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Deutscher Kulturrat
"Ich wünsche mir ein Bundeskulturministerium"

Ein Bundeskulturministerium könne der nächsten Regierung helfen, glaubt der Präsident des Deutschen Kulturrates, Christian Höppner. Kultur spiele eine zentrale Rolle bei der Aufgabe, "den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wieder zu befördern", sagte Höppner im DLF. Deshalb müsse sie auch im Bundeskabinett entsprechend vertreten sein.

Christian Höppner im Gespräch mit Michael Köhler |
    The Translantic Trade and Investment Partnership GER, Berlin, 20150521, Prof. Christian Höppner, Präsident des deutschen Kulturrats, bei der Veranstaltung des Deutschen Kulturrats , Podiumsdiskussion, Kultur braucht kein TTIP! Oder doch? The Translantic Trade and Investment Partnership ger Berlin 20150521 Prof Christian Höppner President the German at the Event the German Panel discussion Culture needs no TTIP Or but
    "Die Künstlersozialversicherung ist essenzieller Bestandteil für den Bestand unserer kulturellen Vielfalt": Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, im Interview mit dem Deutschlandfunk. (imago stock&people)
    Michael Köhler: Die Haushaltsdebatte im Bunddestag nutzt die Opposition traditionell für eine Abrechnung mit der Bundesregierung. Uns interessiert insbesondere der Kulturteil daran. Die Opposition kritisiert etwa den Umgang mit dem Einheitsdenkmal, das erst beschlossen war, dann aus Kostenexplosionsgründen abgesagt wurde. Kulturstaatsministerin Grütters konnte Erfolge vorweisen. Seit Amtsantritt der Regierung Merkel 2005 sei der Kulturetat um mehr als die Hälfte gestiegen. In den letzten neun Jahren ist der Bundeskulturetat um eine halbe Milliarde Euro gestiegen. Auch im Vergleich zum Vorjahr hat er noch mal deutlich zugelegt. Mit Anpassung an Kostensteigerungen ist das nicht zu erklären. Es spiegelt auch das zunehmende Kultur-Engagement der Bundesregierung wieder, beispielsweise durch die Gründung eines Zentrums Kulturgutverluste. Ich habe Christian Höppner, den Präsidenten des Deutschen Kulturrates, gefragt, angesichts von so viel Kultur-Engagement des Bundes müssten sie doch glücklich sein, oder?
    Christian Höppner: Ich freue mich, dass hier im Zusammenspiel von Bundesregierung und Parlament noch mal deutlich geworden ist, welche zentrale Bedeutung Kultur hat auch für die Bundespolitik. Das müssen wir aber natürlich auch noch mal dann runterdeklinieren auf die Frage, wie können wir die Länder und vor allen Dingen die Kommunen ertüchtigen.
    Köhler: Nun lassen Sie uns versuchen, das ein bisschen zu problematisieren. Es ist einiges geschehen: Kulturgutschutzgesetz, Filmfördergesetz, auch wenn es Kritik daran gibt. Im Einzelnen müssen wir das nicht ausfalten. Aber es gibt so ein paar Baustellen; ich nenne mal Urhebervertragsrecht, ich nenne auch: Immer wieder mal wird gekratzt an der Künstlersozialversicherung von den gesetzlichen Krankenkassen oder von interessierten Arbeitgeberkreisen oder Ähnlichem. Wo sehen Sie Korrekturbedarf, wo sehen Sie Veränderungen?
    "Verbesserung bei der Künstlersozialversicherung"
    Höppner: Die Künstlersozialversicherung ist wirklich essenzieller Bestandteil nicht nur in der sozialen Absicherung, sondern letztendlich auch für den Bestand unserer kulturellen Vielfalt. Insofern ist es richtig und wichtig, dass wir jetzt da noch mal eine Verbesserung haben. Wir müssen sehen, dass wirklich alle, die abgabepflichtig sind, auch zahlen. Dadurch entsteht nämlich dann auch Abgabegerechtigkeit. Im kommenden Jahr wird der Abgabesatz ja auch sinken, wovon wieder etliche Unternehmen profitieren. Das ist, glaube ich, in der ganz praktischen konkreten politischen Arbeit, aber auch in der Bewusstseinsbildung wichtig, dass wir die Vorteile, die für alle entstehen durch die KSK, dass wir die noch stärker hervorheben.
    Köhler: Denn das ist ja ein immer noch wachsender Erwerbszweig der Freiberufler, die künstlerischen Berufe. Wenn ich mir die Zahlen der Verwertungsgesellschaft Wort nur mal angucke, oder auch anderer Verbände, die gehen ja seit Jahren rauf. Wir sind eine Kreativindustriegesellschaft, auch wenn das ein unmögliches Wort ist. Wie sehen Sie das, die soziale Absicherung? Denn das Gros derjenigen, die da unterwegs sind, ist ja teilweise an der Grenze der Selbstausbeutung unterwegs.
    Höppner: Ich würde sogar sagen, nicht nur an der Grenze, sondern auch schon darüber hinaus. Hier haben wir in der Tat ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass der Wert kreativen Schaffens sich nicht in angemessenen sozialen Rahmenbedingungen wiederfindet.
    Köhler: Sie sind selber Musiker, Cellist und Dirigent, Präsident des Musikrates und des Kulturrates. Ich würde gerne zum Abschluss, weil wir angefangen haben mit der Bundeskulturpolitik, die ja doch signalsetzend ist, denn ich sehe gegenwärtig doch große Probleme in den Kommunen der unterschiedlichsten Art. Da sind die Ensemble-Reduzierungen, da sind die Fusionswünsche, da sind die Krisen um die Theater, da ist der Sanierungsstau und Ähnliches. Ich sehe ein Klima einerseits der, wie soll ich sagen, nicht Kulturfeindlichkeit, aber doch, dass das eine oder andere in Frage gestellt wird. Andererseits auf der großen Bühne, auf der Bundesbühne eine Zunahme der Bedeutung auch der auswärtigen Kulturpolitik. Wie schätzen Sie das ein?
    Höppner: Absolut wichtiger Punkt. Der Bund hat seine Hausaufgaben mehr als erledigt, würde ich sagen, für den Bereich Kultur. Aber das Verhältnis von Bund und Ländern und wie Bund Länder und Kommunen tatsächlich ertüchtigen kann, ihre Aufgaben auch wahrzunehmen, hier, finde ich, muss mehr Mut her zu sagen, die Mittel, die der Bund gibt für Aufgaben auf Länderebene, müssen auch eine Bindungswirkung entfalten, was zum Beispiel bei Matching Grant Modellen durchaus gehen würde.
    "In fast allen Ressorts steckt Kultur drin"
    Köhler: Wenn Sie einen Wunsch äußern dürften. Damals haben wir uns gewundert, und waren erstaunt, als Gerhard Schröder einen Kulturstaatsminister aus dem Hut zauberte; das ist nun bald 20 Jahre her. Würden Sie sich noch mehr wünschen, ein eigenes Kulturministerium auf ganz eigenen Beinen? Oder reicht Ihnen das so, wie es gegenwärtig ist?
    Höppner: Es wäre jetzt nicht richtig, zu meckern über den gegenwärtigen Zustand, weil ich finde, das Team Merkel/Grütters hat gut funktioniert. Aber es ist doch sehr personenabhängig. Ich würde mir schon wünschen, dass die nächste Bundesregierung ein Bundeskulturministerium plant, weil das dann auch noch mal andere Querschnittsmöglichkeiten gibt mit den anderen Ministerien. Denn ich meine, die Gründung der Initiative kulturelle Integration durch die Bundesregierung und die moderierende Begleitung durch den Deutschen Kulturrat zeigt ja einmal mehr, dass fast überall in den Ressorts Kultur drinsteckt. Und dass hier von den Herausforderungen demographischer Wandel, aber auch soziodemographischer Wandel und auch unter dem Stichwort gesellschaftlicher Zusammenhalt - was beileibe nicht nur die Geflüchteten betrifft -, immense Aufgaben vor uns liegen, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wieder zu befördern. Und da spielt Kultur eine ganz zentrale Rolle und muss auch, sagen wir, im protokollarischen Sinne im Bundeskabinett entsprechend vertreten sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.