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Die Invasion der Aga-Kröten

Vor 80 Jahren brachten Menschen Aga-Kröten nach Australien, weil sie hofften, die Amphibien würden störende Käfer fressen. Seitdem breiten sich die Kröten mehr und mehr aus. Evolutionsbiologen können nun erklären, warum ihnen das so gut gelingt.

Von Katrin Zöfel |
    Bis der Mensch eingriff, gab es in Australien nicht eine einzige Krötenart. Dann kam die Aga-Kröte, vom Menschen eingeschleppt, eine Riesenkröte so groß wie eine Männerfaust, die in der neuen Umgebung gut zurechtkam. Viele heimische Schlangen hielten sie für leichte Beute, was nicht gut für sie war, sagt der Biologe Ben Phillips.
    "Diese Kröten sind giftig, und unsere australischen Schlangen sind an dieses Gift nicht angepasst. Unzählige Schlangen starben daran, dass sie versuchten, die Kröten zu fressen, vor allem am Anfang, als die Kröte anfing, sich auszubreiten."

    Die Ankunft der Aga-Kröte an der Nordwestküste Australiens liegt jetzt fast 80 Jahre zurück. Inzwischen gibt es, schätzt der Forscher von der James Cook Universität Queensland, ungefähr eine Milliarde dieser Tiere, verbreitet auf 1,6 Millionen Quadratkilometern. Das ist eine Fläche knapp fünfmal so groß wie Deutschland. Anfangs breiteten sich die Tiere ungefähr zehn Kilometer pro Jahr in alle Richtungen aus. Doch Jahr für Jahr nahmen sie an Tempo auf. Inzwischen kommen die Kröten bei ihrer Eroberung ungefähr 55 Kilometern pro Jahr voran. Die Biologen standen vor einem Rätsel. Sie mussten sich die Lebensweise der Tiere genauer ansehen und nahmen sich dafür eine Gegend vor, die die Kröten gerade erst eroberten.

    "Wir haben die Kröten in dieser Gegend mit Peilsendern ausgestattet, und jede ihrer Bewegungen verfolgt. Das heißt, wir stapften monatelang durch die Sümpfe, und plagten uns mit den Moskitos herum. Aber jetzt haben wir Daten aus acht Jahren und von vielen hundert Kröten."

    Den riesigen Datenberg analysierten die Biologen mit statistischem Werkzeug, und dabei zeigte sich ein Muster. Die Tiere, die sie an vorderster Front des Ausbreitungsgebiets fanden, waren immer die schnellsten und agilsten. Die trägeren Tiere fanden sich dagegen weit hinter der Front. Das klingt erst einmal einfach nur logisch, aber es hat Konsequenzen.

    "Die verbreitungsfreudigsten Tiere treffen also aufeinander, sie sind zur selben Zeit am selben Ort. Natürlich paaren sie sich dann auch untereinander. Und ihre Nachkommen sind dann noch agiler als ihre Eltern. Von Generation zu Generation verstärkt sich dieser Effekt.”"

    Die Biologen nennen diesen Effekt "spatial sorting", und er erklärt, warum die Ausbreitung invasiver Arten bisher so oft unterschätzt wird. Die Aga-Kröte ist wohl nicht mehr aufzuhalten, schon jetzt hat sie in Australien 70, 80 Prozent aller Gebiete erobert, die für sie als Lebensraum infrage kommen. Es gibt kaum eine Chance, sie wieder loszuwerden.

    Das ist die schlechte Nachricht. Doch Ben Phillips liest auch eine gute Nachricht aus seinen Daten heraus.

    ""Viele Arten, die wegen des Klimawandels gerade beginnen zu wandern, können das vielleicht viel schneller schaffen, als wir es ihnen im Moment zutrauen."

    Das heißt, auch Arten, von denen Forscher zurzeit befürchten, dass sie mit dem Klimawandel nicht schritthalten können und aussterben werden, haben womöglich doch noch eine Chance. Weil sie das Wandern lernen, einfach, weil sie es müssen, und dann vielleicht von Jahr zu Jahr immer schneller werden.