"Nun kommt mal wieder runter", rief die Medienjournalistin Ulrike Simon schon vor vielen Wochen sowohl Zeitungs- als auch Rundfunkmacher auf. Doch der Ruf verhallte weitgehend ungehört – auf beiden Seiten. Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung gerne subtil gedachte Schmähungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bringt, lädt das manch öffentlich-rechtliche Redaktion zu einer Antwort ein – hier bei @mediasres als ironischer Kommentar ebenso wie bei Funk, dem sogenannten "jungen Angebot" der Öffentlich-Rechtlichen im Netz.
"Funk – dank eurer Beiträge gibt’s YouTube-Beiträge wie Game Two. Oder Inhalte wie die Safarikatze. Und das ganz ohne Scheisswerbung."
Schon bevor die Redakteursvertretungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio Anfang November ihre Zeitungskollegen dazu aufgerufen hatten, auf Diffamierungen zu verzichten, ärgerten die Kollegen von Funk die Macher der privaten Konkurrenz, denen sie ihre Werbefinanzierung vorhielten.
"Scheisswerbung? Nicht bei Funk!"
Wer Diskussionen in der Politik verfolgt, wird von der Auseinandersetzung über den Rundfunk nicht sonderlich beeindruckt sein – allerdings schreiben und senden die Akteure hier selbst. Die legitime politische Lobbyarbeit schlägt gelegentlich auf den redaktionellen Teil durch – nicht nur in Kommentaren wie dem von Handelsblatt-Korrespondent Hans-Peter Siebenhaar, der behauptete, ARD und ZDF seien "die mediale Bühne (...) für die politisch Mächtigen". Das regte den stellvertretenden ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen bei einer Veranstaltung des Deutschen Journalisten-Verbands in Duisburg ziemlich auf.
"So ein recherchefreier Blödsinn"
"Ich bin mir überhaupt nicht einig mit Ihnen, Herr Siebenhaar bei dem, was Sie behaupten. Dass wir staatsnah oder eine Art Staatsfunk wären. Sie haben das Wort vermieden, aber Sie haben diese Woche geschrieben, glaube ich, war’s, wir wären eine Plattform für das Content Marketing des Staates. So ein recherchefreier Blödsinn."
Siebenhaar blieb bei seiner These, konnte aber auch auf Nachfrage nur mehrere Jahre alte Beispiele nennen, etwa den Fall Nikolaus Brender, in dem der Einfluss der Politik allerdings skandalisiert wurde und nach einem Verfassungsgerichtsurteil Konsequenzen gezogen wurden.
"Ich glaube, die Diskussion wird ein bisschen geführt mit Schaum vor dem Mund von allen Beteiligten. Ich glaube, es ist mehr Nüchternheit und Sachlichkeit angesagt. Was aus meiner Sicht als Medienbeobachter notwendig ist, ist, ganz einfach eine Vision zu entwickeln, wohin der öffentlich-rechtliche Rundfunk denn sich hinentwickeln soll im 21. Jahrhundert. Und dazu gehört natürlich auch meines Erachtens eine größere Staatsferne."
Dass die Politik nicht nur in den Rundfunkräten Fernsehen und Radio beaufsichtigt, sondern bis in die Redaktionen hinunter Einfluss nimmt, sieht der stellvertretende WDR-Fernsehdirektor Helfried Spitra dagegen nicht.
"Ich kann nur sagen: Das Fernsehen, das öffentlich-rechtliche System, ist unpolitischer denn je. Und die Operative ist da wirklich nicht der Adressat, Adressat sind die Gesetzgeber, die müssen definieren, wie sind Gremien aufgestellt und wie sieht da die Beteiligung? Wir sind das nicht."
Kritik an Ministerpräsidenten und Landtagen
Spitra fordert, nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für seinen Auftrag anzugreifen, sondern diejenigen, die ihm diesen Auftrag erteilt haben: die Ministerpräsidenten und Landtage. Er beklagt, dass hier verschiedene Ebenen vermischt werden. Das sieht der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, ähnlich. Er plädiert für verbale Abrüstung und eine Diskussion nach journalistischen Maßstäben.
"Die gute alte Trennung von Bericht und Kommentar, die findet oft nicht mehr so wirklich statt. Es sind zum Teil bis hin zu dem Spiegel-Artikel, den es jüngst noch gegeben hat, ja, wie hat ein Kollege so schön gesagt, eher recherchebefreite Illustrationen statt wirkliche Debattenbeiträge. Also da sollte man sich auf die journalistischen Grundtugenden bisschen mehr reduzieren. Und dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisieren darf und in einem Kommentar auch in Grund und Boden schreiben darf, das ist das Schöne an der Pressefreiheit."
Ein grundsätzliches Gegeneinander von öffentlich-rechtlichen und Zeitungsjournalisten sieht Überall nicht, eher einzelne Stimmen von beiden Seiten, die die Diskussion vergiften. Bis zum Frühjahr wollen die Ministerpräsidenten noch über die Vorschläge für eine Strukturreform beraten, die ihnen ARD, ZDF und das Deutschlandradio gemacht haben. Solange geht auch die Debatte weiter.