"Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen", sagte Gauck bei der Eröffnung der 50. Münchner Sicherheitskonferenz. "Auch wer nicht handelt, übernimmt doch Verantwortung." Der Bundespräsident sagte, es sollte "heute für Deutschland und seine Verbündeten selbstverständlich sein, Hilfe anderen nicht einfach zu versagen, wenn Menschenrechtsverletzungen in Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit münden". Das Prinzip der staatlichen Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung dürften gewalttätige Regime nicht unantastbar machen.
Gauck sprach von "guten Zeiten für Deutschland" für eine Neuausrichtung der Außenpolitik. "Ihre wichtigste Errungenschaft ist, dass Deutschland mit Hilfe seiner Partner auf eine Vergangenheit aus Krieg und Dominanz eine Gegenwart, geprägt von Frieden und Kooperation, gebaut hat." Berlin werde als verlässlicher Partner wahrgenommen, aber auch als "Drückeberger in der Weltgemeinschaft". In diesem Kontext krisitierte die seit 24 Jahren andauernde Suche der Bundesregierung nach einer Rolle in der Welt. "Wer aber die kleinsten Schritte für die besten hält, wird kaum mithalten können mit dem rasanten Wandel der Bedrohungen und den Umwälzungen im strategischen Umfeld." Wohl ein Seitenhieb: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete ihr Handeln etwa in punkto Europas Zukunft als "Politik der kleinen Schritte".
Der Bundespräsident fragte: "Wird Deutschland also mehr Ärger bekommen, wenn es sich einmischt? (...) Als global vernetzte Volkswirtschaft kann Deutschland gar nicht anders, als Partner zu finden, Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu schließen." Kern der internationalen Politik sei künftig die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Auch militärisches Engagement
In seinem Plädoyer für eine stärkere Rolle Deutschlands auf der Weltbühne bezog Gauck ein militärisches Engagement ausdrücklich ein. "Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen", sagte er. "Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird - der Einsatz der Bundeswehr -, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip 'nein' noch reflexhaft 'ja' sagen."
Deutschland dürfe nicht Weltabgewandtheit und Bequemlichkeit hinter seiner historischen Schuld verstecken. "In den Worten des Historikers Heinrich August Winkler ist das eine Haltung, die Deutschland ein fragwürdiges "Recht auf Wegsehen" bescheinigt, "das andere westliche Demokratien nicht für sich in Anspruch nehmen" können", sagte Gauck. "So kann aus Zurückhaltung so etwas wie Selbstprivilegierung entstehen, und wenn das so ist, werde ich es immer kritisieren."
Fehlende Debatte in der Gesellschaft
Der Bundestag habe seit 1994 etwa 240 Mal über Auslandseinsätze der Bundeswehr beraten, aber "weniger als zehn Mal grundsätzlich über deutsche Außen- und Sicherheitspolitik diskutiert". Dieses Thema müsse in der Mitte der Gesellschaft diskutiert werden, nicht nur in elitären Zirkeln. "Dabei brauchen wir solche Debatten - im Bundestag und überall: in Kirchen und Gewerkschaften, bei der Bundeswehr, in den Parteien und Verbänden", sagte Gauck. An den Universitäten gebe es lediglich "eine Handvoll Lehrstühle für die Analyse deutscher Außenpolitik". Gauck regte an, die Sicherheitsforschung zu stärken.
Von der Leyen regt Kooperationen an
Die Argumente des Präsidenten griff Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf. "Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht." Denjenigen, die in Konflikten am meisten litten, müsse geholfen werden. Dazu regte die Ministerin eine verstärkte militärische Kooperation zwischen einzelnen Staaten der Europäischen Union an. Ziel seien auf der Grundlage eines sogenannten Rahmennationenkonzepts "Gruppen von Staaten, größere und kleinere, die sich freiwillig zusammenschließen", sagte von der Leyen. Unter der Koordination einer Rahmennation sollten diese dann etwa "an gemeinsamer Ausbildung und Übungen" arbeiten.
Auf der Sicherheitskonferenz beraten bis Sonntag mehr als 400 internationale Gäste, darunter 20 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außen- und Verteidigungsminister. Auf der Agenda für die Gespräche stehen auch die aktuellen Konflikte in Syrien und der Ukraine.