Berlin Kurfürstendamm. Rund um den Olivaer Platz hat sich gediegener Luxus breitgemacht. Hier gibt es Handtaschen für 3.000 Euro, Uhren für 30.000. Und die passenden Kunden. In den Boutiquen internationaler Designer-Labels sprechen die Verkäuferinnen Russisch. Die Petersburgerin Natalya - schwarze Nerzjacke, langer brauner Zopf - weiß das zu schätzen. Sie kommt mehrmals im Jahr zum Shoppen nach Berlin.
"Wir kaufen Kleider, Taschen und Schuhe. Die Preise sind niedrig, und die Bedienung ist nett. Das gefällt uns. Und Essen gehen ist auch billiger als in Paris oder Mailand!"
Ihr Begleiter nickt. Der Mittdreißiger versteckt das Gesicht hinter einer dunklen Sonnenbrille und hantiert mit gleich zwei Smartphones. In mein Mikrofon sprechen möchte er lieber nicht. Auf der Café-Terrasse nebenan warten zwei Touristen aus Moskau auf ihre Frauen. Sie sind gesprächiger. Denis meint:
"Das russische Volk ist bereit, sich mit vielem abzufinden, was die Regierung macht, so lange es sie nicht persönlich betrifft. Das weiß Putin genau. Deshalb wird die Regierung so handeln, dass es die Menschen so wenig wie möglich betrifft. Darum glaube ich nicht, dass sich Sanktionen auf uns auswirken."
Sein Freund Nikolai sieht die Lage ähnlich gelassen. Er hat die deutsche Diskussion über in den russischen Medien aufmerksam verfolgt.
"Die deutsche Wirtschaft hat schon gesagt, dass Sanktionen gegen Russland nicht vorteilhaft wären, weder für die Deutschen noch für die Russen, weil wir sehr enge wirtschaftliche Beziehungen haben, vielleicht verbieten sie ein paar Beamten, nach Europa zu reisen, aber auf die Wirtschaft wird das kaum Auswirkungen haben."
Lobbyisten schwenken auf Sanktions-Kurs um
Noch am Wochenende warnten Wirtschaftsverbände hierzulande lautstark vor Sanktionen. Die seien ein riskantes Spiel. Es drohten schwere Schäden für beide Seiten. Sogar von Enteignungen deutscher Unternehmen in Russland war die Rede. Inzwischen, so scheint es, sind immerhin einige Lobbyisten auf den Sanktions-Kurs der Politik eingeschwenkt. Tobias Baumann leitet das Referat Osteuropa und Zentralasien beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
"Wir können nicht immer nur darüber klagen, dass Wirtschaftssanktionen schädlich sind, militärische Aufmärsche sind noch schädlicher."
Schon jetzt bekommt die russische Wirtschaft die Auswirkungen zu spüren. Kapital wird abgezogen. Der Rubel ist geschwächt. Das verteuert die Importe. Die Diskussion über alternative Energie-Lieferbeziehungen hat schon begonnen. Künftig werde womöglich weniger Geld nach Russland fließen, prophezeit der Osteuropa-Experte des DIHK.
"Wir haben 20 Milliarden Kapitalstock dort an Investitionen, die werden nicht jetzt sofort abgezogen, das sind langfristige Investitionen. Die Frage ist: Wie verhält sich die deutsche Wirtschaft nach dem Konflikt? Werden wir weiter so viel investieren? Ein solcher Konflikt geht ja auch in die Risikobewertung von großen Unternehmen ein. Ich glaube, das wird der russischen Wirtschaft langfristig mehr schaden, als der europäischen."
Hochpreisige Immobilienbranche boomt
Dem Geschäft von Kate Lehmann scheint die Krise derzeit zu nützen. Die Berliner Immobilienmaklerin wurde im weißrussischen Minsk geboren und verkauft seit fünf Jahren Wohnungen an ausländische Investoren, vor allem an reiche Russen und Ukrainer.
"Seitdem wir diese Krise haben, es ist zwar sehr traurig, aber wahr, wir haben pro Tag 20 bis 30 Anfragen von Ukrainern, für den Kauf einer Immobilie in Deutschland, so viel Anfragen hatten wir noch nie!"
Gründe für den Boom gibt es viele: Angst vor Inflation, der Wunsch nach einer sicheren Geldanlage. Jetzt auch noch die unsichere politische Lage. Gekauft werden die Wohnungen direkt am Telefon.
"Das heißt, unsere Kunden kommen nicht mal nach Deutschland, wir bekommen Vollmachten erstellt und vertreten unsere Kunden bei der Kaufabwicklung, das ist unser Job im Prinzip."
Mit zehn Mitarbeitern versorgt Kate Lehmann von der Berliner Friedrichstraße aus vermögende Russen mit Immobilien. Womit die Anrufer das Geld verdienen, das sie bei ihr ausgeben, fragt sie nicht.
"Unsere Kunden sind halt Kunden, die ganz oben sind, die sehr viel Geld nach Deutschland bringen und investieren, als Kapitalanleger und als Selbstnutzer."
Einfache Touristen machen sich Sorgen
Zehn bis 20 Objekte wechseln pro Monat den Besitzer. Die meisten in Leipzig und Berlin. Dass sich daran etwas ändern könnte, falls jetzt ein paar Konten gesperrt werden? Unwahrscheinlich!
"Diese Kunden… das ist alles so verlinkt, vernetzt. Die Russen. Ich sage immer: Die Russen finden immer wieder den Weg. Also, ich sehe für uns als Immobilienmakler keine wirtschaftlichen Verluste in dieser Situation. Ich empfinde die Situation als Glück im Unglück, wenn man das so sagen kann. Die einen leiden, die anderen profitieren davon."
Am Ende sind es die einfachen Touristen aus Putins Reich, die sich noch die größten Sorgen über europäische Sanktionen machen.
"Natürlich wäre das sehr traurig. Reisen heißt den Horizont erweitern. Wenn das nicht mehr geht, ist es natürlich eine Einschränkung."
"Wenn unsere Regierung bestimmte Schritte unternimmt, heißt das nicht, dass alle Russen diese Schritte unterstützen. Und wir wollen nicht, dass sich Sanktionen auf uns normale Touristen auswirken, die einfach nur verreisen und etwas Schönes erleben wollen."