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Die AfD im Bundestag
Provokation als Strategie

Seit sieben Monaten gehört die Alternative für Deutschland nun dem Deutschen Bundestag an. Die Atmosphäre im Parlament hat sich seit dem Einzug der AfD verändert. Doch welche Themen bringen die 90 AfD-Mandatsträger auf die Tagesordnung - und wie gehen die anderen Fraktionen mit ihnen um?

Von Voker Finthammer |
    Eine Stellwand der neuen Bundestagsfraktion der AfD steht am 26.09.2017 anlässlich der ersten Fraktionssitzung der Bundestagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Deutschen Bundestag in Berlin.
    Anträge, Zwischenfragen, Beschwerden: der ganz normale Bundestagsalltag - aber seit dem Einzug der AfD haben Lautstärke und Konfrontationen zugenommen (dpa / Bermd vpn Jutrczenka)
    Berlin, 24. September 2017. Die Wahllokale sind geschlossen und die Hochrechnungen zeigen, dass die AFD mit 12,6 Prozent der Stimmen und über 90 Mandaten erstmals in den Deutschen Bundestag einziehen wird. Großer Jubel auf der Wahlparty am Berliner Alexanderplatz und entschlossen die Worte, die folgen.
    "Da wir ja nur offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung, die gebildet wird, sie kann sich warm anziehen. Wie werden sie jagen."
    Sagt Alexander Gauland, heute Partei- und Fraktionschef, damals noch gewählter Spitzenkandidat der AfD. Die Strategie der Partei ist Provokation. Sie ist gegen Flüchtlinge, gegen Migration, gegen Islam, gegen europäische Integration, gegen das sogenannte politische Establishment.
    Meist vollständig im Plenum
    Inzwischen sind sieben Monate vergangen und der 19. Bundestag hat 29 Sitzungstage hinter sich gebracht und über 32 Anträge der AfD behandelt. Über drei wurde sogar namentlich abgestimmt. 179 kleine Anfragen hat die Fraktion mittlerweile gestellt und Gauland brüstet sich:
    "Nur unsere Stärke, nur unsere Wahlerfolge garantieren überhaupt, dass diese Bundesregierung sich - wenn auch in Millimeter Schritten - mal in eine richtige Richtung bewegt. Und deswegen kann ich nur sagen: Wir sind wirkliche Opposition in diesem Parlament."
    Auch seine Kollegin, die Co-Vorsitzende Alice Weidel, zieht nach den ersten Monaten eine positive Bilanz.
    "Wir haben uns ja schon in den ersten Wochen hervorragend aufgestellt. Und wir haben im parlamentarischen Betrieb wichtige Anträge und auch Gesetzesänderungsanträge gestellt, die eben unser Programm abbilden."
    Auffällig ist von Anfang an die große Präsenz der AfD im Plenum. Während von den anderen Fraktionen meist nur die vorgesehenen Redner und die Zahl von Abgeordneten, die für mögliche Abstimmung notwendig sind, im Plenarsaal erschienen, sitzen die Mandatsträger der AfD meist vollständig in den eigenen Reihen und sorgen bei Debatten für ein Bild der Geschlossenheit.
    Einmal haben sie dadurch die anderen Fraktionen mit einem Antrag zur Beschlussfähigkeit des Parlaments sogar vorgeführt. Diese ist nämlich nur dann gegeben, wenn mindestens die Hälfte aller Abgeordneten tatsächlich anwesend ist. Das war am Abend des 18. Januar nicht der Fall. Aber für die 92-köpfige AfD-Fraktion war das nur die Retourkutsche dafür, dass die anderen sie bei Anträgen und Personalentscheidungen immer wieder einmal ins Leere laufen lassen. Etwa bei der Wahl des stellvertretenden Parlamentspräsidenten.
    "Mit Nein haben gestimmt 545, Enthaltungen 26. Der Abgeordnete Glaser hat damit nicht die erforderliche Mehrheit erhalten."
    Vorsitz in drei wichtigen Ausschüssen
    Die Kandidatur von Albrecht Glaser war wegen dessen islamkritischer Äußerungen bereits im ersten Wahlgang abgelehnt worden. Und daran sollte sich auch im dritten Wahlgang nichts ändern. Der Ältestenrat des Bundestages lehnte im Januar eine weitere Kandidatur von Albrecht Glaser ab. Die AfD hält bislang aber an ihren Kandidaten fest und will vorerst keinen neuen benennen.
    "So leicht geben wir jetzt Kandidaten ja nicht auf. Gegen Herrn Glaser ist nichts zu sagen. Er hat den Islam insoweit problematisiert, als es eben auch einen politischen Islam gibt, der mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist. Und wenn sie jetzt sehen, dass der Bundesinnenminister ausruft in die Republik, der Islam gehört nicht zu Deutschland, dann greift er genau dieses Thema auf, läuft uns hinterher", sagt Bernd Baumann, der erste parlamentarische Geschäftsführer der AfD. "Herr Glaser denkt wie wir", lautet die von Fraktionschef Gauland ausgegebene Devise und noch ist nicht klar, ob die Fraktion möglicherweise noch juristische Schritte gegen Glasers Nichtwahl unternehmen wird.
    Stephan Brandner (AfD), Vorsitzender des Rechtsausschusses, spricht am 02.03.2018 während einer Sitzung des Deutschen Bundestages im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zu einer Debatte über die Verankerung von Deutsch als Landessprache im Grundgesetz.
    Der Vorsitzende des Rechtsausschusses der AfD, Stephan Brandner (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    "Das ist der Fraktion vorbehalten und das werden wir intern diskutieren. Das heißt natürlich nicht, dass wir es nicht schon diskutiert haben und weiter diskutieren. Ansonsten hätten wir ja schon einen Vorschlag gemacht", sagt Alice Weidel. Auch der Kandidat für das parlamentarische Kontrollgremium, Roman Reusch, fiel im ersten Wahlgang durch und wurde erst in einem zweiten Wahlgang akzeptiert. So gut wie keine Widerstände von CDU/CSU, SPD, Grünen und der Linkspartei gab es dagegen bei der Wahl der drei Ausschussvorsitzenden. Als drittstärkste Fraktion steht der AfD der Vorsitz in wichtigen Ausschüssen zu: Peter Boehringer leitet den Haushalts-, den Rechts- und Sebastian Münzenmaier den Tourismusausschuss. Bernd Baumann:
    "Das war ja nicht von vorneherein selbstverständlich. Es stand ja zu erwarten - wie wir das mit Herrn Glaser gesehen haben mit der Vizepräsidentschaft -, dass nicht die Dinge so schnell durchgehen, sondern dass die anderer Fraktionen immer versuchen, uns ein bisschen zu hemmen und aufzuhalten. Aber das haben wir jetzt geschafft und da sind wir froh drüber."
    Ziel: Die anderen Parteien vorführen
    Im Plenum sucht die Alternative für Deutschland von Anfang an die Konfrontation. Keine Sitzungswoche ohne den Versuch, die Regierungskoalition möglichst vorzuführen.
    Etwa beim Antrag, den umstrittenen Familiennachzug für Flüchtlinge mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht mit sofortiger Wirkung zu streichen. Oder beim Antrag, durch umfassende Grenzkontrollen sofort einen vollständigen und effektiven Schutz der deutschen Grenzen zu gewährleisten. Für ihre Anträge findet die AfD keine Mehrheit im Bundestag. Darum gehe es auch gar nicht, sagt Fraktionschefin Weidel.
    "Das Ganze zeigt doch eins, es ist ein Offenbarungseid und damit führen wir natürlich auch die anderen Parteien vor, weil sie müssen sich immer positionieren. Und dann kann man eben nachher sagen, schaut, das habt ihr gemacht, das fordert ihr, aber ihr habt letztendlich nicht zugestimmt."
    Zum bewusst eingesetzten Debattenstil der AfD gehört auch, Redner der anderen Fraktionen durch Zwischenfragen auf ein völlig anderes Thema lenken zu wollen. Als Beispiel kann die Rede des jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor gelten, der sich mit dem AfD-Antrag auf das Verbot der Vollverschleierung befasste.
    Die AfD-Fraktion im Bundestag am 22. Januar 2018 mit den Vorsitzenden Alice Weigel und Alexander Gauland
    Die AfD-Fraktion im Bundestag ist meist vollständig anwesend - und bietet so ein Bild der Geschlossenheit (imago / Emmanuele Contini)
    "Es ist nicht nur so, dass Sie den Vorsitzenden des Rechtsausschusses stellen, sondern ein Viertel Ihrer Fraktion sind Juristen, diese Expertise findet sich in dem Antrag in keiner Weise wieder."
    "Herr Kollege, erlauben Sie möglicherweise eine Zwischenfrage oder Bemerkung von Kollegen Jan Nolte aus der AfD-Fraktion."
    "Aber sehr gern, Herr Nolte. Herzliche Einladung."
    "Herr Kollege, Sie reden hier viel über die Verfassung, war die Aufgabe der Grenzkontrollen durch die CDU verfassungskonform und war die Homo-Ehe verfassungskonform?"
    "Ja Herr Nolte, ich finde es schön, dass Sie diese Frage stellen. Ich empfehle Ihnen, zu sagen Ja, denn es gibt zu beiden noch kein gegenlaufendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Aber machen Sie sich mal eins klar: Hier jetzt so zu tun, wir wären die Rechtsbrecher, Sie haben noch nicht einmal das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes gelesen, wo drin steht, dass Ihr Entwurf hier verfassungswidrig ist."
    Reden werden auf Youtube vermarktet
    Nicht jeder reagiert so schlagfertig, wie der junge CDUler in diesem Fall. Deshalb lassen nicht wenige Abgeordnete schon gar keine Zwischenfragen mehr zu. Die AfD vermarktet dagegen die Parlamentsreden ihrer Mandatsträger ganz gezielt auf Youtube. Wohl um sicher zu gehen, dass die bei der eigenen Anhängerschaft auch ankommen.
    "Dr. Gottfried Curio hält im Bundestag eine glänzende Rede zum Fall Deniz Yücel", lautet etwa der Titel einer dieser Youtube-Videos. In seiner Antragsbegründung unterstellte Curio der Bundesregierung, dass sie den deutsch-türkischen Journalisten - gegenüber anderen Deutschen in türkischer Haft - bevorzugt behandelt habe. Er forderte den Bundestag ferner dazu auf, ältere Kolumnen des Journalisten öffentlich zu missbilligen.
    "Zu vermeiden ist der mögliche Eindruck, dass mit seiner ganz außerordentlichen Vorzugsbehandlung eine stille Billigung seiner wohlbekannten deutschlandfeindlichen Äußerungen einhergeht. Geboten erscheint deshalb, dass die Bundesregierung eine Missbilligung dieser Äußerungen ausspricht."
    In dieser Debatte ergriff Wolfgang Kubicki das Wort, nicht als Bundestagsvizepräsident, sondern als Abgeordneter der FDP. Auch er wurde sofort mit einer Zwischenfrage der AfD konfrontiert.
    "Wir lesen, dass die Bundesregierung den Fall Yücel sonderbehandelt haben soll."
    "Haben Sie richtig gelesen."
    "Ich komm gleich darauf zurück, Herr Brandner. Und das sei empörend. Aber statt die Bundesregierung dafür zu rügen - das wäre ja eine Maßnahme -, lenken Sie sofort ab auf den Betroffenen und erklären eigentlich, er sei es nicht wert, dass man sich um ihn gekümmert hätte. Und sie belegen das mit Zitaten aus Kolumnen des Jahres 2011 und 2012. Das alleine schon ist erbärmlich, weil wir erwarten könnten, dass Sie das mit neueren Zitaten machen würden."
    "Die Rede ist erbärmlich."
    "Gestatten Sie eine Frage oder Zwischenfrage?"
    "Bitte."
    "Geehrter Herr Kollege Kubicki, die Sonderbehandlung des Herrn Yücel ist die eine Sache. Aber etwas ganz anderes ist doch der Umstand, dass in diesem Hohen Hause es scheinbar nicht mehr möglich ist, Äußerungen, die direkt oder indirekt den Volkstod unseres Volkes verlangen, zu rügen."
    "Zunächst einmal Herr Kollege hat Sie niemand daran gehindert, hier ihre Reden zu halten und zu rügen, was sie für rügensfähig halten. Das muss man im Rahmen der Meinungsfreiheit auch ertragen, das schafft dieses Hohe Haus. Aber sie haben keinen Anspruch darauf, dass irgendein anderer Abgeordneter ihre Auffassung folgt. Das sieht die Verfassung nicht vor und das werden wir auch nicht tun."
    AfD beschwert sich häufig
    Die AfD teilt gerne aus, reagiert allerdings auf verbale Angriffe anderer Fraktionen schnell empfindlich. Ihr Geschäftsführer Bernd Baumann hat nach einer Rede von Cem Özdemir etwa angekündigt, diese offiziell zum Thema im Ältestenrat zu machen. Der Grüne hatte die AfD in einer emotionalen Rede heftig angegriffen.
    "Ich habe das Mikrofon und Gott sei Dank können Sie es mir nicht abstellen. Ich weiß, von dem Regime, von dem sie träumen, könnte man das Mikrofon abstellen, aber das kann man hier Gott sei Dank nicht. Und Sie werden es nicht schaffen, glauben Sie es mir. Sie wollen bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht. Das heißt, wie kann jemand, der Deutschland, der unsere gemeinsame Heimat so verachtet wie sie es tun, drüber bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht Deutscher ist. Ich sage Ihnen mal eines: Wenn Sie drüber bestimmen würden, das wäre ungefähr so wie wenn man Rassisten das Ausstiegstelefon für Neonazis geben würde."
    Alexander Gauland und Alice Weidel, umringt von Mikrofonen und Journalisten.
    Vorallem die eigenen Wähler erreichen: Alexander Gauland und Alice Weidel (picture alliance / Kay Nietfeld/dpa)
    Der Ältestenrat muss sich mittlerweile häufiger mit solchen Beschwerden der AfD auseinandersetzen. Und auch auf das Bundestagspräsidium kommt eine erhöhte Aufmerksamkeit zu, sagt Wolfgang Kubicki, der die Parlamentssitzungen regelmäßig leitet.
    "Immer dann, wenn die Beleidigungsgrenze überschritten wird, schreiten wir ein. Nur manchmal ist die Geschwindigkeit, in der andere Menschen etwas wahrnehmen und hören, nicht identisch mit dem, was die Protokollanten aufnehmen. Und entscheidend für uns ist immer, was steht im Protokoll. Wir haben uns darauf verständigt, und zwar einmütig, dass wir die Grenzüberschreitung nicht zulassen und wenn Beleidigungen, persönliche Beleidigungen im Raum stehen, gibt es Ordnungsrufe oder andere Maßnahmen. Aber wenn man erklärt, beispielsweise wie Herr Curio, der Doppelpass sei entartet, dann wissen wir genau, dass das eine Grenzüberschreitung sein kann, das aber immer noch im Bereich der Meinungsfreiheit ist. Das könne sie nicht rügen, obwohl es sinnvoller wäre, auf diese Form der Provokation zu verzichten."
    Ein Ordnungsruf und eine Rüge
    Die aktuelle Statistik des Bundestags weist bis Ende März nur jeweils einen Ordnungsruf, eine Rüge und eine sogenannte unparlamentarische Äußerung aus, die geahndet wurden. Das ist angesichts der neuen Lautstärke und Konfrontationen im Bundestag wenig, aber die vierjährige Legislaturperiode ist auch noch jung.
    Verglichen dazu ging es im 10. Deutschen Bundestag ungleich heftiger zu, wie die offizielle Statistik zeigt: Nachdem Helmut Kohl im Jahr 1983 zum Bundeskanzler gewählt worden war, verzeichneten die Protokolle in den folgenden vier Jahren insgesamt 226 Rügen, Ordnungsrufe und Ermahnungen. Der Grüne Cem Özdemir will seine Attacke auch nicht als Standard in der Auseinandersetzung mit der AfD verstanden wissen. Er betrachtet seine Rede eher als einen Weckruf.
    "Wir wollen uns dieses Deutschland nicht schlecht reden lassen von der AfD. Und auch nicht kaputt reden lassen von der AfD. Selbstverständlich haben wir in vielen Fragen tausende verschiedene Meinungen von CDU/CSU über FDP, Grüne, SPD, Linkspartei. Aber es gibt auch so was wie eine Selbstachtung dieser Republik. Und das sollte diese Rede zum Ausdruck bringen."
    Andere Parteien zur Geschlossenheit gezwungen
    Und für Klaus Ernst von der Linkspartei zeichnet sich ab, dass das Auftreten der AfD im Parlament, die anderen Fraktionen wieder näher zusammenbringen kann.
    "Das Positive ist natürlich, dass der Rest des Hauses über die Fraktionsgrenzen hinweg relativ eindeutig und klar Position bezieht, dann wenn es notwendig ist. Also, wenn das Anträge sind, wo man einfach sagen könnte, es ist einfach vollkommen neben der Spur, dann gibt es auch eine klare Haltung und klare Kante von allen anderen Parteien."
    Alexander Graf Lambsdorff von der FDP weist noch auf eine andere Beobachtung hin. Seine Fraktion sitzt im Plenarsaal unmittelbar neben den Abgeordneten der AfD.
    "Man sitzt dort neben diesen Menschen und dann gibt es eine Rede von einer Sozialdemokratin, einer Liberalen, das ist völlig egal, und es werden Rufe laut wie Vaterlandsverräter, wie Kriegstreiber, wie Lügner, Krimineller und so. Das läuft die ganze Zeit so ab, man hört das nicht immer in den Mikrofonen, aber wir hören das die ganze Zeit. Mit anderen Worten, vorne sitzen Gauland und Weidel und dahinter brodelt der Sumpf."
    Zwischenrufe, auslachen, sich über die Anderen lustig machen, lange klatschen, wenn die eigenen Fraktionskollegen sprechen - all das ist Alltag in einem Parlament. Von der AfD aber - und das ist nicht nur der Eindruck von Alexander Graf Lambsdorff - wird all das ganz gezielt benutzt, weil sie sich deutlich von den - in ihrem Sprachgebrauch - "etablierten" Parteien absetzen will.
    Inhaltlich wenig konstruktiv
    Etwas zurückhaltender fällt dagegen die Bewertung aus, wenn es um die Zusammenarbeit mit der AfD in den Ausschüssen geht.
    "Also, so wie ich das erlebe im Wirtschaftsausschuss sind die über weite Teile durchaus auch konstruktiv. Da ist es nicht so, dass sie auf Pöbeln aus sind, weil da kein Publikum dabei ist."
    Meint Klaus Ernst von der Linkspartei, wobei das seiner Meinung nach nicht für die Inhalte gelte, die von AfDlern vertreten werden.
    "Also, wenn zum Beispiel der Klimawandel vollkommen geleugnet wird. Da wird der Ausstieg aus der Atomkraft versucht, rückgängig zu machen. Also, da schüttelt man eigentlich nur noch den Kopf."
    Peter Boehringer (M, AfD), der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, kommt zur konstituierenden Sitzung des Gremiums im Deutschen Bundestag. 
    Peter Boehringer ist der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (dpa)
    Auch Eckhardt Rehberg von der CDU nennt das Auftreten der AfD im Haushaltsauschuss schwach. Geleitet wird das wichtige Gremium vom AfDler Peter Boehringer.
    "Verschwörungstheorien von Herrn Böhringer, Unkenntnis des Bundeshaushaltes und deswegen idiotische Vorschläge: Die Mehrwertsteuer um sieben Prozentpunkte runter zu setzen, den Soli auch gleich abzuschaffen. Da sind Steuermindereinnahmen für den Bundeshaushalt von 60 Milliarden in einem Jahr, da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Das zeigt einfach, dass man sich nicht mit den Dingen befasst hat. Und sie sind inhaltlich-konstruktiv keine Bereicherung des Parlaments."
    Was die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel naturgemäß ganz anders sieht.
    "Die Arbeit in den Ausschüssen ist elementar für uns. Wir haben ja auch den Vorsitz im Königsauschuss, im Haushaltsausschuss, beispielsweise errungen, wo auch wichtige Entscheidungen getroffen werden. Und da machen wir eben auch Sachpolitik, natürlich."
    Erfolgreich in den Sozialen Medien
    Weil ihre Parlamentsarbeit in den Medien - ihrer Meinung nach - aber nicht richtig gewürdigt werde, will die AfD-Bundestagsfraktion ab Mai mit einem eigenen Newsroom an den Start gehen. In dem neuen Medienzentrum sollen über 20 Mitarbeiter, darunter gestandene Journalisten, arbeiten.
    Mehr als doppelt so viele wie in den Pressestellen von CDU/CSU oder der SPD. Dazu hat Weidel vor Kurzem eigens mit Steve Bannon getroffen, dem ehemaligen Kampagnenmacher von Donald Trump.
    "Der Bannon, der hat eben auch geschafft durch seinen alternativen Medienkanal eben auch eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen: Und da kann man eben von Steve Bannon sehr viel lernen, auch die AfD."
    Und für deren zweiten Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun, der für das Medienzentrum zuständig sein wird, steht dessen Arbeitsschwerpunkt bereits fest. Zur Sprache bringen wolle man all die Themen, die in den etablierten Medien aus Sicht der AfD zu kurz kommen. Also die eigentlichen Themen der AfD: die Flüchtlingspolitik, sowie der Anti-EU und Anti-Eurokurs, um damit eine - Zitat - Gegenöffentlichkeit zu schaffen.
    Steve Bannon, der ehemalige Chefstratege von US-Präsident Trump, spricht bei einer Veranstaltung der Schweizer «Weltwoche».
    "Gegenöffentlichkeit schaffen" - das will die AfD von Steve Bannon lernen, dem ehemaligen Kampagnenmacher von Donald Trump. (dpa-Bildfunk / KEYSTONE / Ennio Leanza)
    "Wir sind ja jetzt schon auf Facebook die erfolgreichste Partei, obwohl wir gar nicht mal so groß sind. Aber wir legen auf diesem Feld weiter zu. Das heißt auch, dass in Bereich Social Media insbesondere Schichtdienst stattfindet, das wird jetzt nach und nach hochgefahren. Das ist insofern die klassische Öffentlichkeitsarbeit einer Bundestagsfraktion wie sie vorgesehen ist - nur mit modernen Mitteln."
    Für den Social Media-Experten Martin Fuchs kann diese Strategie der AfD längerfristig aufgehen, das habe man in Österreich schon erleben können. Die AfD-Bundestagsfraktion habe ihre Online-Präsenz von Anfang an forciert - weil man durch die Wahlkämpfe weiß, wie wichtig diese Kanäle sind. Mit rund 50.000 Facebook-Likes ist die AfD-Fraktion die zweitbeliebteste bei Facebook, nach den Linken. Dabei hätten die Abgeordneten einen ganz klaren Fokus, beobachtet Fuchs.
    "Ihr Ziel ist es, die eigenen Leute zu erreichen, also die Wähler, die sie zur Bundestagswahl erreicht haben. Die wollen sie bespielen, die wollen sie aktivieren, die wollen sie triggern, dass sie empört sind, weiter empört bleiben. Obwohl parlamentarisch viele Sachen gar nicht so laufen, wie sich die AfD sich das vorgestellt hat. Aber den Eindruck zu erwecken, wir tun hier extrem viel."
    Kein Thema ohne Bezug zur Migration
    Aber der Aufwand soll vielleicht auch verdecken helfen, dass die Debattenbeiträge der AfD inhaltlich oft nicht wirklich haltbar sind, sagt der Liberale Alexander Graf Lambsdorff.
    "Sie ist in einer Hinsicht professionell: Völlig unabhängig davon, welches Thema man gerade bespricht, nach ungefähr einer Minute ist sie beim Thema Migration. Sie dreht jeden Sachverhalt so, dass er einen Bezug zum Thema Migration bekommt, auch wenn das an den Haaren herbeigezogen ist. Aber die anderen Parteien und Fraktionen lassen sich das allerdings nicht bieten."
    Auch außerhalb des Parlaments ist das mittlerweile so. 18 Sozialverbände kritisierten am vergangenen Wochenende in einer Zeitungsanzeige eine kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten Nicole Höchst zu Schwerbehinderten in Deutschland. Denn neben allgemeine Fragen zur statistischen Entwicklung der Schwerbehinderungen in Deutschland wollte sie Auskunft von der Bundesregierung über mögliche Schwerbehinderungen durch Inzest, also Heirat innerhalb der Familie. Auch nach dem Anteil der Migranten wurde explizit gefragt.
    "Offensichtlich soll es auch darum gehen, zu suggerieren: es gibt diesen Zusammenhang von Inzucht und Migration, das soll hängen bleiben."
    Sagt Ulrich Schneider vom paritätischen Gesamtverband. Die Bundesregierung hat die Anfrage sehr nüchtern beantwortet: Mehr als 94 Prozent der Behinderten sind Deutsche und der Familienstand der Eltern wird statisch nicht behoben.
    Für Cem Özdemir von den Grünen ist dieser Fall nur ein Beispiel von vielen. Weitere Anfragen, weitere Anträge werden kommen, sagt er. Und die Stoßrichtung der AfD dürfte immer die gleiche bleiben: "Ich hätte die AfD nicht gebraucht für lebendige Debatten. Aber wenn der eine oder andere die AfD braucht, um aufzuwachen, da kann ich nur sagen: Guten Morgen."