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Debütroman von Hendrik Otremba
Wenn Songwriter Buchautoren werden

Einige deutsche Popmusiker haben inzwischen als Romanautoren debütiert. Mit dem Buch "Über uns der Schaum" reiht sich nun auch Hendrik Otremba ein, der mit der Post-Punk-Band "Messer" bekannt wurde. Es stellt sich die Frage: Wie beeinflusst Sound das Schreiben?

Von Diviam Hoffmann |
    Hendrik Otremba - vom Musiker zum Autor
    Hendrik Otremba - vom Musiker zum Autor (Privat)
    Joseph Weynberg ist Detektiv und – wie viele in der dystopischen Landschaft von Hendrik Otrembas Debütroman "Über uns der Schaum" – der Droge Portobin verfallen. Eine Stadt ohne Namen in einer Welt ohne Angelpunkte, geprägt von Verrohung, Gewalt und giftigem Niederschlag.
    "Sein Körper kippte in eine Lache giftigen Wassers, platschte einem Stein gleich in die trübe Pfütze. Stiefeltritte setzten nach, unermüdlich, traktierten ihn in schnellem Takt, wie abgezählt. Das Wasser der Pfütze spritzte umher. Immer wieder erwischte die Vogelscheuche die kaputten Rippen und die Stiefel scheuerten über die Naht am Rücken."
    "Irgendwas ist passiert" erklärt Otremba, "aber es geht nicht darum, das herauszufinden, sondern eher darum, was machen die Menschen in einer Welt, die unserer gar nicht fremd ist. Und ob das ein Meteorit ist oder ein nuklearer Krieg, ist erst einmal egal, denn solche Welten sind ja denkbar. Das ist ein großer Wert der Dystopie, dass man ein Szenario entwirft, das einem vielleicht vergegenwärtigt, dass man Teil des Prozesses ist, der potenziell zu so etwas hinführt."
    Otremba ist 32 Jahre alt. Er ist bildender Künstler, schreibt fiktionale und nicht-fiktionale Texte und er macht Musik in der Band Messer.
    Ich seh' dich wie durch Nebel
    Ich seh' dich wie im Traum
    Wir tauchen durch das Wasser
    Und über uns der Schaum

    (Aus: Messer – Der Staub zwischen den Planeten)
    Otremba schreibt zwar schon immer – doch "Über uns der Schaum" ist sein erster Roman. Zum Schreiben selbst ist er über das Texten von Songs gekommen. So lebt Otrembas Sprache auch in seiner Prosa von einem musikalischen Duktus. Die Sätze reiht er wie Taktschläge aneinander, manchmal reimen sie sich sogar. Wie in einem Song wechselt er das Tempo, man wird in das Buch gesogen.
    "Wo ich das Gefühl habe, Sprache hat für mich eine Rolle eingenommen und ist für mich was ganz Wichtiges geworden, das war in der Zeit, als ich angefangen habe, für Messer Texte zu schreiben. Da merkte ich auf einmal, wie krass das für mich war – wirklich eine Zäsur, das war ein Einschnitt in meinem Leben, der total positiv war. Und das war immer gekoppelt an einen Rhythmus oder an eine Stimmung. Ich kann mir schon vorstellen, dass das schon das literarische Schreiben von einem Prosatext mitprägt, dass man einen bestimmten Rhythmus in den Sätzen hat."
    In den vergangenen Jahren haben gleich ein paar deutschsprachige Musiker als Buchautoren debütiert: Frank Spilker von den Sternen, Ex-Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer, Thees Uhlmann von Tomte. In vielen dieser Bücher spielen Künstlerfiguren die Hauptrolle. Anders ist das bei Hendrik Otremba: Er wählt einen höheren Abstraktionsgrad. Sein düsterer Roman ist voll von Illusion und Schein. Der Detektiv Weynberg ermittelt in einem Fall, in dem er auf seltsame Weise zum Mittäter wird. Denn: die Frau, die er beschatten soll, gleicht seiner toten Geliebten bis aufs Haar.
    "Dann legte er mir die Fotos vor, elf Bilder, und mein Herzschlag setzte aus. Da war Hedy auf diesen Bildern. Es war nicht Hedy, sie konnte es nicht sein, Hedy war tot, aber sie sah aus wie Hedy. Ich ließ mir nichts anmerken, versuchte es zumindest. Ich hatte ja Hedy sterben sehen, einmal tatsächlich, und dann abertausende Male vor meinem inneren Auge."
    Weynberg befreit Maude, die Doppelgängerin der toten Hedy, aus einem Netzwerk von Mord und Gewalt. Die beiden begeben sich auf eine irre Flucht.
    Ein Mann schläft in der U-Bahn
    Speichel tropft von seinem Mund
    Plötzlich erschrecktes Erwachen
    Panik auf der Flucht

    (Aus: Messer – Niemals)
    Das aktuelle Album "Jalousie" der Band Messer ist kein Soundtrack zum Buch, aber es erschafft eine Atmosphäre, die dem Roman sehr ähnlich ist. Auch inhaltlich wandern Songzeilen aus der Platte durch den Roman. Otremba legt sie seinem Protagonisten am Beginn eines jeden Kapitels in den Mund.
    "Ich geh da ja gar nicht drauf ein, dass der Weynberg schreibt. Das spielt ja gar nicht so eine große Rolle, aber das macht er ja irgendwie scheinbar, irgendwann, irgendwo. Mir hat das gut gefallen, das, was ich erlebe – und da bin ich dem dann auch am nächsten – dass es auch wahnsinnig heilsam ist, eine poetische Form zu finden, für Dinge, die einen beschäftigen."
    Der dichtende Detektiv ist nicht mit dem schreibenden Musiker identisch. Otremba, der auch als bildender Künstler einen Hang zu abgründigen Figuren hat, zeigt mit seiner Kunst in erster Linie, wie sich Wort, Bild und Klang ergänzen können. In allen drei Künsten gelingen ihm fesselnde Werke. Auch aus diesen 280 Seiten Prosa kann man sich schwer wieder befreien – aber das ist der Preis für so ein aufregendes Romandebüt.
    Das ist die Arbeit, das ist der Preis
    So geht’s bei Detektiven

    (Aus: Messer – Detektive)
    Weitere Informationen:
    Hendrik Otremba: "Über uns der Schaum"
    Verbrecher Verlag, Berlin. 280 Seiten, 22,00 Euro

    Lesungen:
    14.03.2017 Berlin – Buchpremiere (Fahimibar)
    16.03.2017 München – Lesung (Lost Weekend)
    23.03.-25.03.2017 Leipzig – versch. Lesungen auf der Buchmesse
    13.04.2017 Münster – Langer Freitag (LWL Museum)
    18.04.2017 Gießen – Lesung (tba)
    19.04.2017 Köln – Lesung (King Georg)
    20.04.2017 Berlin – Lesung (Unabhängiger Literatursalon)
    30.05.2017 Berlin – Lesung (KOOKread)