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Der Staat erbt mit

Die Erbschaftsteuer ist in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig und muss bis Ende 2008 überarbeitet werden. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts werden Immobilien und Betriebsvermögen im Vergleich zu Bargeld teilweise stark unterbewertet. In dem Beschluss der Richter heißt es weiter, dadurch komme es zu willkürlichen Ergebnissen, was eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeute.

Von Michael Braun und Brigitte Scholtes |
    Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen, aber die Arbeit muss die Politik tun. Sie muss dafür sorgen, dass alle Vermögensarten gleich bewertet werden. Das war bisher nicht der Fall. Immobilien etwa, so die Verfassungsrichter, flössen nur mit der Hälfte ihres Verkehrswertes in die Erbmasse ein, land- und fortwirtschaftliches Vermögen gar nur mit zehn Prozent. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, urteilt das Verfassungsgericht. Auch Ökonomen finden es richtig, dass künftig keine Vermögensgattung mehr bevorzugt werden dürfe. Professor Thomas Straubhaar, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts HWWA in Hamburg:

    " Ich denke, dass diese Gleichbehandlung ordnungspolitisch sehr korrekt ist, dass es eine gute Entscheidung darstellt, weil es sonst sehr schnell verzerrende Wirkungen gibt, dass dann Vermögen in der einen Form gehalten wird, nicht weil dort beispielsweise die Renditen am höchsten sind, weil dort Kapital am intelligentesten so gehalten wird, sondern weil es nur aus steuertechnischen Gründen so ist. Und das kann nicht optimal sein."

    Doch die Politik wird das Gestalten wohl nicht lassen. Die Verfassungsrichter haben das auch nicht untersagt. Sie haben nicht die Erbschaftssteuer für verfassungswidrig erklärt, sondern nur die aktuellen Bewertungsgrundsätze für die verschiedenen Vermögensarten. Das Gericht hat der Politik Raum gelassen, verschiedene Vermögensgegenstände unterschiedlich zu besteuern. Dafür müssten "ausreichende Gemeinwohlgründe" vorliegen: Es sollen also nicht Privilegien verteilt werden. Alle Sonderregeln müssen letztlich dem Staat insgesamt nutzen. Die Bundesregierung scheint froh darüber, dass das Gericht weitere Details nicht vorgegeben hat. Die Staatssekretärin im Finanzministerium, Barbara Hendricks:

    " Wir sind froh, dass jetzt endlich Rechtssicherheit herrscht im Bereich der Erbschaftsbesteuerung. Wir werden natürlich zeitnah den Gesetzentwurf vorlegen, der notwendig ist, um bis zum Ende des Jahres 2008 - so lange darf das bisherige Recht noch angewandt werden - zum neuen Recht zu kommen."

    Und der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Meister, hat sich erfreut über den weiten politischen Spielraum geäußert, den das Gericht der Politik belassen hat:

    " Die erste Botschaft ist: Das Verfassungsgericht sagt uns nicht, dass wir die Erbschaftssteuer erhöhen müssen. Sondern das Verfassungsgericht sagt uns, dass wir zwischen verschiedenen Vermögensarten eine faire Bewertung herbeiführen müssen. Und dann ist auch klargestellt, dass auf einer zweiten Ebene der Gesetzgeber sehr viel Freiraum hat zu entscheiden, wie er festgestellte Vermögen gegebenenfalls, wenn er das für erforderlich hält, verschont, etwa im Sinne: Erhalt von Arbeitsplätzen, Weiterführung von Unternehmen. Dort wurde dem Gesetzgeber durchaus Gestaltungsspielraum an die Hand gegeben."

    Nur: Wie weit geht dieser Gestaltungsspielraum? Sind die Politiker aller Koalitionsparteien jetzt versucht, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen und schon fast fertige Gesetzgebungsverfahren umzuwerfen? Oder gar die Einnahmequelle Erbschaftssteuer etwas stärker sprudeln zu lassen? Peter Ouart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde in Freiburg:

    " Das ist eine spannende Frage zu sehen, ob der Gesetzgeber möglicherweise hier etwas ändern wird, was, wenn ich das betonen darf, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht gefordert ist, salopp formuliert, ob der Gesetzgeber jetzt an der Steuerschraube dreht, was die Erbschafts- und Schenkungssteuer anbelangt. Das muss man abwarten. Ich persönlich halte die bisherigen Steuersätze, die wir haben, für angemessen. Und ich persönlich sehe auch nicht die Notwendigkeit, hier zwingend eine Erhöhung vorzunehmen. Wir liegen im internationalen Vergleich mit unseren Steuersätzen im Mittelfeld. "

    Wenn die Freibeträge ausgeschöpft sind, sieht das noch geltende Erbrecht für die engsten Angehörigen Steuersätze zwischen sieben und 30 Prozent vor - je nach Höhe des Erbes. Sieben Prozent Steuern wären bei einem zu versteuernden Erbvermögen von 52.000 Euro fällig, von 512.000 Euro an wären es 15 Prozent Steuern und von fünf Millionen Euro an 19 Prozent, 30 Prozent Steuer gelten also nur für wirklich große Erbschaften. Bis Ende 2008 müssen die Forderungen des Verfassungsgerichts umgesetzt sein. Bis dahin gilt das alte, offenkundig verfassungswidrige Recht - das Bundesverfassungsgericht hat also eine ungewöhnlich lange Frist gesetzt. Juristische Fachleute trösten Erblasser und Erben, dass ihnen diese Frist Chancen biete. Peter Ouart:

    " Man muss jetzt nicht Hals über Kopf versuchen, Vermögen zu verschenken, um hier möglicherweise Steuern zu sparen. Sondern das wird natürlich alles davon abhängen, wie in Zukunft die Ausgestaltung ist, was Freibeträge anlangt und was auch die Höhe der einzelnen Erbschaftssteuersätze anbelangt. Aber es wird Zeit genug sein, sich darauf einzustellen und etwaige Maßnahmen dann rechtzeitig in Angriff zu nehmen."

    Zweier Themen hat sich das Verfassungsgericht vor allem angenommen: der Bewertung von Immobilienvermögen und der von Betriebsvermögen. Zugespitzt geht es beim ersten Thema darum, ob selbst genutzte Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen von der Eltern- an die Kindergeneration steuerfrei weitergegeben werden können. Das Stichwort in der Debatte heißt: "der Oma ihr klein Häuschen": Das müsse weiter steuerfrei an die nächste Generation vererbt werden können - ob nun nach Einheitswert oder nach Verkehrswert berechnet. Das ist Konsens bei allen politischen Parteien. Und bei der Vererbung von Betriebservermögen dreht sich die Debatte hauptsächlich um den mittelständischen Betrieb, der nicht pleite gehen solle, nur weil die nachwachsende Generation Eigentümer werde und der Erbschaftssteuer wegen das Betriebsvermögen mit Krediten belasten müsste.

    Fachleute rechnen mit 1,7 bis zwei Millionen Erbfällen in diesem Jahrzehnt, bei denen zwei bis drei Billionen Euro an die nächste Generation gegeben werden. Pro Jahr zählt das Statistische Bundesamt zwar nur 17 Milliarden Euro an Erbvermögen, doch das sind nur die Werte, die tatsächlich der Erbschaftssteuer unterliegen. Die Schätzungen, wie viel jährlich vererbt oder verschenkt wird, reichen von 130 bis 200 Milliarden Euro. Ob Vermögen vererbt oder in einer Schenkung übertragen werden, das ist steuerlich egal. Das Aufkommen aus der Erbschaftssteuer hat sich seit 1980 auf rund 3,5 Milliarden Euro versiebenfacht. Dass Grundvermögen dabei fast die Hälfte ausmacht, ist einfach zu erklären: Für viele Haushalte ist die selbst genutzte Wohnimmobilie der größte Vermögensposten. Da hängt oft viel Herzblut dran. Denn diese selbst genutzte Immobilie dient nicht nur der Altersvorsorge der Elterngeneration. Eltern legen sich fürs eigene Haus auch krumm in der Hoffnung, dieses Vermögen an ihre Kinder weiterreichen zu können. Vererbung als Motivation der Vermögensbildung, weiß Ludger Strecker, spiele eine ganz wichtige Rolle. Strecker leitet bei der Commerzbank den Bereich, der für private Haushalte große Vermögen betreut. Nachlassplanung ist sein tägliches Brot:

    " Was wir erleben in unseren Beratungsprozessen ist, dass sowohl Privatpersonen als auch Unternehmer, natürlich in der ersten Phase, das Geld für sich erarbeiten, aber schon ganz klar darauf gerichtet sind, Vermögen anzusammeln für den zweiten Teil des Lebens, das heißt also, immer dann Rücklagen zu haben, wenn sie in Pension sind, wenn sie sich von ihrem Untermnehmen gelöst haben. Aber ein ganz wichtiger Punkt ist auch, Vermögen weiterzugeben an die nächste Generation und der nächsten Generation einen guten Start zu ermöglichen."

    Volkswirtschaftlich ist Vererbung privater Vermögen zumindest vordergründig ein Nullsummenspiel ohne großen Mehrwert. Postbank-Volkswirt Heinrich Bayer:

    " Aus volkswirtschaftlicher Sicht spielt das Vererben keine allzu große Rolle, weil es handelt sich ja immer nur um eine Vermögensübertragung. Mit dem Erbvorgang an sich ist keinerlei Vermögensbildung verbunden, anders als etwa bei einer Investition oder beim Sparen."

    Doch Thomas Straubhaar vom HWWA-Institut sieht das anders:

    " Wenn ich weiß, dass ich einen Teil meines Vermögens unmittelbar an meine Familie, an meine von mir eingesetzten Nachfolger übertragen kann, dann wissen wir sowohl aus der Empirie, also aus den realen Daten wie aus der Theorie, dass dann eben die Menschen, die wissen, dass sie vererben können, eine höhere Sparneigung haben. Dadurch wird das wirtschaftliche Wachstum in einer Gesellschaft, die mehr spart, schneller werden. Und das hat dann wiederum den positiven Effekt, dass über diese Wachstumsimpulse auch die Beschäftigung verbreitert und stärker vorankommt. "

    Das sind Argumente, die sich nicht nur Grundbesitzerverbände, sondern auch Fachleute zu eigen machen. Sie rechnen deshalb damit, dass selbstgenutzte Wohnimmobilien auch künftig steuerfrei vererbt werden können. Denn das Bundesverfassungsgericht lässt ja Ausnahmen zu, wenn wichtige Gründe des Gemeinwohls das rechtfertigen, sagt Peter Ouart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde:

    " Diese steuerliche Begünstigung, die das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil zugelassen hat, die bezieht sich nicht etwa nur auf Betriebe oder betriebliches Vermögen, sondern auch privates Vermögen. Das heißt, auch hier kann der Gesetzgeber steuerliche Begünstigungen vorsehen. Und als steuerliche Begünstigung muss man ja auch die bisher schon im Gesetz aufgeführten Freibeträge betrachten."

    Die Bundesregierung plant offenbar keine größeren Änderungen. Das viel zitierte "Oma ihr klein Häuschen" - das lässt sich aus den ersten Reaktionen der Politik auf das Karlsruher Urteil ersehen - soll wohl auch in Zukunft steuerfrei an die nächste Generation übertragen werden dürfen. Das deutet die Finanzstaatsekretärin Barbara Hendricks an: Natürlich müssten Immobilien künftig zum Verkehrswert in die Erbschaftssteuerberechnung einfließen, sagt sie:

    " Aber natürlich kann der Gesetzgeber eine selbstgenutzte Wohnung oder ein selbst genutztes Haus auch anders behandeln. Also der Gesetzgeber ist frei, über den Tarif nachzudenken."

    Wer Immobilien steuerfrei vererben will, kann dies auch durch frühzeitige Schenkung tun. Denn zumindest bisher gibt es die Regel, dass alle zehn Jahre ein neues Recht auf steuerfreie Schenkung besteht. Die vorhandenen Freibeträge - für Kinder immerhin 205.000 Euro - konnten also alle zehn Jahre neu genutzt werden. Dies beizubehalten, sei der Gesetzgeber gut beraten, meint Ludger Strecker von der Commerzbank:

    " Zum einen ist es für Deutschland wichtig, dieses Vermögen hier in Deutschland zu halten, aber auch die Unternehmen, und für die wird es ja auch eine Rolle spielen, hier zu halten, weil wir damit Arbeitsplätze sichern und damit im übrigen auch Steuern erzielt werden. "

    Und doch dürfte es dazu kommen, dass Immobilien insgesamt, Immobilien also, die nicht selbst genutzt werden, die vermietet sind, die als Geldanlage dienen, künftig im Erbfall höher versteuert werden. Schlechter werden könnte die neue Rechtslage auch für die Land- und Forstwirte. Denn auch ihr Grundbesitz wird künftig nach dem Verkehrswert bemessen und nicht mehr nach dem Ertragswert. Damit sei für ihre Betriebe ein Dreh- und Angelpunkt ihrer Existenz betroffen, klagt die Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände. Denn hinzu komme, dass die Bauern und Waldbesitzer ja auch unter den Folgen der Naturereignisse litten - man denke an den Orkan Kyrill, der vor ein paar Wochen über Deutschland fegte.

    Ein großes Thema ist das Urteil des Verfassungsgerichts auch bei der Vererbung von Familienbetrieben. Wie bei den Immobilien haben die Karlsruhe Richter auch hier die Maßstäbe moniert, nach denen Unternehmen für die Erbschaftssteuer bewertet werden. Es reiche nicht, einfach die Angaben aus der Steuerbilanz zu übernehmen. Die entsprächen nicht der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Stille Reserven etwa kämen dabei nicht vor. So werden Unternehmensnachfolger künftig mehr erben, weil die Unternehmen höher bewertet werden müssen. Hier wächst die Sorge vor höheren Erbschaftssteuern. Dabei bestand schon bisher immer die Gefahr, dass ein Unternehmen insolvent werden könne, wenn eine neue Generation Eigentümer wird und Erbschaftssteuer zahlen muss. Zumindest die Angst davor ist groß bei familiengeführten Betrieben. Heinz-Werner Utz ist Vorstandschef und Eigentümer der Uzin Utz AG, einer Firma, die Bodenbeläge fertigt:

    " Die Erbschaftsteuer ist natürlich für ein Familienunternehmen, auch für uns natürlich, ein großes Problem. Denn wir sind ein Familienunternehmen. Zu 60 Prozent kann man sagen ist es in den Händen meiner Schwester und von mir. Und irgendwann stellt sich die Frage der Übertragung der Anteile und dann ist das für uns schon auch ein Liquiditätsproblem, das ist ganz klar."

    Andreas Pieroth, Vorstand und Miteigentümer des Weinvertriebs WIV Wein International, ehemals Pieroth, hat die Belastung der Steuer schon selbst erfahren:

    " Die Anteile, die ich bisher schon im Weg einer Schenkung von meinem Vater übertragen bekommen habe, das waren solche Beträge, die da sofort an Erbschaftssteuer fällig, die man nicht auf dem Konto herumliegen hat, wenn im Grunde genommen jeder Euro, den die Familie besitzt, als Stammkapital im Unternehmen ist, dann ist das schwierig."

    Die Politiker haben darauf gehört und das so genannte Abschmelzungsverfahren ins Erbrecht hineingeplant: Zehn Jahre lang soll die Erbschaftssteuer zinslos gestundet werden: In dieser Zeit soll sie für jedes Jahr, während dessen das ererbte Unternehmen weitergeführt wird, um je ein Zehntel sinken. Nach zehn Jahren wäre die Steuerschuld beglichen - das Unternehmen wäre also erbschaftssteuerfrei auf die nächste Generation übergegangen, aber nur für den Fall, dass es weitergeführt wird. Die jedes Jahr um ein Zehntel sinkende Erbschaftssteuer soll also motivieren, das Unternehmen und damit die Beschäftigung darin zu erhalten. Die Idee halten Fachleute für richtig. So meint Peter Ouart:

    " Die Initiative des Gesetzgebers, die ja auch im bisherigen Gesetzgebungsverfahren schon sichtbar wurde, macht durchaus Sinn. Sinn und Zweck der Reform ist es ja auch gewesen, Familienunternehmen zu entlasten. Ich persönlich halte das für eine Entlastungsmaßnahme, die Sinn macht und die natürlich Familienunternehmen auch stark entlastet. Und nach den bisherigen Diskussionen, die man verfolgen durfte, ist jedenfalls nicht unbedingt zu erwarten politisch, dass der Gesetzgeber jetzt davon abrückt."

    Doch Witold Kolodziej, Direktor im Bereich private Vermögensverwaltung der Commerzbank, verweist darauf, dass wohl nicht alle Formen des Vermögens begünstigt werden:

    " Ein wesentlicher Punkt ist die Unterscheidung zwischen Produktivvermögen und Nicht-Produktivvermögen. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Betrieb, der unter der alten Regelung begünstigt war, unter der neuen Regelung nicht begünstigt wird: Indem einfach Wirtschaftsgüter als Nicht-Produktivvermögen qualifiziert werden. Das können Wertpapiere sein, betrieblich nicht genutzte Grundstücke sein oder ähnliches. "

    Unklar ist bei der so genannten Abschmelzungsregel auch noch, was mit der Steuerlast passiert, wenn ein Erbe überraschend stirbt oder das Unternehmen vor Anlauf der Zehn-Jahres-Frist verkauft werden muss. Das Erbrecht wird die Politik also beschäftigen, womöglich mehr, als dies der relativ geringen fiskalischen Bedeutung der Erbschaftssteuer entspricht. Aber an dieser Steuer reiben sich die Ideologien, zeigen sich die politischen Reflexe ähnlich stark wie bei anderen Themen in der Koalition. Vor allem die Sozialdemokraten beharren darauf, dass der Staat auch künftig miterbe, wenn seine Bürger was zu vererben haben. So ließ der SPD-Vorsitzende Kurt Beck wissen, große Vermögen müssten "angemessen" besteuert werden. Es könne nicht sein, dass jemand "von Beruf Erbe" sei. Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß sprach sich für eine stärkere Besteuerung "höherer und höchster Erbschaften" aus. Für die Weitergabe des "durchschnittlichen Eigenheims" aber will die SPD auch künftig einen ausreichend hohen Freibetrag einräumen. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus warnte daraufhin die SPD davor, die "Reichensteuer-Debatte" neu zu entfachen. Wenn Kapital in Deutschland gehalten werden solle, dürfe man keine Steuererhöhungsdebatte führen.

    Richtig ist jedenfalls, dass die Erbmasse ungleich verteilt ist. Große Erbschaften fallen denen zu, die sie für ihre Altersvorsorge nicht brauchen, weil sie sowieso genug haben. Und Durchschnittsverdiener erben zu wenig, um darauf ihre Altersvorsorge zu gründen, warnt Postbank-Volkswirt Heinrich Bayer:

    " Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass die Generation der Erben durch den Erbvorgang an sich ihre Altersversorgung bestreiten kann. Dies betrifft eigentlich eher einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung, während halt der größte Teil der Bevölkerung entweder gar nichts erbt oder zu geringe Beträge, um auf eine eigenständige Altersversorgung verzichten zu können."

    Erbgänge verfestigen Vermögensstrukturen und eine gegebene Vermögensverteilung - das gesteht auch Thomas Straubhaar zu. Aber der Wirtschaftswissenschaftler mahnt dennoch zu Pragmatismus im Umgang mit der Erbschaftssteuer - so seltsam es klingt: im Interesse der Gemeinschaft:

    " Es ist unzweifelhaft richtig, dass eine Vererbung, die nicht besteuert werden würde, gewisse Vermögensketten verstetigt, dass hier Generationen begünstigt werden von reichen Eltern, die dann als neue Generation bessere Startchancen hat als jene, die nicht das Glück haben, vermögende Eltern zu haben und nichts vererbt erhalten. Andererseits, und ich glaube, das ist die entscheidende Frage, ist die Frage zu stellen: Welche Chancen hat eine Gesellschaft insgesamt? In Zukunft möglichst gute Start- und Standortvoraussetzungen für kommende Generationen zu haben, also nicht Einzelfall, sondern allgemein. Und da ist ebenso unzweifelhaft, wenn wir auf eine Besteuerung von Erbschaften verzichten, dann haben wir positive makroökonomische Effekte, die eben die Startchancen für alle gleichermaßen verbessern."