Hoffmann forderte, dass die Spitzensatzbesteuerung nicht erst bei 250.000 Euro jährlichem Bruttoeinkommen greife, sondern schon bei 125.000 Euro für Einzelpersonen. "Wer starke Schultern hat, muss an der Finanzierung des staatlichen Gemeinwohls stärker beteiligt werden", sagte Hoffmann. Mittlere und geringe Einkommen sollten dagegen entlastet werden.
Er habe sich mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 mit Vertretern von CDU und SPD getroffen. "Dass wir mehr soziale Gerechtigkeit brauchen, um den Zusammenhalt in Deutschland und Europa zu stärken, ist beiden Parteien klar", sagte Hoffmann. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordere auch in der Rentenpolitik einen klaren Kurswechsel. "Wir brauchen ein stabiles gesetzliches Rentennivau", sagte Hoffmann. Dieses wolle er auf Dauer auf 50 Prozent anheben. "Das sieht die CDU anders, die SPD geht in die gleiche Richtung", sagte er.
"Rechtspopulisten in die Schranken weisen"
Der DGB werde sich die Wahlprogramme genau ansehen und aufs Kleingedruckte achten, denn der soziale Zusammenhalt stehe auf dem Spiel. Nur mit einem Kurswechsel könne man Rechtspopulisten und Nationalisten in die Schranken weisen. "Daran werden wir alle Parteien messen."
Den Haushaltsüberschuss des Bundes von sechs Milliarden Euro würde Hoffmann für Investitionen nutzen. "Schulen müssen zu Leuchttürmen werden, nicht Banken und Versicherungen", sagte er. Auch der soziale Wohnungsbau und die Verkehrsinfrastruktur müssten gestärkt werden. "Da macht Sparen wenig Sinn."
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Tobias Armbrüster: Was bringt dieses Wahljahr? Was werden die entscheidenden Themen sein und in welche Richtung steuert Deutschland in den kommenden Monaten? Die Parteien in Berlin haben über solche Fragen in den vergangenen Tagen bei mehreren Klausursitzungen beraten. Genau beobachtet werden solche Treffen und Zusammenkünfte natürlich immer von den Gewerkschaften, denn die wollen wissen, genau wissen, ob ihre Interessen auch in Wahlkampfzeiten angemessen berücksichtigt werden.
- Am Telefon ist jetzt Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Schönen guten Morgen.
Reiner Hoffmann: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Hoffmann, Sie waren in den letzten Tagen sowohl bei der SPD als auch bei der CDU zu Gast, bei beiden Klausurtagungen. Wo hat es Ihnen denn besser gefallen?
Hoffmann: Beide Parteien haben sich natürlich darauf eingestellt, dass die Themen für die bevorstehenden Bundestagswahlen auch für die Gewerkschaften von großer Relevanz sind. Man merkt schon den einen oder anderen Unterschied, aber dass wir mehr soziale Gerechtigkeit brauchen, dass wir den Zusammenhalt in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt stärken müssen, ist beiden Parteien klar. Unterschiede gibt es, wie man solche Ziele erreichen will, beispielsweise in der Steuerpolitik, in der Rentenpolitik. Hier fordert der DGB einen ganz klaren Kurswechsel. Wir brauchen eine Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus. Wir müssen in einem nächsten Schritt das Rentenniveau auf etwa 50 Prozent anheben. Das sieht die CDU deutlich anders. Die SPD geht in die gleiche Richtung. Und wenn es beispielsweise um mehr soziale Gerechtigkeit geht, dann muss auch mit dem Unfug aufgehört werden, dass bei der gesetzlichen Krankenversicherung endlich wieder die Parität hergestellt wird. Man kann die Arbeitnehmer nicht einseitig an den wachsenden Kosten beteiligen. Oder aber auch in der Steuerpolitik müssen wir eine deutliche Umkehr haben. Mittlere und geringere Einkommen müssen deutlich entlastet werden und die, die starke Schultern haben, also Spitzenverdiener, müssen dann auch an der Finanzierung des staatlichen Gemeinwohls stärker beteiligt werden.
Armbrüster: Herr Hoffmann, können wir das dann so kurz zusammenfassen und sagen, der DGB-Chef rät den Gewerkschaftsmitgliedern in Deutschland, wählt bei der Bundestagswahl nicht die CDU, sondern die SPD?
Hoffmann: Nein, das müssen die Wähler und auch die Gewerkschaftsmitglieder natürlich für sich entscheiden. Was wir machen als Einheitsgewerkschaft ist, dass wir uns die Wahlprogramme, die ja jetzt in den nächsten Wochen entstehen werden, sehr genau anschauen, welche Rezepte, welche Antworten sind darin enthalten. Wir werden auch aufs Kleingedruckte achten. Und dann müssen sich die Kolleginnen und Kollegen ein eigenes Bild machen. Was uns ganz wichtig ist, dass wir in der aktuellen Situation den Rechtspopulismus, den Rechtsnationalismus deutlich in die Schranken verweisen. Es wird ja nicht nur in Deutschland gewählt, in den Niederlanden, in Frankreich. Und da haben wir schon gewisse Sorgen, wenn es hier nicht zu einem vernünftigen Kurswechsel auch in Europa kommt, dass der Zusammenhalt der Europäischen Union, aber auch der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft auf dem Spiel steht. Deshalb sagen wir ganz klar, da müssen wir jetzt umsteuern. Wir brauchen einen Politikwechsel und daran werden wir alle Parteien messen.
Armbrüster: Auf den Populismus können wir gleich noch mal zu sprechen kommen, Herr Hoffmann. Ich wollte nur noch mal gerade bei diesen Inhalten, bei den Parteien bleiben. Sie haben das Rentenrecht angesprochen. Renten stabilisieren, haben Sie gesagt, die Steuern. Von dem, was ich da bei Ihnen gehört habe, fühlen Sie sich ja doch als Gewerkschafter bei der SPD deutlich besser aufgehoben als bei der CDU. Kann man dann nicht etwa so was sagen wie, für die Gewerkschaften ist die SPD nach wie vor die bessere Partei?
Hoffmann: Wir haben natürlich traditionell enge Bindungen mit der SPD und programmatisch gibt es da große Schnittstellen. Aber auch die Bundeskanzlerin hat ja deutlich erkannt, dass wir eine Reform der sozialen Marktwirtschaft brauchen. Darum ging es am Wochenende, als wir gemeinsam diskutiert haben, auch mit dem Spitzenvertreter der BDI, Herrn Kempf. Die Frage wird sein, gelingt es, die Glaubwürdigkeit, die ja doch unter die Räder gekommen ist bei allen Parteien, diese Glaubwürdigkeit wiederherzustellen mit vernünftigen politischen Antworten auf die Spaltung in der Gesellschaft. Gegen jegliche Form von Protektionismus, Kleinstaaterei und vor allen Dingen rechten Populisten. Das wird die Messlatte sein, an der die Gewerkschaften die Parteien messen und beurteilen werden.
Armbrüster: Dann will ich gleich noch mal eine ganz konkrete Frage in den Raum stellen, die auch seit Tagen diskutiert wird. Wenn der Bundesfinanzminister einen Überschuss von sechs Milliarden Euro verzeichnet, brauchen wir dann Steuersenkungen in Deutschland?
"Nicht dogmatisch an der schwarzen Null festhalten"
Hoffmann: Wir brauchen wesentlich mehr als sechs Milliarden. Auf jeden Fall macht es wenig Sinn, diese sechs Milliarden jetzt zur Schuldentilgung zu verwenden. Es macht auch wenig Sinn, quasi dogmatisch an der schwarzen Null festzuhalten. Selbst der Internationale Währungsfonds oder die OECD raten gerade Deutschland, mehr zu investieren. Wir haben riesige Investitionsbedarfe, wenn wir uns den Zustand unserer Schulen anschauen. Schulen müssen endlich wieder zu Leuchttürmen in dieser Republik werden, nicht Banken und Versicherungen. Wir brauchen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, in die zum Teil marode Verkehrsinfrastruktur. Da macht Sparen überhaupt keinen Sinn. Wir sind natürlich uns darüber bewusst, dass das, was in Deutschland gemacht wird, auch erhebliche Auswirkungen haben wird für Europa. Wenn Deutschland mehr investiert, werden wir auch mehr importieren können. Damit bringen wir auch die Schieflage, die es bei den Handelsbeziehungen gibt, ein bisschen wieder in die Wage und helfen den südeuropäischen Ländern, insbesondere aus der Krise herauszukommen. Sparen ist nicht die Antwort, sondern investieren in die Zukunft. Wir brauchen ein ambitioniertes Zukunftsinvestitionsprogramm in Deutschland und in Europa.
Armbrüster: Jetzt hören wir von der politischen Linken immer wieder, dass es echte Veränderungen eigentlich nur geben kann, wenn sich die Politiker endlich an die Vermögen in Deutschland heranwagen, sprich wenn sie die Vermögenden deutlich höher besteuern. Und wir kriegen da heute diese aktuelle Oxfam-Studie aus Großbritannien, der zufolge die acht superreichsten Menschen auf der Welt mehr besitzen oder in etwa genauso viel besitzen wie die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit. Ein ähnlicher Trend lässt sich hier in Deutschland feststellen, da sind es 36 Milliardäre, die so viel haben an Besitz wie die arme Hälfte der Bevölkerung. Ist da nicht was dran, dass an dieser Schieflage etwas geändert werden muss. Und ist da nicht eigentlich eine eher noch deutlich auftretendere Partei wie Die Linke Ihr idealer politischer Partner?
Hoffmann: Zunächst, glaube ich, ist es richtig, dass die Menschen im Lande ein feines Gespür haben für das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich. In Deutschland besitzen zehn Prozent über 60 Prozent des Vermögens. Wer reich ist, wird immer reicher, und wer arm ist, bleibt arm. An diesem Trend muss dringend was gemacht werden. Das hat auch der Deutsche Gewerkschaftsbund in seinen steuerpolitischen Anforderungen an die Bundestagsparteien ganz deutlich gemacht. Und das bedeutet ganz konkret, dass wir die Vermögenssteuer wieder einführen müssen, dass wir bei der Einkommenssteuer die Gutverdienenden, die Superreichen stärker zur Kasse bitten müssen, damit sie sich an der Finanzierung des Gemeinwesens daran beteiligen.
Armbrüster: Ab welchem Einkommen ist denn jemand superreich in Deutschland?
Hoffmann: Da kann man drüber streiten. Wir sagen sehr konkret, dass die Spitzensatzbesteuerung nicht erst bei 250.000 Euro im Jahr beginnen soll, sondern wir halten es für vertretbar, dass Menschen mit einem Einkommen über 125.000 jährlich, 250.000 als Familie, dann auch stärker zur Kasse gebeten werden müssen zur Finanzierung gesellschaftlich wichtiger Aufgaben.
Armbrüster: Reiner Hoffmann war das, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, live hier bei uns heute in den "Informationen am Morgen". Vielen Dank, Herr Hoffmann, für Ihre Zeit an diesem Montagmorgen.
Hoffmann: Ich danke Ihnen, Herr Armbrüster. Auf Wiederhören!
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