Wird ein Buchautor bereits Wochen vor dem Erscheinen seines Werkes um Kommentare gebeten, freut ihn dies in aller Regel. Nicht so David Maraniss, der vor dem Publikationsdatum seiner Obamabiografie "The Story" entnervt zahlreiche Interviewwünsche ablehnte. Zu offensichtlich kreisten ihm diese Anfragen um saftige Buchdetails, die vorab publik geworden waren - wie Maraniss Enthüllung, dass der heutige US-Präsident als Schuljunge leidenschaftlicher Marihuana-Konsument war. Oder dass Obama einer Freundin in Studienjahren auf ihr Geständnis, sie liebe ihn, wenig bescheiden antwortete: "Thank you."
Denn derlei Details - obwohl meisterhaft recherchiert von Maraniss - machen nicht den Kern des 610-Seiten-Werkes aus. Maraniss, eine Washington Post-Reporterlegende, dessen preisgekrönte Biografie über Bill Clinton tiefe Einblicke in dessen komplizierte Psyche lieferte, geht es auch diesmal nicht um Klatsch, sondern um Wahrheit - gerade bei einem Menschen wie Obama, der von so vielen PR-Mythen umgeben ist. Maraniss erklärt auf CNN seinen Arbeitsansatz so:
"Es kursieren Mythen, die Barack Obama selbst über sich in seinen Memoiren geschaffen hat. Und dann existieren natürlich noch die Mythen, mit welchen seine Gegner ihn als unamerikanisch brandmarken wollen. Als Historiker aber ist mein Ziel schlicht, die Wahrheit zu suchen - ganz egal, was dabei herauskommt."
Wer könnte für so eine persönliche Spurensuche ein verlockenderes Ziel bieten als der 44. Präsident der USA, dessen politischer Aufstieg so eng mit seiner ungewöhnlichen Biografie verknüpft ist? Obama hat sich stets geschickt als einen selbstständigen Wanderer zwischen den Hautfarben und den Kulturen dargestellt, nicht zuletzt in seiner fast literarisch anmutenden Autobiografie. In Hunderten von Interviews hat Maraniss diese Selbststilisierung gründlich abgeklopft und resümiert:
Die Annahme, dass Obama sich ganz selbst erschaffen hat, trifft einfach nicht zu. Der Einfluss seiner Kindheit in Hawaii und Indonesien ist beim erwachsenen Obama deutlich zu spüren, etwa in seiner ungewöhnlichen Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit. (…) Teile seiner Persönlichkeit, wie seine Stimme und sein Selbstbewusstsein - beides für seinen politischen Aufstieg von nicht geringer Bedeutung - können zum Vater zurück verfolgt werden. Obamas Gesicht ähnelt dem seiner weißen Großmutter. (…) Obama ist am besten im Kontext seiner Familie und Umgebung zu verstehen.
Das Buch konzentriert sich daher auch nicht auf die politische Karriere Obamas, sondern auf seine Jugend- und Bildungsjahre - es endet mit Obamas Wechsel an Harvards Rechtsfakultät, wo sein wahrer Aufstieg beginnt. Maraniss schildert ausführlich Obamas komplizierte Abnabelung von einer romantisch-naiven Mutter und einem weitgehend abwesenden Vater. Er beschreibt in nie da gewesenem Detail die Selbstfindung des jungen Obamas, der als Student in New York Standardwerke über den Zorn amerikanischer Schwarzer verschlingt - doch sich allen Zweifeln zum Trotz bereits zu Großem berufen fühlt, wie pakistanische Kommilitonen berichten:
Laut Mahmood schilderte der junge Barack seine großen Ambitionen durchaus ernsthaft. Er verbarg diese Seite meistens, aber offenbarte sie manchmal(…) Mahmood und Obama kannten sich erst ein paar Monate, als Obama ihn auf einmal fragte: "Glaubst Du, ich werde einst Präsident der Vereinigten Staaten werden?
So gelingen Maraniss dank seiner gründlichen Recherchen von Kenia bis Hawaii ungewöhnliche Einblicke. Der Autor schreibt:
Ein zentrales Thema für Obama ist, sich nicht eingegrenzt zu fühlen - erst musste er sich von seiner ungewöhnlichen Familie lösen. Dann aus der Ferne Hawaiis und Indonesiens nach Hause finden. Und schließlich durfte er sich nicht in den Fallstricken des amerikanischen Rassismus verfangen.
Maraniss wird so seinem Ansatz gerecht, Mythen zu hinterfragen. Er weist etwa eindrucksvoll nach, wie wenig an den Vorwürfen rechter Verschwörungstheoretiker dran ist, Obama sei gar nicht in den USA geboren. Gleichzeitig unterminiert er aber auch Obamas eigenen Mythos, sein Leben sei vor allem durch seine Hautfarbe geprägt worden. Ein wenig bedeutendes, aber bezeichnendes Beispiel: Obama schrieb, er sei aus dem Basketballteam seiner Schule geflogen, weil der weiße Trainer mit seiner schwarzen Spielweise nichts habe anfangen können. Der Rechercheur hingegen ermittelt: Obama spielte schlicht zu schlecht. Maraniss feine Charakterstudie hat in den USA viele begeisterte Leser und Käufer gefunden. Doch mitten im Wahlkampf offenbart die Rezeption auch, wie sehr Amerikas zerstrittene politische Lager an ihren Mythen festhalten. Obamas Anhänger jubeln, Marannis offenbare die Nachdenklichkeit und Menschlichkeit des Präsidenten. Rechte Gegner frohlocken hingegen, dessen Buch enthülle einen Karrieristen und Egoisten. Und konservative Webseiten verlinken weiter genüsslich auf pikante Stellen wie den Drogenkonsum des Präsidenten. Wem es aber als Leser statt um Mythen aber um Einblicke geht, ist mit Maraniss Werk bestens bedient.
David Marannis:
Barack Obama. The Story Simon and Schuster, 672 Sweeten, 19,95 Euro
ISBN: 978-1-439-16040-4
Denn derlei Details - obwohl meisterhaft recherchiert von Maraniss - machen nicht den Kern des 610-Seiten-Werkes aus. Maraniss, eine Washington Post-Reporterlegende, dessen preisgekrönte Biografie über Bill Clinton tiefe Einblicke in dessen komplizierte Psyche lieferte, geht es auch diesmal nicht um Klatsch, sondern um Wahrheit - gerade bei einem Menschen wie Obama, der von so vielen PR-Mythen umgeben ist. Maraniss erklärt auf CNN seinen Arbeitsansatz so:
"Es kursieren Mythen, die Barack Obama selbst über sich in seinen Memoiren geschaffen hat. Und dann existieren natürlich noch die Mythen, mit welchen seine Gegner ihn als unamerikanisch brandmarken wollen. Als Historiker aber ist mein Ziel schlicht, die Wahrheit zu suchen - ganz egal, was dabei herauskommt."
Wer könnte für so eine persönliche Spurensuche ein verlockenderes Ziel bieten als der 44. Präsident der USA, dessen politischer Aufstieg so eng mit seiner ungewöhnlichen Biografie verknüpft ist? Obama hat sich stets geschickt als einen selbstständigen Wanderer zwischen den Hautfarben und den Kulturen dargestellt, nicht zuletzt in seiner fast literarisch anmutenden Autobiografie. In Hunderten von Interviews hat Maraniss diese Selbststilisierung gründlich abgeklopft und resümiert:
Die Annahme, dass Obama sich ganz selbst erschaffen hat, trifft einfach nicht zu. Der Einfluss seiner Kindheit in Hawaii und Indonesien ist beim erwachsenen Obama deutlich zu spüren, etwa in seiner ungewöhnlichen Gelassenheit und Anpassungsfähigkeit. (…) Teile seiner Persönlichkeit, wie seine Stimme und sein Selbstbewusstsein - beides für seinen politischen Aufstieg von nicht geringer Bedeutung - können zum Vater zurück verfolgt werden. Obamas Gesicht ähnelt dem seiner weißen Großmutter. (…) Obama ist am besten im Kontext seiner Familie und Umgebung zu verstehen.
Das Buch konzentriert sich daher auch nicht auf die politische Karriere Obamas, sondern auf seine Jugend- und Bildungsjahre - es endet mit Obamas Wechsel an Harvards Rechtsfakultät, wo sein wahrer Aufstieg beginnt. Maraniss schildert ausführlich Obamas komplizierte Abnabelung von einer romantisch-naiven Mutter und einem weitgehend abwesenden Vater. Er beschreibt in nie da gewesenem Detail die Selbstfindung des jungen Obamas, der als Student in New York Standardwerke über den Zorn amerikanischer Schwarzer verschlingt - doch sich allen Zweifeln zum Trotz bereits zu Großem berufen fühlt, wie pakistanische Kommilitonen berichten:
Laut Mahmood schilderte der junge Barack seine großen Ambitionen durchaus ernsthaft. Er verbarg diese Seite meistens, aber offenbarte sie manchmal(…) Mahmood und Obama kannten sich erst ein paar Monate, als Obama ihn auf einmal fragte: "Glaubst Du, ich werde einst Präsident der Vereinigten Staaten werden?
So gelingen Maraniss dank seiner gründlichen Recherchen von Kenia bis Hawaii ungewöhnliche Einblicke. Der Autor schreibt:
Ein zentrales Thema für Obama ist, sich nicht eingegrenzt zu fühlen - erst musste er sich von seiner ungewöhnlichen Familie lösen. Dann aus der Ferne Hawaiis und Indonesiens nach Hause finden. Und schließlich durfte er sich nicht in den Fallstricken des amerikanischen Rassismus verfangen.
Maraniss wird so seinem Ansatz gerecht, Mythen zu hinterfragen. Er weist etwa eindrucksvoll nach, wie wenig an den Vorwürfen rechter Verschwörungstheoretiker dran ist, Obama sei gar nicht in den USA geboren. Gleichzeitig unterminiert er aber auch Obamas eigenen Mythos, sein Leben sei vor allem durch seine Hautfarbe geprägt worden. Ein wenig bedeutendes, aber bezeichnendes Beispiel: Obama schrieb, er sei aus dem Basketballteam seiner Schule geflogen, weil der weiße Trainer mit seiner schwarzen Spielweise nichts habe anfangen können. Der Rechercheur hingegen ermittelt: Obama spielte schlicht zu schlecht. Maraniss feine Charakterstudie hat in den USA viele begeisterte Leser und Käufer gefunden. Doch mitten im Wahlkampf offenbart die Rezeption auch, wie sehr Amerikas zerstrittene politische Lager an ihren Mythen festhalten. Obamas Anhänger jubeln, Marannis offenbare die Nachdenklichkeit und Menschlichkeit des Präsidenten. Rechte Gegner frohlocken hingegen, dessen Buch enthülle einen Karrieristen und Egoisten. Und konservative Webseiten verlinken weiter genüsslich auf pikante Stellen wie den Drogenkonsum des Präsidenten. Wem es aber als Leser statt um Mythen aber um Einblicke geht, ist mit Maraniss Werk bestens bedient.
David Marannis:
Barack Obama. The Story Simon and Schuster, 672 Sweeten, 19,95 Euro
ISBN: 978-1-439-16040-4