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Der Beat des Terrors
"Extremistisch und menschenverachtend"

Was die Dealer im Gangsta-Rap, sind das im extremistischen Rap die Terroristen? Das hat die Schweizer Musikjournalistin Yvonne Kunz untersucht. In ihrem Buch "Jihad Rap" hat sie sich an den Rändern der muslimischen Subkultur umgehört.

Von Andi Hörmann |
    Ein DJ an Turntables
    "Jihad Rap" - mal platte Attitüde, mal stupide Propaganda. (imago/fotoimedia)
    Es klingt nach Märchenzauber aus 1001 Nacht. Doch mit dem Beat kommt direkt die Punchline: In den schlagkräftig arabischen Worten steckt aggressiver Inhalt.
    "Wer ist der Terrorist?", fragt der Rapper Tamer Nafar des palästinensisch-israelischen Trios DAM. Erschienen ist der Track kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center. Die Antwort liefert er gleich mit: "Ich bin der Terrorist." (*)
    "Das tönt wahnsinnig toll. Es ist eine Sprache, die sich sehr, sehr gut eignet für Raps. Ein bisschen aggressiv, ein bisschen wie Schw1eizer Deutsch mit viel Krachen und Rrrrchs", sagt Yvonne Kunz.
    Die Schweizer Musikjournalistin hat dieses Phänomen in ihrem Buch "Jihad Rap - An den Rändern muslimischer Subkultur" untersucht: Da ist etwa der virale Hit des britischen Muslim-Rappers Sheikh Terra aus dem Jahr 2004 mit seinem treibenden Dancehall-Beat:
    "The one Mr Bush him a Dirty Kuffar / The National Front man dem a Dirty Kuffar / Throw them in the fire"
    Reagan, Blair, Bush, die National Front - allesamt "Dirty Kuffar", also "schmutzige Ungläubige". Und: "man möge sie doch verbrennen", heißt es im Text.
    "Das macht es für mich aus, dass man als Hörer schon genau hinhören muss: Was sagt jetzt der? Wo man dann vielleicht erst mal angewidert ist oder denkt: Das geht ja wohl gar nicht, das ist so extremistisch und menschenverachtend", sagt Kunz.
    Auch in Deutschland wird Dschihad im Pop propagiert: Der Frankfurter Rapper SadiQ glorifiziert 2016 den grausamen Anschlag auf Charlie Hebdo. Im Video springt er vermummt aus einem Minibus mit einer Kalaschnikow in der Hand.
    "Ziel auf den Zeichner der Karikatur / Verbrenne die Blätter der Charlie Cartoons"
    SadiQ, geboren in Kabul. Als er sechs Jahre alt ist, wandert seine Familie nach Deutschland aus. Die Realität bestätigt das Klischee: Vorstadtkind und kleinkrimineller Drogendealer. In seiner Perspektivlosigkeit inszeniert er sich musikalisch als radikaler Rapper im Fahrwasser des Möchtegern-Böse-Jungs-Images à la Bushido und Sido.
    "Wir reden ja immer von der desillusionierten Jugend, die wütend ist, gerade migrantische Jugend. Was ist denn diese Wut, worin besteht die, wie ist die beschaffen? Einfach über die Schlagworte hinaus."
    Und das macht Yvonne Kunz in "Jihad Rap" eindrucksvoll, wenn sie den schockierenden Werdegang des 1975 in Berlin geborenen Denis Cuspert schildert: Eine Abwärtsspirale, vom identitätssuchenden Musiker zum ideologischen Brandstifter und IS-Terroristen, hinter jedem Künstlernamen eine immer radikalere Person: Vom Gangster-Rapper Deso Dogg zum islamistischen Wanderprediger Abou Maleeq zum Terror-Propagandisten Abu Talha al-Almami:
    "Ich lieg im Bett als das SEK in meine Bude einmarschiert."
    Yvonne Kunz dazu: "Eine Figur wie Deso Dogg ist nicht zu unterschätzen, wo dann auch das Popkulturelle auch genutzt wird, um jüngere Menschen, die noch nicht so gefestigt sind in ihrer Identität, abzuholen …"
    … und ideologisch zu verblenden. Nach mäßigem Erfolg als Kriminalität inszenierender Hip-Hopper, tritt Cuspert 2010 als singender islamischer Prediger in Erscheinung:
    "Mutter schrei'n, Kinder wein'n, Fasabillia Jihad / Warum bleiben unsere Herzen hart / Allahu akbar"
    "Mal platte Attitüde, mal stupide Propaganda"
    Der ehemalige Gangster Rapper aus Berlin intoniert mit "Wachet doch auf" ein Naschid, eine traditionell islamische Liedform: Es erzeugt Gänsehaut und Beklemmung, diese Indoktrination des radikalen Dschihad.
    "Wenn wir Dschihad hören, dann denken wir 9/11, dann denken wir Bataclan, wir denken an bärtige Männer, die den Westen in die Luft sprengen wollen. Aber für 99 Prozent der Muslime heißt das was ganz anderes", sagt Kunz.
    "Dschihad" meint wortwörtlich "Anstrengung, Bemühung", erst im weiteren Sinne "Kampf auf dem Weg Gottes", "religiöser Krieg".
    "Ich habe viele immer wieder gefragt: Was ist für dich Dschihad? Und keiner sagte dir: Den Westen in die Luft sprengen. Es gibt ja den 'higher', den höheren Dschihad und den 'lesser' Dschihad. Und der höhere Dschihad ist der mit sich selbst, also der Kampf mit sich selbst gegen die eigenen Unzulänglichkeiten und nicht heiliger Krieg oder so etwas"
    "Jihad Rap" als islamistischen Extremismus mit den Mitteln der Popkultur abzutun, würde dem Phänomen nicht gerecht werden: Mal ist es simple Provokation, mal platte Attitüde, mal stupide Propaganda. Hip Hop lässt sich eben auch als Terror Chic instrumentalisieren. Yvonne Kunz beschreibt das sehr differenziert und lesenswert. Am Ende vertröstet sie uns mit Humor und Ironie, indem Dschihad auch der Emanzipation dient, wenn etwa zwei muslimische Frauen als "Poetic Pilgrimage" rappend den Islam mit dem Christentum versöhnen - auch das eine Form von Dschihad, persönlichem Dschihad.
    "Es ist halt schwierig, wie der Mainstream ganz grundsätzliche Begriffe wie Dschihad unzulässig verengt, dann finde ich schon, dass es da viel Differenzierung braucht: Was heißt das eigentlich? Und wie geht der Durchschnittsmuslim damit um?"
    "Jihad Rap - An den Rändern muslimischer Subkulturen" von Yvonne Kunz erscheint am 27. Oktober 2016. Das Buch hat 144 Seiten und kostet 12,00 Euro

    (*) Anm. d. Red.: An dieser Stelle wurde der ursprüngliche Text geändert. Der genannte Song "Ich bin der Terrorist" bezieht sich nicht auf die islamistischen Attentate vom 11.9. und verherrlicht sie nicht. Der Song ist zwar kurz danach erschienen, die Gruppe DAM ist aber nicht islamisch-extremistisch orientiert.