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Debatte um Rüstungsexporte
"Die Politik muss ihre Haltung klären"

Wirtschaftsminister Gabriel will das Geschäft mit Waffen zurückfahren. In Bezug auf Russland sei das in der aktuellen Situation absolut richtig, sagte der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Georg Wilhelm Adamowitsch im DLF. Generell müsse die deutsche Politik jedoch ihre Haltung zu Rüstungsexporten neu definieren.

Georg Wilhelm Adamowitsch im Gespräch mit Bettina Klein |
    Georg Wilhelm Adamowitsch am 03.05.2013 in Hamburg auf dem Kirchentag
    Der Chef des Bundesverbands Deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Georg Wilhelm Adamowitsch (Angelika Warmuth/dpa)
    Die deutsche Rüstungs- und Verteidigungsindustrie würde mögliche Sanktionen gegen Russland im aktuellen Ukraine-Konflikt mittragen, sagte der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Georg Wilhelm Adamowitsch im Deutschlandfunk. In der gegenwärtigen Situation sei das richtig. Allerdings würden mögliche Sanktionen die Unternehmen seines Verbandes nicht groß treffen. Der Anteil der Rüstung an den deutschen Gesamtexporten nach Russland liege im Promillebereich.
    Zum sich abzeichnenden Koalitionsstreit über den Umgang mit dem Waffengeschäft bemerkte der Rüstungslobbyist, dass die Politik generell ihre Haltung zu Rüstungsexporten neu bestimmen müsse. Schon jetzt gebe es allerdings in Deutschland ein enges Regime der Genehmigungen. Dass Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt sei, liege vor allem daran, dass der Großteil der Exporte nach Europa oder in Länder der NATO gehe. Zu Rüstungsgeschäften mit sogenannten Schurkenstaaten bemerkte Adamowitsch, dass es keine Definition gebe, ab wann ein Staat als Schurke zu gelten habe.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Und über Fragen der Rüstungsexporte und Rüstungsexportverbote und auch mit Blick auf Sanktionen gegen Russland, die nun verschärft werden könnten, können wir nun sprechen mit Georg Wilhelm Adamowitsch, er ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Schönen guten Morgen!
    Georg Wilhelm Adamowitsch: Guten Morgen!
    Klein: Herr Adamowitsch, die großen Wirtschaftsverbände teilen inzwischen die Sorge der Politik und stellen sich hinter Sanktionsforderungen mit Blick auf Russland. Die könnten heute in Brüssel beschlossen werden, auch mit Blick auf Waffenexporte. Gilt das auch für die Verteidigungsindustrie und die anstehenden Sanktionen bei Rüstungsexporten?
    Adamowitsch: Selbstverständlich gilt das auch für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Wir halten Politik in Deutschland wie in Europa für wichtig, und wenn jetzt über diese Sanktionen tatsächlich so viel Druck auf Russland und Putin ausgeübt werden kann, dass tatsächlich Vernunft in der Ukraine eintreten kann, dann ist das richtig.
    Klein: Und Sie teilen da auch die Einschätzung von Sigmar Gabriel, SPD-Chef und Wirtschaftsminister, der ja klar gesagt hat: Rüstungsexporte – das ist kein Instrument der Wirtschaftspolitik, sondern ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik? Da stimmen Sie Gabriel zu?
    Adamowitsch: Das haben wir immer schon so vertreten, allerdings: Eine solche außen- und sicherheitspolitische Einbindung hat natürlich auch immer Auswirkungen auf wirtschaftliche Verhältnisse der Unternehmen. Das kann man nicht trennen. Aber die Priorität in Außen- und Sicherheitspolitik ist unstreitbar richtig.
    Klein: Und da würden Sie eben auch sagen im Augenblick, dass die Argumente derer wie zum Beispiel des Unionsfraktionsvize Michael Fuchs gestern bei uns im Deutschlandfunk, der eben darauf hinweist, es könnten 200.000 Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie verloren gehen, diese Bedenken sind Ihrer Meinung nach also nicht zutreffend?
    Adamowitsch: Nein, das müssen wir trennen. Wir diskutieren zurzeit über die geplanten Sanktionen gegenüber Russland, dazu habe ich mich klar geäußert. Etwas völlig anderes ist es im Grunde genommen, wenn wir die Frage diskutieren über die grundsätzliche Einbindung der Exporte, auch in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihre Unternehmen. Das müssen wir trennen. Wir haben in Richtung Russland zurzeit, ich sage mal, ein Exportvolumen von circa 35 Milliarden Euro für die gesamte deutsche Wirtschaft. Da ist die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie nur mit einem Promillebereich dabei, sodass wir von den geplanten Sanktionen nicht betroffen sind. Eine völlig andere Frage ist die Frage der Genehmigung von Exporten. Hier will ich deutlich machen, dass die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in einem sehr strengen Exportregime schon seit vielen Jahren steht. Es gibt keine Branche, die tatsächlich von den politischen Genehmigungen so abhängig ist wie die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Das ist immer schon so gewesen und dazu kann es keine Alternative geben. Die Frage ist jetzt, wie man mit diesem strengen Exportregime künftig umgehen wird. Hier gibt es anscheinend unterschiedliche Auffassungen in der Großen Koalition. Deswegen hat Seehofer angekündigt, im Herbst dazu eine Debatte zu führen, der wir mit großem Interesse entgegensehen.
    Klein: Ja, dann machen wir mal mit Seehofer weiter. Der CSU-Chef hat SPD-Wirtschaftsminister Gabriel ja vorgeworfen, er agiere ohne Konzeption und ohne klaren Kompass und er würde die Probleme der Rüstungsindustrie verschärfen. Das heißt, wenn eben unternehmerische Folgen dann eben doch betroffen sein werden, da sagen Sie dann auch, also dann nicht mit uns und keine restriktivere Handhabung der Rüstungspolitik?
    Adamowitsch: Nein, auch aber, damit wir uns da auch richtig verstehen: Wir haben in Deutschland das Kriegswaffenkontrollgesetz und wir haben das Außenwirtschaftsgesetz, das ist im auch europäischen und weltweiten Maßstab mit das strengste Entscheidungsregime auf gesetzlicher Ebene, was es zum Thema Rüstungsexporte gibt. Wir möchten jetzt von der Bundesregierung wissen, wie sie künftig in dem Umgang mit diesem Exportregime umgeht. Dazu gibt es anscheinend unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung. Seehofer hat das deutlich gemacht, Gabriel hat vom Grundsatz her seine Position deutlich gemacht. Wir möchten nun gerne wissen, wie dieses aussieht. Darüber sind wir auch in Gesprächen mit der Bundesregierung. Und, noch einmal, gehen wir ja gespannt auf die Debatte zu diesem Thema im Herbst zu.
    Klein: Ja, Herr Adamowitsch, seit dem Jahr 2000 gilt in der Bundesregierung die Prämisse, dass man sich restriktiv verhalte bei Rüstungsexporten. Dennoch ist Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt. Das heißt, ist da nicht vollkommen klar, dass eine restriktivere Handhabung jetzt geboten ist?
    Adamowitsch: Nein. Sie müssen natürlich sehen im Grunde genommen: Wo gehen denn diese Exporte hin, die seit vielen Jahren von allen Bundesregierungen genehmigt worden sind? Ich glaube, völlig unstrittig ist, wenn wir in europäische Länder exportieren, völlig unstrittig ist, wenn wir in NATO-Länder exportieren, völlig unstrittig ist, wenn wir in Länder exportieren, die einen NATO-ähnlichen Status haben wie Australien oder Neuseeland. Die Frage ist, ... die Sie gestellt haben, ist das Thema: Warum sollen zum Beispiel Küstenwachboote nach Angola nicht exportiert werden? Und Angola ist ein Land im Umbruch, Angola braucht Geld, Angola hat Gas und Öl und sie haben Plattformen auf dem Meer, die sie nicht schützen können.
    Klein: Es gibt andere Staaten, Herr Adamowitsch, die weit umstrittener sind, ich nenne mal Saudi-Arabien und Katar, Staaten, in denen potenziell die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und kein Mensch kontrollieren kann, wohin diese deutschen Waffen eigentlich gelangen, ob sie nicht auch dazu dienen, den Nahostkonflikt weiter anzufeuern.
    Adamowitsch: Lassen Sie uns bei dem Thema Saudi-Arabien bleiben. Es hat in der letzten Großen Koalition eine Genehmigung gegeben, dass eine Waffenfabrik auf Lizenzbasis nach Saudi-Arabien geliefert werden kann, das will ich nicht weiter kommentieren, da ist die SPD auch mit dabei gewesen. Ansonsten gibt es bis heute keine genehmigten Panzerlieferungen, wie auch immer. Was es allerdings gegeben hat: ein Grenzsicherungssystem nach Saudi-Arabien zu liefern. Da stelle ich mir die Frage, ob vor dem Hintergrund der regionalpolitischen Diskussionen ... was gegen diese Lieferung eines Grenzsystems spricht.
    Klein: Weshalb orientiert sich die Rüstungs- oder Verteidigungsindustrie in Deutschland nicht viel stärker bisher schon auf zivile Güter, wenn sich mehr und mehr in Deutschland ein Konsens herausbildet, man sollte eben an Schurkenstaaten oder Diktatoren der Welt keine Waffen liefern?
    Adamowitsch: Also damit das noch einmal klar ist: Das Thema Schurkenstaaten ist ja weder gesetzlich definiert, wie auch immer, das ist ein Begriff, mit dem man natürlich politisch Emotionen wecken kann. Die allermeisten Unternehmen, die unserem Verband angehören, sind Unternehmen, die im zivilen Bereich ebenso produzieren wie in dem Bereich von Sicherheits- und Ausrüstungsgütern für militärische Anwendungen. Sie haben dort keinen Belehrungsbedarf im Grunde genommen mit Richtung Konversion, wie auch immer. Der entscheidende Punkt ist ja: Was wir in Deutschland tun und was wir entwickeln, entwickeln wir vor allen Dingen für die Bundeswehr, und daraus ergibt sich ein bestimmtes Sicherheitserfordernis, was auch den Schutz von Soldatinnen und Soldaten Rechnung trägt. Und aufgrund der Qualität, die die Produkte der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für die Bundeswehr haben, ist in Europa und auch darüber hinaus eine Nachfrage entstanden. Diesen Zusammenhang müssen wir bitte auch in der politischen Diskussion sehen.
    Klein: Und in der Bundesregierung wird, wie Sie schon angedeutet haben, im Herbst entschieden werden, wie nun restriktivere, mögliche restriktivere Rüstungsexportbestimmungen gehandhabt werden sollen, unabhängig von den Sanktionen jetzt, die gegen Russland im Gespräch sind. Das war der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Georg Wilhelm Adamowitsch bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch!
    Adamowitsch: Adé!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.