In Zeiten schwindender Markenkerne und überholter Lagerordnungen sehen sich parteinahe Zeitschriften in besonderer Weise herausgefordert, thematische Fixpunkte zu setzen, um ihre lesenden Parteifreunde bei Laune zu halten und neue Leser hinzu zu gewinnen.
Die im CDU-Milieu entstandene "Politische Meinung" versucht diesen Spagat derzeit in neuer Besetzung. 2013 wurde der langjährige Chefredakteur und Kohl-Berater Wolfgang Bergsdorf von Bernd Löhmann abgelöst. Dieser war lange Jahre Mitarbeiter von Ministerpräsident Bernhard Vogel in Thüringen und Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Argentinien. Traditionsbewusst erinnert er an die Entstehung des Blattes inmitten der scharfen ideologischen Zeiten des Kalten Krieges:
"Die erste Ausgabe der 'Politischen Meinung' erschien im Juni 1956, genau in eine Zeit hinein, als Konrad Adenauer und seine Partei im Zenit ihrer Erfolge stand. Es sagt einiges über den bodenständigen Realismus Adenauers und seines Umfeldes, dass man sich nicht im Erfolg sonnte, sondern genau das Gegenteil tat, nämlich sich zu sorgen begann, wie es weitergehen soll. Und die Sorge war, ob die christliche Demokratie in der geistigen Auseinandersetzung vor allem mit materialistischen und sozialistischen Strömungen langfristig würde bestehen können. Deshalb wollte man ein politisch-theoretisches Publikationsorgan, das aktuelle Fragen der Politik aus einer grundsätzlichen Perspektive, aus der Perspektive des christlichen Menschenbildes ausleuchtet."
Brückenschläge in neue gesellschaftliche Milieus
Das hört sich eher brav und linientreu an, gemessen an dem Ehrgeiz, zu neuen publizistischen Ufern vorstoßen zu wollen. Brückenschläge in neue gesellschaftliche Milieus sind angesagt, um breitere Diskussionen anzuregen. Dennoch versteht sich das Blatt weiterhin auch als Beratungsorgan für politische Entscheider, ganz im Sinne ihrer einstigen Gründer Otto Lenz und Erich Peter Neumann.
"Unser vorrangiges Ziel ist, an eine Leserschicht heran zu kommen, die Führungsschichten, angehende Führungspersönlichkeiten und Referenten in den Ministerien."
Die "Politische Meinung" erscheint sechs Mal pro Jahr, umfasst 128 Seiten, die Auflagenhöhe liegt - wie bei vergleichbaren Blättern - bei 6.000. Immerhin konnte Redakteur Löhmann zu seinem Einstieg dem Blatt ein völlig neues, frischeres Design verpassen, ohne die parteiüblichen Bleiwüsten, Empfangs- und Kongressfotos oder die fast unvermeidlich gewordenen Passbilder von Autoren. Dafür aber – leider - mit langen Literaturangaben und einer störenden Stiftungsrubrik als Erinnerungswink der Herausgeber.
Ausbau zum intellektuellen Flaggschiff im christdemokratischen Umfeld
Inhaltlich möchte Löhmann die Zeitschrift zum intellektuellen Flaggschiff im christdemokratischen Umfeld ausbauen anstatt sich mit Gefälligkeiten an den Zeitgeist die Neugier jugendlicher Leser sichern zu wollen.
"Mir liegen Themen am Herzen, die Forschung, Bildung und Ausbildung, und das nicht zuletzt, weil ich meine, dass die Union dort zu alter Stärke zurückfinden müsste. Darüber hinaus sind mir Themen wichtig, die das Selbstverständnis des Landes ausmachen. Das Bekenntnis zum Westen, zur Europäischen Union, aber auch zum Staat Israel treiben mich da um. Diese Grundlagen gilt es aus meiner Sicht vor der heutigen Aktualität neu zu begründen."
"Jugend", "Leben", "Wissen", "Gymnasium", "Westen" oder "Inklusion" heißen die Hefttitel, die nach Selbstverständigung trachten. Dabei ist der wertkonservativ neukatholische Ton unüberhörbar. Man möchte sich weniger an kurzatmiger Aktualität und alarmistischer Demoskopie als an wieder zu entdeckenden bleibenden Werten orientieren, inklusive traditioneller Gegnerschaften.
"Es stimmt schon, es gibt so etwas wie ein ideologisches Vakuum in Deutschland, in Europa, ganz sicherlich. Selbst die Marxisten haben es ja schwer, ihre Kurse über Marxismus an den Universitäten voll zu kriegen."
Aber können sich solche Zeitschriften als Printmedium künftig noch behaupten? Chefredakteur Löhmann gibt sich da optimistisch:
"Ich glaube noch an die Kraft des Haptischen. Ich glaube, dass ein Magazin, das ein Lesemagazin sein will, auch ein Stück weit davon lebt, dass es sich gut anfasst, dass es angenehm aussieht und dass es leserfreundlich ist."
Zuerst aber steht die "Politische Meinung" vor der schwierigen Aufgabe, sich Akzeptanz und Rückendeckung in den eigenen Reihen zu verschaffen. Wo doch heutzutage selbst eingefleischte Parteimitglieder keine Parteiorgane mehr lesen. Denn diese unterliegen der eigentümlichen Dialektik: Je weiter sie sich über den eigenen Horizont hinausbewegen, desto mehr nutzt es der Partei im Sinne eines liberaleren und diskursoffeneren Images. Und desto lesbarer werden solche Zeitschriften dann auch.