigt. In diesem Fall haben die Forscher selbst, die das entwickelt haben, die beiden Entwicklerinnen dieser Technologie und die ganzen anderen Pioniere, die das jetzt vorantreiben, selbst gesagt, sie würden gerne frühzeitig die ethischen Implikationen ihrer neu entwickelten Technologie diskutieren, sind selbst an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist etwas, was man sehr begrüßen muss, dass da nicht so ein Wettlauf zwischen Ethik und Forschung stattfindet, sondern dass tatsächlich die Forscher selbst sich ihrer, wenn Sie so wollen, auch gesellschaftlichen Verantwortung durchaus bewusst sind, dass diese Themen frühzeitig überlegt werden sollten. Und wenn ich das so sagen darf: Das ist sicherlich auch eine Folge davon, dass wir als Gesellschaften etwas besser darin geworden sind, frühzeitig potenzielle ethische Konflikte zu besprechen bei solchen neuen Technologien.
    Ellmenreich: Sie beim Deutschen Ethikrat sprechen darüber, aber der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, der hat zu einer gesellschaftlichen Debatte über die Möglichkeit zur Erbgutveränderung erst einmal aufgerufen. Beobachten Sie auch - ich nenne ihn jetzt mal den Normalbürger -, dass der Normalbürger zu wenig sich damit beschäftigt?
    Buyx: Ich bin keine Sozialwissenschaftlerin, deswegen kann ich das jetzt nur aus meiner alltäglichen Wahrnehmung beantworten. Und ich habe eigentlich den Eindruck, dass das zu diesen Themen gehört, die wirklich in der Öffentlichkeit relativ viel wahrgenommen werden. Aber - und das hat Herr Dabrock damit sicherlich auch gemeint - was vermieden werden muss, ist, dass diese Diskussion über diese Technologie jetzt vereinnahmt wird - Bischof Huber hat das gerade auf der Tagung ganz wunderbar formuliert - entweder von den Apokalyptikern, oder von den Enthusiasten, dass man eine vielfältige Diskussion führt, und dafür braucht man einfach eine ganz breite gesellschaftliche Teilnahme. Natürlich ist das so, diese Technologien sind zum Teil auch wirklich schwer zu verstehen. Aber es geht letztlich um ganz grundlegende Fragen, zu denen jeder sich eine Meinung bilden kann. Wie viele Risiken wollen wir auf uns nehmen, um bestimmte Krankheiten zu vermeiden, zu heilen? Dürfen wir Dinge tun, die für zukünftige Generationen bisher noch unabsehbare Risiken haben? Oder dürfen wir zukünftigen Generationen auch Therapien vorenthalten, die vielleicht für diese zukünftigen Generationen sehr hilfreich und gewinnbringend sein könnten? Das sind Fragen, ich denke, dazu können auch Nichtexperten eine Meinung entwickeln, und deswegen ist es wichtig, dass man das gesamte Spektrum abbildet. In vielen Fällen wird es in Deutschland letztlich ohnehin über den Weg der Gesetzgebung entschieden und dann ist der Gesetzgeber gefragt, und das ist ja letztlich der Stellvertreter von uns allen in unserer Gesellschaft.
    "Schwarz-Weiß kann es in einer solchen komplizierten Frage nicht geben"
    Ellmenreich: Ja oder Nein ganz deutlich auszusprechen, wird wahrscheinlich den meisten Menschen schwerfallen. Ist es immer wie vielleicht beim Ethikrat auch eine gemeinschaftliche Haltung, "ja aber" oder "wenn das, dann eher das"? Gibt es ein klares Schwarz oder Weiß?
    Buyx: Wer auf die Frage, sollten wir Crispr-Cas entwickeln zunächst einmal - wir sind ja von der Anwendung wirklich noch weit entfernt, das muss man wirklich unterstreichen - und dann irgendwann in der Zukunft, wenn wir genau wissen, wie es funktioniert und was es für Risiken hat, auch anwenden, wer darauf entweder mit Ja oder mit Nein antwortet, macht es sich viel zu leicht oder versteht die Komplexität der Materie nicht. Ich denke, es sind wirklich nur "ja aber" oder "ja aber nur wenn" Antworten möglich. Schwarz-Weiß kann es in einer solchen komplizierten Frage nicht geben.
    Ellmenreich: Nun ist der Ethikrat ja kein Gesetzgeber, ist auch kein Gericht, muss also keine Ja oder Nein, keine Schwarz oder Weiß Entscheidung fällen. Welchen Rat aber geben Sie?
    Buyx: Wir stehen - das ist vielleicht auch sehr wichtig zu betonen - am Beginn einer Debatte. Das heißt, es wäre vermessen, wenn der Ethikrat bereits abschließende Empfehlungen zum Umgang mit dieser Technologie formulieren würde, und das ist auch gar nicht heute hier bei der Tagung unsere Absicht. Zunächst ist, glaube ich, die Empfehlung, die gemacht werden kann, dass wir genau dies tun, was wir versuchen, mit dieser Tagung zu befördern: Einfach die verschiedenen Positionen zu kartieren, Stimmen zu hören von Befürwortern, von Gegnern, von denjenigen, die Sorgen haben hinsichtlich dieser Technologie, aber auch von denjenigen, die viele Hoffnungen in diese Technologie setzen und einfach die Argumente zu verstehen, die Stimmen zu hören und dann ein breiteres Bild für diese wirklich wichtige öffentliche Diskussion anzubieten, wenn Sie so wollen ein Fundament, auf dem dann rational und sachorientiert diskutiert werden kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.