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Debatte um saubere Diesel
"Generalangriff gegen die deutsche Autoindustrie"

Einem Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge reichen die Maßnahmen des Dieselgipfels nicht aus, um Umwelt und Menschen vor Stickoxiden in der Luft zu schützen. CSU-Verkehrspolitiker Peter Ramsauer zweifelt an der Korrektheit des Berichts. Er verteidigte im Dlf die deutsche Autoindustrie, die in der Vergangenheit "maßgeblich" zur Reduzierung von Stickoxiden beigetragen habe.

Peter Ramsauer im Gespräch mit Dirk Müller |
    Peter Ramsauer (CSU)
    "Das Umweltbundesamt ist zwar ein Amt, aber es rechnet oft Dinge aus und befasst sich mit Dingen, die es nichts angeht, und rechnet Dinge aus, die oft weit von der Wahrheit entfernt sind", sagte CSU-Politiker Peter Ramsauer im Dlf (imago stock&people)
    "Da ist viel Ideologie im Spiel", sagte Ramsauer mit Blick auf den Bericht des Umweltbundesamtes. Seine Erfahrung sage ihm, dass nicht immer alles stimme, was das Umweltbundesamt berechne. Umweltministern Barbara Hendricks (SPD) warf er vor, das Amt zu Wahlkampfzwecken zu nutzen.
    Es sei eine "typisch deutsche Manier", immer einen neuen Notstand auszurufen, so Ramsauer. Seit 1990 sei der Ausstoß von Stickoxiden in Deutschland um 70 Prozent zurückgegangen. Das sei auch ein Verdienst der Autoindustrie.
    Nun arbeite man an "den restlichen 30 Prozent". Die auf dem Dieselgipfel Anfang August beschlossenen Maßnahmen seien dafür der richtige Weg.
    Ramsauer sieht für Dieselmotoren weiterhin eine Zukunft. "Ich nehme gerne Wetten darüber an, dass wir auch in 20 Jahren noch Verbrennungsmotoren verbauen".

    Dirk Müller: Die Beschlüsse des Diesel-Gipfels: Immer noch alles zu schmutzig, so die Aussage des Bundesumweltamtes. Fahrverbote rücken immer näher. - Am Telefon ist nun Peter Ramsauer, CSU, Chef des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag und zudem viele Jahre selbst Bundesverkehrsminister. Guten Morgen!
    Peter Ramsauer: Guten Morgen aus Berlin.
    Müller: Guten Morgen, Herr Ramsauer. - Vertragen Sie die Wahrheit?
    Ramsauer: Selbstverständlich! Als Politiker hat man sich immer mit der Wahrheit auseinanderzusetzen und offen zu kommunizieren. Aber ob das, was das Umweltbundesamt gestern präsentiert hat, Wahrheit ist, das wage ich sehr in Zweifel zu ziehen. Man hat den Eindruck, dass hier einfach wieder mal sehr viel Ideologie im Spiel ist und dass Barbara Hendricks das Umweltbundesamt ein Stück weit dazu missbraucht, um Wahlkampf zu machen.
    Wissen Sie, aus eigener reichlicher Erfahrung aus meiner Ministerzeit und auch danach weiß ich, dass man das, was das Umweltbundesamt manchmal ausrechnet, auch ganz stark in Zweifel ziehen kann. Also jetzt zu sagen, man habe es amtlich, dass das alles nicht reicht, das ist Quatsch. Das Umweltbundesamt ist zwar ein Amt, aber es rechnet oft Dinge aus und befasst sich mit Dingen, die es nichts angeht, und rechnet Dinge aus, die oft weit von der Wahrheit entfernt sind, von der Sie gerade gesprochen haben.
    "Ich ziehe das Ganze in Zweifel"
    Müller: Das überrascht mich jetzt ein bisschen, Herr Ramsauer. Das heißt, der Bericht, der gestern vorgelegt worden ist von der Umweltministerin, SPD, durch das Umweltbundesamt ausgerechnet, ist manipuliert?
    Ramsauer: Das muss man sich jetzt mal genau ansehen. Das ist ein sehr umfangreicher Bericht. Ich sprach nur davon, dass erfahrungsgemäß das, was hier ausgerechnet wird - und Sie haben nach Wahrheit gefragt -, nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Ich ziehe deswegen zunächst das Ganze mal in Zweifel. Man wird wohl das Recht haben, auch als Autoindustrie, das Ganze sich mal genau anzusehen, und ich sage ganz bewusst aus Erfahrung mit diesem sogenannten Amt.
    Müller: Und das war immer so, egal wer das geführt hat. War das in Ihrem Ministerium auch so?
    Ramsauer: Ja. Ich hatte oft die Situation, dass sich das Umweltbundesamt mit Dingen auch in meine Angelegenheiten eingemischt hat, wo andere Fachleute und unsere Fachleute dann zu anderen Ergebnissen gekommen sind. Und deswegen spreche ich ja aus Erfahrung. Sonst würde ich es nicht tun.
    Müller: Sitzen denn da nur Grüne, oder warum ist das so?
    Ramsauer: Es gibt durchaus viele Protagonisten, die sagen, da sitzen nur grüne Umweltverbesserer. Ich will das der Chefin dort nicht unterstellen. Aber man muss schon bei der Wahrheit bleiben, und Sie haben gerade von Wahrheit gesprochen. Zu sagen, in 70 Städten sei das weiterhin eine Katastrophe, das entspricht auch nicht der Wahrheit. Der Wahrheit entspricht vielmehr, dass möglicherweise in bis zu 70 Städten einzelne Stellen in diesen Städten bleiben könnten bei besonderen Schwerpunkten. Die Landshuter Allee in München ist so ein Beispiel, wird immer wieder zitiert, und da hat mein Amtsnachfolger Alexander Dobrindt vollkommen Recht, wenn er sagt, wir müssen uns hier die Verkehrsflüsse im Detail ganz genau ansehen, was wir verbessern können.
    Aber zu dem, was jetzt zu tun ist, wie es in der Anmoderation gefragt worden ist, da kann ich nur sagen: Jetzt wirklich ohne Hysterie, ohne neue Hysterie und besonnen das Stück für Stück abarbeiten, was auf dem Diesel-Gipfel beschlossen worden ist. Ich glaube, dann sind wir schon ein ganzes Stück weiter. Und immerhin gibt ja das Umweltbundesamt mit seinen Zahlen zu, dass man allein mit Software-Updates eine ganze Menge erreichen kann.
    "Generalangriff gegen die deutsche Autoindustrie"
    Müller: Ein paar Prozent. Das ist ja umstritten, fünf oder sechs Prozent. Es gibt ja verschiedene Zahlen, was dann hinterher in der Praxis davon auch umgesetzt werden kann. Wir halten heute Morgen fest, können festhalten, dass Sie sagen: Das, was wir da beschlossen haben, Anfang August mit den Autokonzernen, das reicht völlig aus. Damit kriegen wir die Probleme in den Griff.
    Ramsauer: Was heißt, das reicht völlig aus? Ich finde es wichtig, das jetzt einmal umzusetzen. Es ist eine typisch deutsche Manier, immer sofort irgendeinen neuen Notstand auszurufen, dann sofort alles bis zur letzten Perfektion machen zu wollen.
    Müller: Aber es geht ja jetzt um die Luft, die wir atmen, Herr Ramsauer.
    Ramsauer: Ja, die da und dort geatmet wird. Sie haben selber - das ist richtig - gesagt, seit 1990 ein Rückgang von 70 Prozent. Das soll uns irgendein anderes Land erst einmal nachmachen. Und dass wir 70 Prozent abgenommen haben, ist ein maßgebliches Verdienst der deutschen Autoindustrie. Wissen Sie, ich habe kein Verständnis, wenn man das Gefühl haben muss, dass es am Ende gar nicht mehr um die Diesel-Problematik als solche geht, sondern dass diese jetzt dazu missbraucht wird, einen Generalangriff gegen die deutsche Autoindustrie zu fahren. Da hört für mich der Spaß auf.
    Müller: Aber hat nicht die Autoindustrie die Kunden missbraucht?
    Ramsauer: Zur Wahrheit gehört auch, dass die deutsche Autoindustrie maßgeblich dazu beigetragen und es geleistet hat, die Stickoxid-Belastung um 70 Prozent zu reduzieren, und jetzt arbeiten wir an den restlichen 30 und der Diesel-Gipfel hat dazu entscheidende vier Grundsatzbeschlüsse gefasst. Und dann kann man nachjustieren, wenn der Zeitpunkt geeignet erscheint, vielleicht noch in diesem Jahr - so ist es ja vorgesehen -, in einem weiteren solchen Gipfel sich anzusehen, was haben wir in den letzten drei, vier, fünf Monaten erreicht und was ist der nächste Schritt.
    Müller: Herr Ramsauer, Sie verteidigen die Automobilindustrie. Sie sind ja auch aktiver Wirtschaftspolitiker. Wir haben das von Ihnen auch so erwartet. Jetzt muss ich Sie aber trotzdem noch einmal fragen. Misstrauen Sie nach Dieselgate nicht der Automobilindustrie?
    Ramsauer: Was verstehen Sie unter Dieselgate? Das ist auch eine Anschuldigung, Dieselgate, ein pauschaler Verteufelungsbegriff, mit dem jeder Journalist etwas anderes meint.
    Müller: Ich meine damit Manipulation an der Software.
    Ramsauer: Manipulation an der Software - da ist ja alles klargestellt worden, dass die Dinge, wenn hier fahrlässig oder vorsätzlich etwas manipuliert worden ist, was nicht den geltenden rechtlichen Bestimmungen entsprochen hat, dass dies entsprechend geahndet wird. Das ist vollkommen klar. Aber mit diesem Begriff pauschal gegen die deutsche Automobilwirtschaft in toto vorzugehen, halte ich schlicht und einfach auch nicht mit dem konform, was Sie vorhin eingangs als Wahrheit bezeichnet haben.
    Müller: Vielleicht hat die Wahrheit ja zwei Seiten.
    Ramsauer: Das kommt öfter mal vor, ja.
    "Im Labor können Sie alles noch sauberer machen"
    Müller: Wir haben jetzt schon zwei Manipulationen hier im Interview: einmal dieser Bericht und dann auch noch die Manipulation in der Autoindustrie - vermeintlich. Sie stellen das ja ein bisschen jetzt in Zweifel, inwieweit das rechtlich konform war oder nicht. Zumindest können wir festhalten, Herr Ramsauer, dass das so hängen geblieben ist bei der Bevölkerung, vor allen Dingen bei den vielen geprellten Fahrern, dass es dort ein Misstrauen jetzt gegeben hat gegenüber der Automobilindustrie. Würden Sie denn sagen, sauber geht es nicht mehr - oder sauberer geht es nicht mehr?
    Ramsauer: Ich habe es schon richtig verstanden. Natürlich geht es immer noch ein Stück weit sauberer und im Labor können Sie alles noch sauberer machen. Die Frage ist nur, ab wann wird es wirtschaftlich unsinnig, wenn man hinreichend sauber ist und konform mit den Normen und zusätzliche Fortschritte nur noch mit nicht mehr vertretbaren Aufwänden erbringen kann. Dann sollte man sich wirklich überlegen, wo die Grenzen sind.
    Noch mal: Die deutsche Autoindustrie mit den von deutschen Ingenieuren gebauten Verbrennungsmotoren sind die besten der Welt. Da sollten wir uns nicht verteufeln lassen. Und auch dieser heutige Verbrennungsmotor ist das Ergebnis langjähriger Arbeit. Wenn ein VW Käfer vor 40 Jahren oder 50 Jahren noch 15 Liter Sprit verbraucht hat, dann braucht ein entsprechendes kleines VW-Modell heute vielleicht vier Liter, 3,5, 4,5 Liter. Da ist vielleicht auch noch etwas zusätzlich drin, indem man weiter verbessert, die Abrollwiderstände vom Reifen verbessert, die Aerodynamik, den Motor selbst. Das kann man alles noch weiter verbessern. Deswegen sehe ich auch beim Diesel und auch beim Otto-Motor heute nach wie vor Potenziale, die Potenziale, die eine Grundlage bieten, dass man den Verbrennungsmotor und vor allen Dingen auch den Diesel nicht verteufelt.
    "Auch in 20 Jahren noch Verbrennungsmotoren"
    Müller: Will keiner verteufeln. Aber kriegen Sie kein Gefühl im Magen, so ein bisschen mulmig, wenn Sie von Verbrennungsmotoren für die Zukunft reden? Oder ist das längst vergangene Zeit?
    Ramsauer: Wissen Sie, ich habe mich wirklich intensivst mit allen Fragen der Zukunft der Mobilität befasst und auch des Verbrennungsmotors. Ich nehme heute gerne Wetten darüber an, dass wir auch in 20 Jahren noch hervorragende Verbrennungsmotoren in PKW verbauen werden, bei aller Begeisterung auch meinerseits für die Elektromobilität, und ich kann zur Beruhigung aller sagen, meine Familie hat sich in den vergangenen zwei Jahren auch wieder zwei neue Diesel ersatzweise angeschafft.
    Müller: Und damit machen Sie auch Wahlkampf?
    Ramsauer: Ja, zunächst einmal. Das sind hoch moderne Diesel.
    Müller: Sind das 6D, habe ich jetzt gelesen? Dieselnorm sechs oder 6D?
    Ramsauer: Das ist alles sechs, klar.
    Müller: Alles sechs und 6D kommt jetzt, und selbst 6D ist vermutlich noch zu schmutzig.
    Ramsauer: Ja das ist auch so eine Unterstellung schon wieder vom Umweltbundesamt oder von der Kollegin Hendricks. Ich sage ja, keine Hysterie, und das klingt alles nach Hysterie und mit Hysterie kommen wir nicht weiter. Jetzt mit Besonnenheit umsetzen das, was im ersten Diesel-Gipfel beschlossen wurde. Das ist der richtige Weg.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Peter Ramsauer, CSU, Chef des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag. Danke für die offenen Worte, Herr Ramsauer.
    Ramsauer: Gerne.
    Müller: Ihnen noch einen schönen Tag.
    Ramsauer: Danke schön!
    Müller: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.