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Die Genossenschaft
Bürgerschaftliches Engagement soll leichter werden

Die Genossenschaftsidee - Mitte des 19. Jahrhunderts als Nothilfe und soziale Reformbewegung entstanden, ist von der UNESCO als "immaterielles Weltkulturerbe" geadelt worden. Um bürgerschaftliches Engagement zu forcieren, soll eine Gesetzesnovelle die Hürden für Genossenschaftsgründungen senken. Nicht alle sind begeistert.

Von Anke Petermann |
    Das Raiffeisen-Begegnungszentrum in Weyerbusch (Rheinland-Pfalz), aufgenommen am 16.10.2013. Friedrich Wilhelm Raiffeisen ist einer der berühmtesten Westerwälder.
    Das Raiffeisen-Begegnungszentrum im rheinland-pfälzischen Weyerbusch. Genossenschaften-Mitgründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen ist einer der berühmtesten Westerwälder. (dpa picture alliance / Christian Schultz)
    22 Millionen Deutsche sind Teilhaber von über 8000 Genossenschaftsunternehmen. Seit der gesetzlichen Erleichterung von 2006 reichen drei Personen, um eine Genossenschaft zu gründen.
    "Ganz nah dran zu sein, das finde ich das Schöne."
    Auch die Mainzer Thomas Hahner und Lena Weissweiler haben das getan. Die beiden Unternehmer – sie Design, er Software - führen nicht ihre eigene Firma genossenschaftlich, sondern haben sich mit vier Unternehmen und 30 Einzelpersonen zur Genossenschaft "Synthro" zusammengeschlossen.
    Von der Ich-AG zur Wir-e.G.
    Im Namen stecken die Begriffe Synergie, gemeinschaftlicher Nutzen. Und Anthropologie: die Wissenschaft vom Menschen als selbstbestimmtem Individuum. Die Genossenschaft ist für innovationshungrige Städter viel mehr als ein Instrument zur gemeinschaftlichen Nothilfe. Als Solches hatten Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch die Genossenschaft nach dem europäischen Hungerwinter von 1846/47 aus der Taufe gehoben. Ihr Motiv, eine neue Genossenschaft mit zu gründen, war, so die Mainzer Design-Unternehmerin Lena Weissweiler, "hier was zu gestalten, was aufzubauen, was es so auch in der Form noch nicht gibt", nämlich Unternehmergeist im Austausch zwischen jungen und etablierten kreativen, sozialen oder technischen Talenten gewissermaßen zu vervielfältigen.
    Genossenschaft ist "immaterielles Weltkulturerbe"
    Dass die UNESCO die Genossenschaftsidee soeben als Weltkulturerbe adelte, finden die Gründer fantastisch, es gibt ihnen zusätzlich Rückenwind. In einem neuen Quartier auf einem alten Bahngelände hinter dem Mainzer Hauptbahnhof ist eine moderne, lichtdurchflutete Arbeitswelt in sanierten Backstein-Güterhallen entstanden.
    Staatsministerin Maria Böhmer überreichte am 11. Mai 2017 in Berlin die UNESCO-Urkunde zur Auszeichnung der "Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Interessen in Genossenschaften" als Immaterielles Kulturerbe an die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft und die Deutsche Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft.
    Die Genossenschaftsidee gehört jetzt zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO. (RAIFFEISEN 2018 Organisationsbüro)
    Vor anderthalb Jahren zog Thomas Hahner mit seiner Softwarefirma ins Obergeschoss – da war die einstige Warenannahme der Bahn noch Baustelle. Inzwischen gibt es im Untergeschoss ein kurzfristig buchbares Raumangebot für 50 flexibel Arbeitende, vom Einzelschreibtisch bis zum Mini-Büro, mit Seminar- und Konferenzräumen und der Genossenschafts-Wohn-Küche in der Mitte. Um sich im sogenannten "Co-Working M1" einzumieten, muss man kein Genosse sein und keinen 500-Euro-Anteil erwerben, stellt Hahner klar.
    "Worauf wir ziemlich stolz sind, ist, dass wir innerhalb eines Jahres es geschafft haben, in schwarze Zahlen zu kommen. Das heißt, Büros sind vermietet, Veranstaltungen sind gebucht und die Co-Worker sind alle da. Und wir haben Internet, und wir haben Kaffee und Wasser, das ist alles, was wir brauchen."
    Weitere Ideen sprießen
    Damit wie von selbst immer neue Ideen entstehen, zum Beispiel: Könnte man die Firma, die gemeinsam mit Flüchtlingen Streetfood kocht und vermarktet, zum Catering-Unternehmen ausbauen? Oder jemand sagt:
    "Ich find', wir bräuchten so 'n Foto-Studio, was man sich stundenweise mieten kann. Und dann hat der also angestoßen, hier ein Crowd-Funding zu machen, mit dem Ziel, von dem Geld ein Foto-Studio einrichten zu können. Einfach diese Plattform, wo Sachen entstehen können, das finde ich das Schöne."
    Inspiration für kreative Start-ups und etablierte Gründer
    Als sie vor zehn Jahren ihre Design-Firma im WG-Zimmer gründete, fehlte Lena Weissweiler genau das: buchbare Räume für Kundenbesuche. Und das Angebot, Buchhaltung und IT-Services auszulagern. Thomas Hahner hat damit sein etabliertes Software-Unternehmen auf die Kerndisziplin reduziert.
    "Wir haben nur noch Entwickler und wir haben Verkaufs-Mitarbeiter. Wir haben keine Verwaltung mehr und keine Buchhaltung, sondern wir nutzen die Infrastruktur der Genossenschaft und bezahlen an die Genossenschaft für die Leistung, die sie uns zur Verfügung stellt, und etablieren dadurch einen Standard, der mittlerweile auch von zwei anderen Unternehmen genutzt werden kann. Das heißt, ich profitiere dadurch, dass ich sehr, sehr flexibel geworden bin."
    Das Kernteam der Synthro eG im neuen Coworking M1 am Mainzer Hauptbahnhof. Von links nach rechts: Florian Hupf, Felix Blum, Lena Weissweiler, Thomas Hahner.
    Mitglieder der Genossenschaft "Synthro" in Mainz. (Synthro eG, Stephan Franz Ferdinand Dinges)
    In Vorleistung ging sein Unternehmen, indem es - wie bei Synthro für Firmen vorgeschrieben – zehn Genossenschaftsanteile für insgesamt 5.000 Euro erwarb. Mit Hilfe einer Genossenschaftsbank schulterten die Gründer das Risiko, einer Bahn-Tochter 5.000 Euro Monatsmiete für den Büro-Komplex zu überweisen, ohne zu wissen, wann die Räume ausgebucht sein würden. Für die 34 Genossenschafter hat sich der Wagemut ausgezahlt.
    Genossenschafts-Konzepte werden genau geprüft
    Das Unternehmenskonzept musste dem Genossenschaftsverband in Neu-Isenburg bei Frankfurt am Main vorgelegt werden, erzählt Thomas Hahner.
    "Das ist eigentlich eine ganz tolle Infrastruktur, die da zur Verfügung steht: Die haben Rechtsanwälte, Steuerberater, die das Geschäftsmodell prüfen. Und erst, wenn die gesagt haben, das ist ein tragfähiges Konstrukt, dann kann ich zum Notar laufen und mich eintragen lassen."
    Prüfungen müssen aber bezahlt werden
    Dass Genossenschaften kaum je pleitegehen, schreibt der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband dieser genauen Gründungsprüfung als Schlusspunkt einer detaillierten, individuellen Begutachtung zu. Dazu kommen weitere regelmäßige Pflichtprüfungen samt Feedback. Keine Schikane, sondern ein hilfreiches Dienstleistungspaket, das allerdings bezahlt werden muss. 1.000, 2.000 Euro - für Kleinstgenossenschaften schwer zu stemmen, selbst wenn solch ein Service ohne solidarische Finanzierung aus den Mitgliedsbeiträgen aller Genossenschaften noch weit teurer wäre.
    2015 ergab eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums:
    "Der allergrößte Teil der Genossenschaften ist mit dieser Rechtsform und mit der Arbeit des Prüfungsverbandes sehr zufrieden", so Cornelia Wustmann, Vorstandschefin des Fachprüfungsverbands von Produktionsgenossenschaften in Mitteldeutschland. "Aber für sehr kleine Genossenschaften ist die wirtschaftliche Belastung zum Teil schon erheblich."
    Und damit hinderlich, wenn sich Bürger – dem Gedanken solidarischer Selbsthilfe der Genossenschaftsväter Raiffeisen und Schulze-Delitzsch folgend - in solidarischer Selbsthilfe zusammenschließen, um Dorfläden, Hallenbäder, Kitas und altersgerechte Wohnprojekte zu erhalten oder neu aufzuziehen.
    Große Koalition will bürgerschaftliche Initiativen erleichtern
    Solche "unternehmerischen Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement" zu erleichtern, versprachen Union und SPD 2013 im Koalitionsvertrag. Wohl nicht ganz uneigennützig. Denn die Bürger federn mit ihrem Engagement vor allem auf dem Land den Strukturwandel ab, beobachtet Cornelia Wustmann.
    Büste von Hermann Schulze-Delitzsch
    Büste von Hermann Schulze-Delitzsch. (Felicitas Boeselager)
    "Wenn man sich so die Gründungen der letzten Zeit ansieht, dann geht es da um Gründungen in Regionen, wo sich der Staat schon zurückgezogen hat. Die Lücke ist ja schon entstanden, in die dann diese Genossenschaftsgründungen gegangen sind."
    Im Harz-Dorf Deersheim, Teil der sachsen-anhaltinischen Stadt Osterwieck, hinterließ die Privatwirtschaft eine Lücke. 2012 machte die örtliche Kaufhalle dicht, zwei Jahre später beschlossen die 800 Einwohner mehrheitlich, einen Dorfladen in genossenschaftlicher Trägerschaft zu gründen. Entstanden ist Ende vergangenen Jahres ein Dorfzentrum, erzählt Cornelia Wustmann:
    Haftungsbeschränkung gibt Sicherheit
    "Wo sich Einwohner treffen können, wo sie nicht nur einkaufen können, wo auch ein Café hin soll, ein Friseur. In diesem speziellen Fall nutzt die Genossenschaft ein denkmalgeschütztes Gebäude, was sie selbst ausgebaut hat. Da handelt es sich doch um ein hohes wirtschaftliches Volumen, wozu man auch Fördermittel braucht oder auch Bankkredite."
    Für solch eine bürgerschaftliche Initiative eignet sich die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft gut, findet Wustmann.
    "Weil sie eine Haftungsbeschränkung für die Mitglieder zur Folge hat und weil die Mitglieder durch die genossenschaftliche Pflichtprüfung geschützt werden."
    Einlagen von je 50 Euro haben 125 Deersheimer gezeichnet, viele gleich mehrere. Ihr Kapital ist sicher. Fördermittel und Spenden werden bestimmungsgemäß verwendet, darauf können sich Genossenschafter und Sponsoren - ob staatliche oder private - dank Pflichtprüfung verlassen. Doch der hohe Aufwand der Begutachtungsprozesse schreckt kleinere bürgerschaftliche Initiativen von der Genossenschaftsgründung ab. Mit einem Gesetzentwurf will die große Koalition Hürden für die erwünschten Projekte aus dem Weg räumen. Kleinstgenossenschaften soll ein Teil des Aufwandes erspart werden.
    Erleichterungen für kleine Genossenschaften
    "Dafür soll ja die Novelle des Genossenschaftsgesetzes Erleichterungen schaffen, indem zum Beispiel der Prüfungsumfang für die sehr kleinen Genossenschaften deutlich reduziert wird, ohne dass dabei die Schutzfunktion für die Mitglieder vollkommen aufgegeben wird."
    Bei den Kleinstgenossenschaften hält Wustmann für vertretbar, alle vier Jahre eine vereinfachte Prüfung durchzuführen. Doch dass die Novelle außerdem die Größengrenzen für die Pflichtprüfung des Jahresabschlusses weiter anheben will, findet die Chefin des Fachprüfungsverbands mit Sitz in Halle an der Saale nicht in Ordnung. Auch der Bundesrat meldet in seiner Stellungnahme zur Sachverständigen-Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags am kommenden Montag Bedenken an. Zitat:
    Das zeitgenössische Porträt zeigt Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), Begründer des deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens.
    Das zeitgenössische Porträt zeigt Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), Begründer des deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens. (picture alliance / dpa )
    "Die enge Begleitung des Prüfungsverbandes stellt insbesondere für kleinere und mittelgroße Genossenschaften betriebswirtschaftliches Know-how sicher. Dies gilt vor allem für Genossenschaften, die von ehrenamtlichen Vorständen geführt werden. Der bestehende Prüfungsturnus dient (…) der Insolvenzsicherheit dieser Unternehmungen und der Sicherung der Reputation der genossenschaftlichen Rechtsform. Jede Anhebung der Größenmerkmale schränkt den Schutz von Genossenschaftsmitgliedern, Gläubigern und der Allgemeinheit ein. Dies birgt nicht nur Risiken für die Reputation der Rechtsform, sondern schwächt auch die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung derartiger Genossenschaften."
    Vertrauensverlust? Etikettenschwindel?
    Thema ist ein möglicher Vertrauensverlust in die gesamte Rechtsform auch auf dem landwirtschaftlichen Unternehmertag der 15 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Sachsen-Anhalt.
    Die Agrargenossenschaft Weißenschirmbach hat 46 Teilhaber, 1.500 Hektar Fläche, 500 Kühe und 85.000 Hühner in einem Partnerbetrieb. Mit 26 Beschäftigten ist sie größter Arbeitgeber der ländlichen Region um Querfurt im Süden von Sachsen-Anhalt. Die anstehende Gesetzesänderung würde dieses Unternehmen nicht von der umfangreichen Prüfung des Jahresabschlusses befreien. Die weit weniger umsatzstarke Tochtergenossenschaft, die Abwärme von zwei Biogasanlagen für einen Querfurter Ortsteil nutzt, aber schon. Vorausgesetzt, der Regierungsentwurf würde unverändert verabschiedet, käme diese Wärmegenossenschaft alle vier Jahre mit einer Prüfung der Geschäftsführung aus. Doch der Vorstandschef der Agrargenossenschaft sieht darin alles andere als eine willkommene Vereinfachung. "Mit Blick auf den Jahresabschluss überlegen wir", sagt Norbert Münch am Rande des Magdeburger Unternehmertags, "wenn das dann so kommt, dass wir trotzdem die Prüfung freiwillig machen. Denn es sind 50 Genossen, die alle in anderen Wirtschaftsbereichen unterwegs sind, auf Montage sind oder Rentner sind. Und (um) denen am Jahresende darzulegen, wie wir mit ihrem Geld gewirtschaftet haben, ist das ein hervorragendes Instrument, von außen jemanden sagen zu lassen: 'Hier sind die Zahlen, hier ist alles in Ordnung.' Oder: 'hier ist ein Risiko, hier müsst ihr mal genauer hingucken. Ich finde, es ist ein hervorragendes Instrument, um den Genossen darzulegen, wie wir wirtschaften."
    Prüfsystem erhalten?
    Auch Jan Röder, Vorstand der Volksbank Halle an der Saale mit 28.000 Genossenschaftsmitgliedern, warnt davor, das Prüfsystem aufzuweichen:
    "Wer es nicht schafft, die Kriterien zu erfüllen, die wir bislang haben, sollte sich fragen, ob es Sinn macht, weiterhin wirtschaftlich aktiv zu sein. Denn der Schaden ist dann nicht nur bei den Genossen, der Genossenschaft unmittelbar, sondern auch bei den Geschäftspartnern, das zieht Kreise", meint der Genossenschaftsbanker, dem die regelmäßigen Pflichtprüfungen seiner Kreditnehmer ebenfalls Sicherheit geben. Gegenstand der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags ist Anfang kommenden Woche ein weiterer Vorschlag der Großen Koalition, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern.
    Der "wirtschaftliche Verein" – ein Ausweg?
    Gesetzlich erleichtert werden soll der Zugang zu einer anderen Rechtsform, in der sich die Genossenschaftsidee nach Meinung der Bundesregierung verwirklichen ließe: der sogenannte "wirtschaftliche Verein".
    "Beim wirtschaftlichen Verein geht es um noch kleinere Aktivitätsformen", erklärt Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Halle-Wittenberg, "wo der Gesetzgeber der Meinung ist, da benötigen wir nicht diese Absicherung durch eine Pflichtprüfung. Insofern ist das eine Abstufung, dass man gesagt hat: 'Alles, wo Genossenschaft drauf steht, ist eine Rechtsform mit einer Pflichtprüfung, also auch einer besonderen Qualitätskontrolle. Und wenn kleine Aktivitäten ohne das auskommen, dann soll auch nicht Genossenschaft drauf stehen.' Deswegen will man die Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins leichter zugänglich machen."
    Reform könnte zu Intransparenz führen
    Der Bundesrat bemängelt aber, dass in der Novelle Prüfungs- und Offenlegungspflichten für den wirtschaftlichen Verein fehlen, und verlangt gesetzliche Vorschriften. Zitat aus der Stellungnahme:
    "Gleiches betrifft Regelungen zum Schutz von Vereinsmitgliedern, die dem wirtschaftlichen Verein Vermögenswerte anvertrauen. Dies gilt umso mehr, als der Gründungsvorgang eines wirtschaftlichen Vereins nicht durch neutrale Instanzen begleitet wird. Schließlich ist beim wirtschaftlichen Verein mangels Mitwirkung eines Notars die Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz nicht sichergestellt."
    Wer solche Intransparenz mit illegalen Absichten suche, könnte auf den wirtschaftlichen Verein ausweichen, fürchten die Bundesländer. Reichlich Stoff zur Kontroverse also. Ob die umstrittene Novelle tatsächlich noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet wird, steht dahin. Gibt es kein grünes Licht, dann verfällt der Entwurf, weil die Legislaturperiode endet. Erst mal also keine verlässliche Planungsgrundlage für Genossenschafter in spe.
    Landauer Denkmalschützer warten Gesetzesänderung nicht ab
    Die Landauer "Freunde des Hauses zum Maulbeerbaum" möchten ohnehin nicht mehr abwarten. In nächster Zeit wollen die ehrenamtlichen Denkmalschützer die Gründungsprüfung in Absprache mit dem Genossenschaftsverband abschließen.
    Dann allerdings werden auch Gebühren in vierstelliger Höhe fällig. Für den Fall, dass das neue Gesetz verabschiedet wird, hofft Michael Zumpe vom Genossenschaftsvorstand, dass die Erleichterungen dann auch für bestehende Klein-Genossenschaften gelten:
    "In der Tat hätten wir Kosten gespart, wenn die neue Rechtslage, von der man nicht weiß, ob sie überhaupt kommt, wenn die neue Rechtslage für uns schon greifen würde."
    Flohmarkt im Innenhof des Landauer "Hauses zum Maulbeerbaum", mit dem die Genossenschaft für ihr Projekt zur Erhaltung des Gebäudes mit seinen Holzsäulen aus dem 17. Jahrhundert wereben will.
    Flohmarkt im Innenhof des Landauer "Hauses zum Maulbeerbaum". (Deutschlandradio / Anke Petermann)
    An diesem verregneten Sonntag haben die Denkmalschützer im südpfälzischen Landau die Bauzäune beiseite geschoben und zum Flohmarkt in den Innenhof der historischen Herberge geladen. Für deren Erhalt kämpfen sie seit sechs Jahren. Auch die Flohmarkt-Erlöse sollen der Sicherung und Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes zugutekommen. Zugänglich ist nur das Erdgeschoss, dank zusätzlicher Stützpfeiler. Die Kapitell-geschmückten Holz-Säulen aus dem 17. Jahrhundert sind zwar kunstvoll, aber nicht mehr in der Lage, die Last von zwei Obergeschossen zu tragen. Vor zwei Jahren gründete sich die Genossenschaft. Warum sie Anteile erwarb, begründet die Stadträtin Gertraud Migl so:
    "Es ist für die Stadtgeschichte das wohl älteste Haus in Landau und es hat wunderbare Wandmalereien. Es ist auch nachgewiesen, dass man es renovieren und wieder nutzen kann, und deswegen bin ich in der Genossenschaft."
    Sprüche aus der Luther-Bibel
    Im Saal des Obergeschosses wurden 2003 Wandmalereien aus dem 18. Jahrhundert entdeckt, Rosen, Ranken und Voluten. Außerdem:
    "Zwei Felder mit Bibel-Sprüchen, und zwar stammen die aus der Luther-Bibel", sagt Peter Burkhart vom Genossenschaftsvorstand und zitiert einen dieser Sprüche aus Psalm 109, der bei Luther lautet:
    "Sie reden giftig über mich allenthalb' und streiten wider mich – ohn' Ursach'."
    Ornamente und Kalligraphie, wie sie nur selten außerhalb von Kirchen erhalten sind.
    "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung"
    Das rief den Bund als Finanzier auf den Plan. Bis zu 300.000 Euro will der dem "Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung" zuschießen, wenn auch Rheinland-Pfalz etwas beiträgt. Das Land hat zugesagt, sich zu engagieren. Landau macht in den kommenden drei Jahren bis zu 600.000 Euro locker, nur um den maroden Bau zu stabilisieren. Die Stadt will ihn der Genossenschaft übertragen, die schlüpft dann in die Rolle des Investors. Damit ist die Abriss-Drohung vom Tisch, rechtzeitig zum Luther-Jahr 2017. Erreicht hat das die Genossenschaft schon in ihrer zweijährigen Gründungsphase. Der Genossenschaftsverband hat diese Phase geduldig begleitet und selbst geraten, die kostenträchtige Prüfung erst dann anzugehen, wenn der Erfolg des Projekts absehbar ist. Jetzt heißt es also, konstatiert Michael Zumpe:
    Im Inneren des "Hauses zum Maulbeerbaum" in Landau mit Holz-Säulen aus dem 17. Jahrhundert. Einer Genossenschaft setzt sich für den Erhalt ein.
    Im Inneren des "Hauses zum Maulbeerbaum" in Landau mit Holz-Säulen aus dem 17. Jahrhundert. (Deutschlandradio / Anke Petermann)
    "Es müssen Geschäftspläne für mindestens drei Jahre vorgelegt werden, und die müssen plausibel sein, und wenn die das nicht sind, gibt es keinen Prüfungsvermerk und gibt es auch keine Eintragung. Das ist vor allem eine Sicherung für die Genossen und ihre Einlagen. Es ist schon auch sinnvoll, wenn auch vielleicht für kleinere Genossenschaften übertrieben bürokratisch, aber im Prinzip ist das schon berechtigt."
    Mit der Eintragung ins Genossenschaftsregister beim Amtsgericht fließen weitere Spenden, glaubt Christof Wolff. Der ehemalige Oberbürgermeister von Landau sitzt im Aufsichtsrat der Genossenschaft.
    "Die Sponsoren, die ich angesprochen habe, sagen immer, 'wann seid ihr den notariell beurkundet' und so weiter. Die haben immer abgewartet, und wenn das mal erledigt ist, dann kann man da sagen, 'ihr seid auf der sicheren Seite, sollte das Geld nicht investiert werden, kriegt ihr es zurück', wir sind alle rechtlich abgesichert. Das ist entscheidend."
    Wie auch immer also der Streit um die Genossenschaftsnovelle ausgeht, die bürgerschaftliche Initiative zugunsten von Landaus ältestem Haus scheint nicht mehr zu stoppen. Die Genossenschaft, die eine mittelalterliche Herberge rettet – eine perfekte Verbindung von immateriellem und materiellem Kulturerbe.