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"Die Anstalt"
Premiere einer Nachfolgekabarettsendung

Nach gut 28 Jahren nahm das ZDF 2007 mit "Neues aus der Anstalt" wieder ein Kabarettformat ins Programm. Im Oktober 2013 war dann Schluss. Der nun gestartete Nachfolger heißt nur noch "Die Anstalt". An Bissigkeit hat er allerdings nichts eingebüßt.

von Achim Hahn |
    Max Uthoff in der Rolle des Urban Priol, mit bekannt buntem Outfit und wirrer Haarpracht als dilettantisch applizierte Perücke, und Claus von Wagner als Georg Schramms Bühnenalterego Dombrowski
    Verbeugung vor den Vorgängern: Max Uthoff (l.) und Claus von Wagner (ZDF)
    "Sagen Sie mal - Herr von Wagner. Wir brechen in ein Fernsehstudio ein. Entdeckt zu werden ist der Grund, warum wir hier sind". "Herr Uthoff (Geräusch) Oh! Was kost eigentlich so'ne Marx-Büste? - Gott wir sind zwei Minuten hier und Sie haben Karl Marx vom Sockel gestoßen. Herzlichen Glückwunsch. Daran arbeitet die FAZ seit 50 Jahren." - "Wie heißt der Spruch? Das Alte stürzt, es ändern sich die Zeiten. Oder muss es heißen: die Alte stürzt?"
    Der Einstieg in die Sendung. Wortwörtlich in Szene gesetzt. Noch bleibt alles im Dunkeln. Doch dann geht das Licht an. Der erste Coup der Neuen: Max Uthoff in der Rolle des Urban Priol, mit bekannt buntem Outfit und wirrer Haarpracht als dilettantisch applizierte Perücke, und Claus von Wagner als Georg Schramms Bühnenalterego Dombrowski - der mit der kriegsversehrten Lederhand. Eine ironische Hommage an die Erstbesetzung von "Neues aus der Anstalt" zu Beginn der Neubesetzung dieses Sendeplatzes.
    "(Schramm-Parodie) Sie Sprüche-Klopfer. Hohle Phrasen in den Wind gesprochen. Sympathisch, aber nutzlos. Das macht Sie zum Peter Altmaier des deutschen Kabaretts. – Wir sind drin. Unser Plan hat perfekt funktioniert. – Ach perfekt! Der Pförtner hat zu Ihnen gesagt: Herr Pelzig."
    Mal betont revolutionär, mal schräg karnevalesk
    Das war schon rasantes Kabaretttheater, was Max Uthoff und Claus von Wagner da gestern zusammen mit ihren Gästen präsentierten. Verspielt und kritisch zugleich, anspielungsreich und manchmal auch zynisch.
    "Meine Herren! Das ZDF fragt, wer Sie eigentlich sind." - "Sagen Sie Ihnen, wir machen den Laden wieder flott. Sagen Sie: Wir sind der ADAC - schlechtes Beispiel."
    Die neue Anstalt mit dem depressiv-kabarettistischen Nico Semsrott als Praktikant, dem cholerischen Matthias Egersdörfer im Pelzig-Outfit und Simone Solga als Quoten-Ossi-Frau. Das Personal einer turbulent inszenierten Show. Mal betont revolutionär dargeboten im Bekennervideo der
    "Front Demokratischer Partisanen. - Kurz FD - besser lang lassen."
    Oder schräg karnevalesk als Village-People-Parodie, die die Homophobie in Russland und auch in Baden-Württemberg aufs Korn nimmt:
    "Wenn’s gegen Putin geht, dann machen alle auf Widerstand. Aber wo ist unser Song für Baden-Württemberg?"
    Die Herren Uthoff und von Wagner boten Grundsätzliches: Kapitalismuskritik gepaart mit einer Kritik der lethargischen Zuschau-Lust.
    "Na sehen Sie’s. Das Volk interessiert sich nicht mal für seine eigene Unterdrückung." - "Ist ja auch kein Volk, das ist Publikum." - "Wo ist da der Unterschied?" - "24 Euro Eintritt."
    Frech, kritisch - fast schon übervoll
    "Die Anstalt" - das war aber auch selbstkritisches Medienkabarett mit politischen Ambitionen, die sich allerdings manchmal in Andeutungen erschöpften zugunsten der ausufernden Spielfreude.
    "Meine Damen und Herren, wir unterbrechen diese Besatzung aus aktuellem Anlass. Im Internet formuliert sich Unmut und der Wunsch nach mehr Qualität im deutschen Fernsehen. Wir nehmen diese Forderung sehr Ernst, können sie aber leider nicht erfüllen. Sorry. Deswegen geht’s jetzt weiter mit Unterhaltung."
    Bissig wurde es zum Beispiel, als es gegen die neuen Interventionsideale der Bundesverteidigungsministerin ging oder gegen zweifelhafte Geschäfte der Deutschen Bank.
    Alles in allem ein ziemlich abwechslungsreicher, witziger und fast schon übervoller Abend. Durchkomponiert bis ins Detail. Frech, kritisch, engagiert. Von der pessimistischen Powerpointpräsentation bis zur erregten Maschinenstürmerei. Bleibt zu hoffen, dass sie das durchhalten und sich keiner die Simone Solga zum Vorbild nimmt. Die sagte nämlich:
    "Ich kuck kein Fernsehen mehr."
    Vielleicht sollte man ja folgende Fernsehvision ernst nehmen:
    "Die Deutsche Bank ins Dschungelcamp - das wollte ich noch. Stellen Sie sich das doch mal vor: der ganze Vorstand im Dschungel und dann - Müssen sie ekelerregende Prüfungen machen. – Jaja. – Sich im Dschungel sozial engagieren. - Jaaa! - Guten Naabend!"