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Deutsche Umwelthilfe zum Diesel-Gipfel
"Die Bundeskanzlerin ist die Schutzheilige der Automobilindustrie"

Der jüngste Diesel-Gipfel hat nach Ansicht des Geschäftsführers der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, keine Maßnahmen gebracht, die kurzfristig für sauberere Luft in deutschen Städten sorgen könnten. Die Gerichte könnten nun gar nicht anders, als Fahrverbote zu verhängen, sagte Resch im Dlf. Daran sei auch die Kanzlerin schuld.

Jürgen Resch im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, auf einer Pressekonferenz in Berlin.
    Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (Imago / Stefan Zeitz)
    Sandra Schulz: Über diesen jüngsten Diesel-Gipfel habe ich mit Jürgen Resch gesprochen, dem Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die ja in rund 20 Städten per Klage Fahrverbote erzwingen will. Als erstes habe ich ihn gefragt, warum er trotz Milliarden-Programms von einem gescheiterten Gipfel spricht.
    Jürgen Resch: Der heutige Diesel-Gipfel war der dritte und auch dieses Mal sind die konkreten Maßnahmen ausgeblieben, die geeignet sind, dass kurzfristig die Luft in den deutschen Städten so sauber wird, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Und das ist schon ein bisschen erstaunlich. Dreimal trifft sich die Bundeskanzlerin beziehungsweise das halbe Kabinett mit der Autoindustrie, mit den Kommunen. Und was kommt heraus? Ein Programm für digitale Verkehrsinfrastruktur, was den Verkehrsfluss flüssiger machen soll, eine Nachrüstförderung für vielleicht 10.000 Busse, was nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, und Elektromobilitätsförderung - wo doch Elektrobusse noch auf Jahre fehlen. Die Maßnahmen, die tatsächlich jetzt geeignet wären, die packt man nicht an, um der Autoindustrie nicht wehzutun.
    Schulz: Aber wenn Sie jetzt sagen, das sei nach wie vor alles überhaupt nicht konkret – es ist ja so, dass ab morgen die Kommunen wirklich diese Anträge auch stellen können und es auch losläuft. Das ist doch konkret.
    Resch: Ja, sie können Anträge jetzt stellen. Aber ausgezahlt wird vieles erst im nächsten Jahr und die Maßnahmen wirken einfach nicht auf die Luftqualität in den nächsten ein, zwei Jahren. Nehmen Sie zum Beispiel digitale Anzeigen für Bushaltestellen oder ein Parkmanagement in den Städten. Das führt doch nicht dazu, dass die Autos, die damit geleitet werden, oder die Busse, die angezeigt werden, sauberer werden. Das heißt, Maßnahmen, die im Jahr 2018, wie es die Gerichte fordern, wirken, die bleiben weitestgehend aus. Hier könnte man allenfalls die 150 Millionen Euro werten, die für die Nachrüstung der Busse ausgegeben werden.
    "Es bringt nicht ausreichend Verbesserung"
    !Schulz:!! Die Busse, damit meinen Sie den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Der Ausbau von Radwegen, der ist ja auch geplant. Wieso ist es für Sie so klar, dass das alles nichts bringen wird?
    Resch: Es bringt nicht ausreichend Verbesserung. Die Gerichte sagen, dass spätestens zum 1. Januar 2018, bezogen auf den Jahresmittelwert, die Stickstoffdioxid-Belastung in den Städten unter die 40 Mikrogramm heruntergehen muss. Die Maßnahmen, die jetzt mit Software-Updates oder der Umweltprämie für Neufahrzeuge beschlossen wurden, verbunden jetzt mit der Festlegung, wie die eine Milliarde ausgegeben werden soll, werden vielleicht bei Städten, die knapp über dem Grenzwert liegen, einen Effekt haben. Bei den allermeisten, bei über 60 Städten, bei den stark belasteten, bringt es fast gar nichts. Das heißt, hier wird das Gericht oder werden die entsprechenden zuständigen Gerichte gar nicht anders können, als Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zu verfügen. Das wollte aber eigentlich die Bundeskanzlerin vermeiden. Sie hat vor drei Monaten versprochen, den Städten Mittel zur Verfügung zu stellen, kurzfristig wirksame Maßnahmen, die vor der Gerichtsentscheidung in Leipzig deutlich machen, dass die Werte dann kurzfristig eingehalten werden, dafür Mittel zur Verfügung zu stellen; und das kommt jetzt nicht.
    Schulz: Die rechtliche Wertung, das haben Sie ja gerade gesagt, die wird vom Bundesverwaltungsgericht kommen. Ende Februar wird die erwartet. Wenn wir jetzt noch mal darauf schauen, worum es geht bei diesen Fahrverboten: Damit würden Diesel-Besitzer bestraft. Es wird teilweise ja auch das Szenario gezeichnet, dass es ganz erhebliche Einschnitte ins öffentliche Leben geben könnte, weil Müllfahrzeuge, weil Lastwagen für Lieferanten nicht fahren können, und das, um zu erreichen, dass ein paar Dutzend Stickoxid-Schwerpunkte entschärft werden. Ist denn das verhältnismäßig?
    Resch: Erst mal: Wir haben diese Probleme überall dort, wo ein hohes Verkehrsaufkommen ist. Die Verhältnismäßigkeit ist schon allein deswegen gegeben, weil viermal mehr Menschen in Deutschland an den Folgen des Diesel-Abgases Stickstoff-Dioxid sterben als an Verkehrsunfällen. Und haben Sie mal keine Sorge: Für die Fahrzeuge, die zur Ver- und Entsorgung der Städte benötigt werden, für diese Fahrzeuge wird man Regelungen treffen. Ich hoffe vor allen Dingen Nachrüstregelungen. Wir haben auch bei der Einführung der roten, der gelben und der grünen Umweltplakette exakt das Gleiche gehabt. Da wurden jeweils Millionen von Fahrzeugen ausgesperrt. Wir haben als Deutsche Umwelthilfe diese Einführung der Umweltzone für die Feinstaubwerte begleitet und wir haben eigentlich immer gesehen, dass man vernünftige pragmatische Wege gefunden hat, dass der Handel, dass das Handwerk auch weiter einfahren kann. Wir müssen jetzt nur sehen, dass mit vielen Ausnahmen dann der Druck auf die Privat-PKW deutlich zunimmt, oder dann auch generelle Verkehrssperrungen notwendig sind. Die Gerichte bis hoch zum Europäischen Gerichtshof jedenfalls sagen, der Gesundheitsschutz geht vor und die aktuelle Situation ist so dramatisch bei Stickstoff-Dioxid, dass gar nicht anders gehandelt werden kann als jetzt über Fahrverbote.
    "Die Kanzlerin ist nicht bereit, der Industrie kostenfreie Nachrüstung aufzuerlegen"
    Schulz: Aber was sagen Sie dem Pendler, was sagen Sie dem Besitzer von Diesel-Fahrzeugen, die vielleicht, wenn wir das Beispiel Stuttgart nehmen, wo die Immobilienpreise ja ganz erheblich sind, auch auf das Pendeln angewiesen sind. Die vielleicht nicht das nötige Kleingeld haben, sich jetzt ein neues sauberes Auto zu kaufen? Was sagen Sie da, Pech gehabt?
    Resch: Nein! Ganz und gar nicht! Wir möchten gerade diesen Menschen helfen. Wir kämpfen dafür, dass diese Fahrzeuge, die verkauft wurden mit dem Versprechen, sauber und klimafreundlich zu sein, auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden und damit die Grenzwerte einhalten und von den Fahrverboten befreit werden. Immer mehr Politiker, jetzt auch heute einige Bürgermeister haben das im Gespräch mit der Kanzlerin gefordert. Nur: Die Bundeskanzlerin ist die Schutzheilige der Automobilindustrie. Sie ist nicht bereit, der Industrie aufzuerlegen, dass diese Nachrüstung kostenfrei für die Autohalter kurzfristig erfolgt.
    Aber noch eine zweite Antwort: Wir kämpfen ja dafür, dass wir diese Krise um die Luftqualität auch nutzen, um die Stadt lebenswert zu machen, um die kollektiven Verkehre in der Stadt zu stärken. Deswegen: Diese eine Milliarde ist immerhin ein Signal, dass die Bundesregierung verstanden hat, dass in den letzten Jahren zu wenig für die lebenswerte Stadt und für die Mobilität in der Stadt unternommen wurde. Wir brauchen sehr viel mehr Mittel, um die Busflotten zu verstärken, um S-Bahnen, um Straßenbahnen zu erneuern, um mehr Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, die kollektiv unterwegs sind, und wir müssen den Individualverkehr in den Städten eher zurückdrängen.
    Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit einer Vorstandsvorsitzenden eines ÖPNV-Betriebes. Die sagte mir: 25 Jahre lang wurde der ÖPNV und meine Betriebe als Problemfall angesehen. Jetzt sind wir zum allerersten Mal Problemlöser. Das möchte ich und erhoffe ich mir für die nächsten Monate und Jahre: dass wir eine wirklich kreative Diskussion in Deutschland bekommen über die Frage, wie wir nun in Zukunft lebenswerte saubere Städte bekommen und den Menschen eine Alternative bieten zu dem Nutzen des Autos.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.