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Der Kabarettist Timo Wopp im Porträt
Im Toleranztrainingslager auf Speed

In "Moral - eine Laune der Kultur", seinem zweiten Programm, seziert der Kabarettist Timo Wopp unsere Doppelmoral und Verlogenheit durch ironische bis bitterböse Provokationen. Wopp zeigt: Niemand belügt uns mehr, als wir selbst.

Von Achim Hahn |
    Der Kabarettist und Jongleur Timo Wopp
    Ein Schnellsprecher und Jongleur: Der Kabarettist Timo Wopp (picture-alliance / dpa / Georg Wendt)
    "Ist es nicht wunderwunderschön, wie man es schaffen kann, mit einem einzigen Satz alles wieder kaputt zu machen, was man sich vorher mühevoll aufgebaut hat? Das ist asoziale Kompetenz."
    "Eigentlich wirke ich ja ganz sympathisch: Ich komm raus, hab nen netten Anzug, bin ganz adrett gekleidet ..."
    Meint er - Timo Wopp - durchaus zu recht:
    "Aber jetzt hab ich Hausverbot im Streichelzoo."
    Denn...
    "...dass ich sympathisch wirke, hält so lange an, bis ich den Mund aufmache, und in dem Moment ist es eigentlich vorbei. Ja - Du kleine Drecksau, was erzählst Du uns hier eigentlich?"
    Ein selbsternannter Business-Psychopath
    Und genau das ist sein Konzept: Timo Wopp...
    "...Komiker, Kabarettist, Satiriker,..."
    ...Moralapostel und selbsternannter Business-Psychopath.
    "Je nachdem, wer gerade die Definition aufstellt."
    "Moral -"
    - ist sein zweites Soloprogramm und jetzt als Doppel-CD erschienen.
    "Ich nehm nie wieder so ein großes Thema."
    Nach "Passion", das Ende 2010 Premiere hatte und mit einer ganzen Reihe von Kleinkunstpreisen bedacht wurde, jedenfalls für Timo Wopp ein ziemlich großer Wurf. Bitterböse und unberechenbar.
    "Was weiß ich denn, was nächste Woche noch Bestand hat. Die krudesten Thesen kann man einfach so behaupten, belegen, widerlegen. Ist der Wahnsinn. Früher ging's in meinem Job immer noch darum, in der normalen Welt irgendwie die komische Perspektive zu finden, heutzutage ist man erst mal damit beschäftigt, in dieser komischen Welt irgendwie die Normalität zu finden."
    Er nennt das Kind beim Namen
    In "Moral - eine Laune der Kultur" führt er vor, dass niemand uns mehr belügt, als wir selbst. Und er nennt das Kind beim Namen, so hässlich es auch sein mag. Stichwort Erziehung:
    "Neulich hab ich zu meinen Kindern gesagt: Passt da bei Euren Freunden auf, setzt da nicht aufs falsche Netzwerk. Ihr bekommt da hier gerade von uns das Rüstzeug, um später in einer flexibilisierten und globalisierten Arbeitswelt bestehen zu können. Wenn Ihr da einmal den Anschluss verpasst ... Ich hab zu meiner Tochter gesagt: Hier Madame, komm mal her! Wo siehst Du Dich eigentlich in 10 Jahren? Du wirst im Herbst immerhin 4?!"
    Timo Wopp zeigt uns, dass niemand uns mehr belügt, als wir uns selbst. Denn er weiß, wovon er spricht:
    "Der Typ auf der Bühne, den ich da spiel, da ist ganz viel Timo Wopp drin, so erschütternd das auch ist, aber natürlich ist es eine Kunstfigur, die ich entwickelt habe."
    "Och - was mach ich hier? Comedy? Kann stimmen. Muss aber nicht! Ja."
    Denn Timo Wopp ist eine Urgewalt, die der Orientierungslosigkeit unserer Gesellschaft endlich mal ein Gesicht gibt:
    "und zwar meins!"
    "Ich muss in Schubladen denken - sonst kann ich keine Witze machen"
    Und sein Programm strotzt nur so vor Ironie bis ins kleinste Detail. Er versetzt seine Zuhörer in ein Wechselbad der Gefühle, konfrontiert uns mit unseren moralischen Vorstellungen, geißelt die Political Correctness, jongliert mit ihr und führt uns immer wieder die eigene und auch die politische Doppelmoral vor Augen:
    "Leute erfüllen ja auch keine Klischees mehr. Sind so inkonsequent. Über wen soll ich noch Witze machen? Ich hab mich letzte Woche mit selbstironischen Feministinnen getroffen. War einer der lustigsten Abende meines Lebens. Ist so lustig, hab noch nie Witze über Euch geschrieben? Ich hab tolerante Veganer kennengelernt und das Essen hat sogar geschmeckt! Und jetzt aber mal Stop hier! Wie soll ich denn über Euch Witze machen? So geht das nicht. Ihr musst Euch mal entscheiden. Ihr könnt doch nicht selbstironisch und Feministin sein. Warum? Weil ich das nicht will. Ich bin Kabarettist. Ich muss in Schubladen denken, und wenn ich keine Schubladen hab, kann ich keine Witze machen. Andere Leute entscheiden sich ja auch. Du kannst entweder ein cooler Typ sein oder Liegefahrrad fahren."
    "Damit spielt der Abend, und auch, dass man merkt, das ist genau die absurde Situation, die ich auch im Alltag kenn und in die hat er mich da eben reingeführt, und darauf basiert der Abend."
    Seine Mission: wer lachen will, muss leiden. Denn Timo Wopp ist - wie unschwer zu hören - auch ein absoluter Schnellsprecher. Er überrollt alles mit seinen Pointen, verführt zum gedanklichen Loslassen, zum "Es-mit-sich-geschehen-lassen", um dann im nächsten Moment wieder volle Breitseite in die Eingeweide zu treten.
    Mehrwertkabarett zum Nachhören
    "Ist zu schnell? Macht nichts. Meine Sachen erschließen sich immer erst retrospektiv."
    Der Vorteil einer CD! Denn seine Bühnenshow ist ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Schwarzhumorig, böse und hinter-"lästig".
    "Und wer ist daran schuld? - Die Flüchtlinge!"
    Fake-News sind für ihn kein Thema. Seine Devise lautet:
    "Recherche ist der Feind der Meinung!"
    Mit einem Wort:
    "Es ist schon eine Herausforderung, und man muss auch so 'n paar Zwischentöne erkennen, dass man sich da nicht persönlich verletzt fühlt von ein paar Sachen."
    Timo Wopps Show, die er auch diesmal wieder zusammen mit seinem Regisseur Knut Gminder ausgearbeitet hat, ist grandios. Ein Toleranztrainingslager auf Speed. Die Aufnahme dieser CD allerdings eher unterirdisch. Ein herber Wermutstropfen - vielleicht. Nun ja, aber andererseits: wer hört Kabarett CDs schon mehr als einmal? Bei Timo Wopp allerdings würde es sich lohnen. Mehrwertkabarett hat er seine Kunst einmal nicht ohne Grund genannt. Obwohl -?!
    "Das ist schon sehr widersprüchlich. Und da denke ich, das wahre Leben ist auch sehr widersprüchlich."
    Okay, man gewöhnt sich dran.