Pflichterfüllung, harte Arbeit, Fleiß, Sparsamkeit, Disziplin, Einfachheit, Bilderfeindlichkeit und im Zentrum das Wort Gottes und nichts als das Wort: Es ist eine strenge und bedürfnislose Lebensform, die sich mit dem Namen Johannes Calvin verbindet. Dem großen Reformator des 16. Jahrhunderts, dessen Lehren von Genf aus in die Welt verbreitet wurden, wird im Deutschen Historische Museum in Berlin im nächsten Jahr eine Ausstellung gewidmet - aber was kann man zeigen aus einer so enthaltsamen Welt?
"Also Ansatz der Ausstellung wird eben auch sein, das doch mehrheitlich negative Bild, was von Calvin und dem Calvinismus gezeichnet wird, aufzubrechen und zu hinterfragen und auf jeden Fall vielschichtiger darstellen zu wollen, als es bisher getan wurde."
Sabine Witt, Kuratorin am Deutschen Historischen Museum, organisierte mit ihrem Kollegen Ansgar Reiß zu diesem Zweck zunächst eine internationale Konferenz. Die historischen, theologischen oder kunsthistorischen Beiträge und die Diskussion der Wissenschaftler sollen in der Ausstellung Überblick und Zusammenfassungen bieten und werden im Katalog nachzulesen sein.
Reiß: "Das andere und ganz Wesentliche ist aber für uns, dass wir so auf einen neuen wissenschaftlichen Stand kommen, dass wir so auch in Kontakt mit vielen Wissenschaftlern treten können und über die auch weitere Netzwerke bilden können, und dass wir so eine Menge Anregung bekommen, wie wir es machen können - und natürlich auch so ein bisschen Linien vorgezeigt bekommen, also wie bestimmte Dinge heute in der Wissenschaft gesehen werden. "
Calvin und die Calvinisten haben tiefgreifende Veränderungen in Europa bewirkt. Strenger und anders als das Luthertum war diese reformierte Konfession und entfaltete sich vor allem international. In Genf gründete Johannes Calvin 1559 die Genfer Akademie, die heutige Universität, im 16. Jahrhundert ein Dreh- und Angelpunkt. Theologen, aus welcher Ecke Europas sie auch kamen, gingen ihren Weg über Genf, trugen von dort Calvins Lehren in ihre Heimat, und es bildete sich ein länderübergreifendes Geflecht von Personen kalvinistischer Konfession, die miteinander in Kontakt blieben. Wie sie auch die europäische Politik der frühen Neuzeit mitgestalteten, wird ein wichtiges Thema in der kommenden Ausstellung sein.
Witt: "Insofern kann man das auch wirklich nicht als eine nationale oder national geprägte Konfession begreifen, wie es vielleicht eher das Luthertum ist, sondern es ist wirklich eine ganz stark internationale pluralistische Bewegung."
Reiß: "Der Calvinismus in Europa, also die Reformierten in Europa, wie sie sich ja selbst immer nennen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr intensiv Bildungsinstitutionen geschaffen haben. Also es gibt ja eine ganze Reihe von hohen Bildungsinstitutionen: Universitäten oder Hohe Schulen, wie man das in diesem engeren Kontext oftmals genannt hat, auf der einen Seite."
Zum Beispiel in Heidelberg. Nachdem die Kurpfalz unter Friedrich dem Frommen vom lutherischen Protestantismus zum Calvinismus übergetreten war, wuchs die Bedeutung der Heidelberger Universität durch ihre kalvinistische Orientierung enorm. Aus den deutschen Territorien strömten reformierte Studenten nach Heidelberg.
Reiß: "Und es gibt auf der anderen Seiten sehr frühe und eingehende Bemühungen calvinistischer Gemeinden oder politischer Gemeinden, die unter calvinistischem Einfluss stehen, auch eine allgemeine Schulbildung durchzusetzen und für eine vergleichsweise breite Bevölkerung hier Bildungsgrundlagen herzustellen."
Dahinter stand kein ausdrücklich formuliertes Bildungsideal, so Ansgar Reiß:
"Was die Bildung zunächst angeht: das ist durchaus ein genuiner Impuls, der im Calvinismus da ist, der eben ganz stark zu tun hat mit dieser Konzentration, mit dieser starken und auch fast puristischen Konzentration auf das Wort Gottes, das eben nicht nur gelesen und gelehrt sondern durchaus auch diskutiert werden soll, das gezeigt werden soll in allen seinen Fassetten, in der Predigt und so weiter. Ich denke, dafür ist eine entsprechende Bildung einfach Voraussetzung."
Tatsächlich wird der Calvinismus vor allem von gebildeten Personen getragen, die Einfluss hatten und Einfluss nehmen wollten.
Reiß: "Man spricht ja vielfach von einer zweiten Phase der Reformation, also die sozusagen einige Jahrzehnte nach Luther noch mal eine neue Intensität gewinnt, im späten 16. Jahrhundert. Und diese Phase ist auf jeden Fall gekennzeichnet durch eine ganze Reihe von herausragenden Persönlichkeiten, die sich hier intensiv engagieren. Der Calvinismus kommt vielleicht auch im Unterschied zur ersten Phase der Reformation durchaus sehr stark von den Eliten her. Das können politische Eliten sein, theologische Eliten, auch juristische Eliten, die hier eine große Rolle spielen, das gilt natürlich nicht ausschließlich, aber ist sicherlich eine Akzentverlagerung."
Luthertum und Calvinismus kommen sich denn auch ins Gehege. Nach dem 30-Jährigen Krieg werden die Reformierten in den westfälischen Friedensverträgen 1648 zusammen mit den Lutheranern und den Katholiken als dritte Konfession reichsrechtlich anerkannt. Die Differenzen sind nicht nur rein theologischer Natur.
Reiß: "Es gibt natürlich eine genuin theologische Auseinandersetzung um das Abendmahl, um die Prädestination, also es gibt diese Spezifika der calvinistischen Lehre, die auch durch die Theologie Calvins dann ganz stark geprägt ist. Aber es ist auf der anderen Seite auch ein ganz spezielles Modell von Kirche, und zwar ein Modell von Kirche, das sich an der Gemeinde orientiert, und das hier bestimmte Institutionen ausbildet. Und diese Gemeindeorientierung der Kirche ist oftmals nicht so ganz leicht kombinierbar mit den Bestrebungen der Fürsten zur gleichen Zeit, alles in ihre Hand zu bekommen."
Der Calvinismus entfaltet den Anspruch, Fürsorge und Bildungsbereich in kirchliche Hand zu nehmen, und dabei geht es um Institutionen und Einfluss, um die Verteilung von Ämtern und schlicht um Geld, um Steuern, die eingezogen und neu verteilt werden, nachdem diese Bereiche nicht mehr in katholischer Hand liegen.
Witt: "Und man muss vielleicht auch sehen, dass es in den einzelnen Ländern hier in Deutschland auch nicht gleichmäßig ablief. Also wir haben beispielsweise gerade hier in Brandenburg-Preußen den sogenannten Hofkalvinismus. Also das Herrscherhaus selber tritt eben 1613 zum Kalvinismus über, aber es ist eine Konfession, die wirklich an das Herrscherhaus gebunden bleibt. Das heißt, die Untertanen bleiben selber Lutherischer Konfession und daraus entstehen natürlich auch gewisse Konflikte, die auch mit der immer beschworenen Toleranz, die hier geherrscht hat, nicht unbedingt zu erklären und auch nicht unbedingt zu lösen ist."
Die strenge calvinistische Auslegung des Bilderverbots etwa - Du sollst dir kein Bildnis machen - führt zu so genannten Bilderstürmen, vor allem in den Niederlanden, aber eben auch in Berlin. Und die Lutherischen Gemeindemitglieder wehren sich heftig gegen die Vernichtung der Bildausstattung ihrer Kirchen. Gerade die Bilderstürme der Kalvinisten aber, die viel Kunst und Kultur zerstörten, sind nicht nur negativ zu sehen, sagt Sabine Witt:
"Man muss aber dabei vielleicht auch beachten, dass innerhalb der bildenden Kunst innerhalb der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts neue Genre entstehen, also beispielsweise das Architekturbild, in dem man also auch Innenansichten reformierter Kirchenräume sieht beispielsweise, die Landschaftsmalerei, in die alttestamentarische Szenen mit eingebettet werden. Aber ich denke da zum Beispiel auch an Interieurbilder, also Interieurs holländischer Wohnhäuser, in denen zum Beispiel auch die Ideale der Reformierten - Zucht, Ordnung, Sauberkeit - durchaus eine Rolle spielen und als Motive mit auftauchen."
Die katholische Kirche als der klassische Auftraggeber für Gemälde und Strukturen fällt weg, wo die Calvinisten eine neue Kultur schaffen, und die Künstler finden neue, bürgerliche Auftraggeber. Die Portraitmalerei entfaltet eine Blüte, kleinformatige Kunst mit profanen Themen, diesseitiger orientiert, entwickelt sich.
Reiß: "Also der Calvinismus, so sehr er einerseits jetzt bilderfeindlich gewesen sein mag und auch aus dem Kircheraum diese Bilder vertreiben möchte eben im Sinne der Konzentration auf das Wort Gottes, so sehr entfaltet er sozusagen außerhalb wieder eine ganz reiche und eine neue Bilderwelt."
Wenn am 6. März 2009 die Ausstellung eröffnet wird, darf man gespannt sein, was es noch an Kultur, Bildungsimpulsen und ja vielleicht Lebensfreude zu entdecken gibt in der scheinbar kargen Welt der Calvinisten.
"Also Ansatz der Ausstellung wird eben auch sein, das doch mehrheitlich negative Bild, was von Calvin und dem Calvinismus gezeichnet wird, aufzubrechen und zu hinterfragen und auf jeden Fall vielschichtiger darstellen zu wollen, als es bisher getan wurde."
Sabine Witt, Kuratorin am Deutschen Historischen Museum, organisierte mit ihrem Kollegen Ansgar Reiß zu diesem Zweck zunächst eine internationale Konferenz. Die historischen, theologischen oder kunsthistorischen Beiträge und die Diskussion der Wissenschaftler sollen in der Ausstellung Überblick und Zusammenfassungen bieten und werden im Katalog nachzulesen sein.
Reiß: "Das andere und ganz Wesentliche ist aber für uns, dass wir so auf einen neuen wissenschaftlichen Stand kommen, dass wir so auch in Kontakt mit vielen Wissenschaftlern treten können und über die auch weitere Netzwerke bilden können, und dass wir so eine Menge Anregung bekommen, wie wir es machen können - und natürlich auch so ein bisschen Linien vorgezeigt bekommen, also wie bestimmte Dinge heute in der Wissenschaft gesehen werden. "
Calvin und die Calvinisten haben tiefgreifende Veränderungen in Europa bewirkt. Strenger und anders als das Luthertum war diese reformierte Konfession und entfaltete sich vor allem international. In Genf gründete Johannes Calvin 1559 die Genfer Akademie, die heutige Universität, im 16. Jahrhundert ein Dreh- und Angelpunkt. Theologen, aus welcher Ecke Europas sie auch kamen, gingen ihren Weg über Genf, trugen von dort Calvins Lehren in ihre Heimat, und es bildete sich ein länderübergreifendes Geflecht von Personen kalvinistischer Konfession, die miteinander in Kontakt blieben. Wie sie auch die europäische Politik der frühen Neuzeit mitgestalteten, wird ein wichtiges Thema in der kommenden Ausstellung sein.
Witt: "Insofern kann man das auch wirklich nicht als eine nationale oder national geprägte Konfession begreifen, wie es vielleicht eher das Luthertum ist, sondern es ist wirklich eine ganz stark internationale pluralistische Bewegung."
Reiß: "Der Calvinismus in Europa, also die Reformierten in Europa, wie sie sich ja selbst immer nennen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr intensiv Bildungsinstitutionen geschaffen haben. Also es gibt ja eine ganze Reihe von hohen Bildungsinstitutionen: Universitäten oder Hohe Schulen, wie man das in diesem engeren Kontext oftmals genannt hat, auf der einen Seite."
Zum Beispiel in Heidelberg. Nachdem die Kurpfalz unter Friedrich dem Frommen vom lutherischen Protestantismus zum Calvinismus übergetreten war, wuchs die Bedeutung der Heidelberger Universität durch ihre kalvinistische Orientierung enorm. Aus den deutschen Territorien strömten reformierte Studenten nach Heidelberg.
Reiß: "Und es gibt auf der anderen Seiten sehr frühe und eingehende Bemühungen calvinistischer Gemeinden oder politischer Gemeinden, die unter calvinistischem Einfluss stehen, auch eine allgemeine Schulbildung durchzusetzen und für eine vergleichsweise breite Bevölkerung hier Bildungsgrundlagen herzustellen."
Dahinter stand kein ausdrücklich formuliertes Bildungsideal, so Ansgar Reiß:
"Was die Bildung zunächst angeht: das ist durchaus ein genuiner Impuls, der im Calvinismus da ist, der eben ganz stark zu tun hat mit dieser Konzentration, mit dieser starken und auch fast puristischen Konzentration auf das Wort Gottes, das eben nicht nur gelesen und gelehrt sondern durchaus auch diskutiert werden soll, das gezeigt werden soll in allen seinen Fassetten, in der Predigt und so weiter. Ich denke, dafür ist eine entsprechende Bildung einfach Voraussetzung."
Tatsächlich wird der Calvinismus vor allem von gebildeten Personen getragen, die Einfluss hatten und Einfluss nehmen wollten.
Reiß: "Man spricht ja vielfach von einer zweiten Phase der Reformation, also die sozusagen einige Jahrzehnte nach Luther noch mal eine neue Intensität gewinnt, im späten 16. Jahrhundert. Und diese Phase ist auf jeden Fall gekennzeichnet durch eine ganze Reihe von herausragenden Persönlichkeiten, die sich hier intensiv engagieren. Der Calvinismus kommt vielleicht auch im Unterschied zur ersten Phase der Reformation durchaus sehr stark von den Eliten her. Das können politische Eliten sein, theologische Eliten, auch juristische Eliten, die hier eine große Rolle spielen, das gilt natürlich nicht ausschließlich, aber ist sicherlich eine Akzentverlagerung."
Luthertum und Calvinismus kommen sich denn auch ins Gehege. Nach dem 30-Jährigen Krieg werden die Reformierten in den westfälischen Friedensverträgen 1648 zusammen mit den Lutheranern und den Katholiken als dritte Konfession reichsrechtlich anerkannt. Die Differenzen sind nicht nur rein theologischer Natur.
Reiß: "Es gibt natürlich eine genuin theologische Auseinandersetzung um das Abendmahl, um die Prädestination, also es gibt diese Spezifika der calvinistischen Lehre, die auch durch die Theologie Calvins dann ganz stark geprägt ist. Aber es ist auf der anderen Seite auch ein ganz spezielles Modell von Kirche, und zwar ein Modell von Kirche, das sich an der Gemeinde orientiert, und das hier bestimmte Institutionen ausbildet. Und diese Gemeindeorientierung der Kirche ist oftmals nicht so ganz leicht kombinierbar mit den Bestrebungen der Fürsten zur gleichen Zeit, alles in ihre Hand zu bekommen."
Der Calvinismus entfaltet den Anspruch, Fürsorge und Bildungsbereich in kirchliche Hand zu nehmen, und dabei geht es um Institutionen und Einfluss, um die Verteilung von Ämtern und schlicht um Geld, um Steuern, die eingezogen und neu verteilt werden, nachdem diese Bereiche nicht mehr in katholischer Hand liegen.
Witt: "Und man muss vielleicht auch sehen, dass es in den einzelnen Ländern hier in Deutschland auch nicht gleichmäßig ablief. Also wir haben beispielsweise gerade hier in Brandenburg-Preußen den sogenannten Hofkalvinismus. Also das Herrscherhaus selber tritt eben 1613 zum Kalvinismus über, aber es ist eine Konfession, die wirklich an das Herrscherhaus gebunden bleibt. Das heißt, die Untertanen bleiben selber Lutherischer Konfession und daraus entstehen natürlich auch gewisse Konflikte, die auch mit der immer beschworenen Toleranz, die hier geherrscht hat, nicht unbedingt zu erklären und auch nicht unbedingt zu lösen ist."
Die strenge calvinistische Auslegung des Bilderverbots etwa - Du sollst dir kein Bildnis machen - führt zu so genannten Bilderstürmen, vor allem in den Niederlanden, aber eben auch in Berlin. Und die Lutherischen Gemeindemitglieder wehren sich heftig gegen die Vernichtung der Bildausstattung ihrer Kirchen. Gerade die Bilderstürme der Kalvinisten aber, die viel Kunst und Kultur zerstörten, sind nicht nur negativ zu sehen, sagt Sabine Witt:
"Man muss aber dabei vielleicht auch beachten, dass innerhalb der bildenden Kunst innerhalb der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts neue Genre entstehen, also beispielsweise das Architekturbild, in dem man also auch Innenansichten reformierter Kirchenräume sieht beispielsweise, die Landschaftsmalerei, in die alttestamentarische Szenen mit eingebettet werden. Aber ich denke da zum Beispiel auch an Interieurbilder, also Interieurs holländischer Wohnhäuser, in denen zum Beispiel auch die Ideale der Reformierten - Zucht, Ordnung, Sauberkeit - durchaus eine Rolle spielen und als Motive mit auftauchen."
Die katholische Kirche als der klassische Auftraggeber für Gemälde und Strukturen fällt weg, wo die Calvinisten eine neue Kultur schaffen, und die Künstler finden neue, bürgerliche Auftraggeber. Die Portraitmalerei entfaltet eine Blüte, kleinformatige Kunst mit profanen Themen, diesseitiger orientiert, entwickelt sich.
Reiß: "Also der Calvinismus, so sehr er einerseits jetzt bilderfeindlich gewesen sein mag und auch aus dem Kircheraum diese Bilder vertreiben möchte eben im Sinne der Konzentration auf das Wort Gottes, so sehr entfaltet er sozusagen außerhalb wieder eine ganz reiche und eine neue Bilderwelt."
Wenn am 6. März 2009 die Ausstellung eröffnet wird, darf man gespannt sein, was es noch an Kultur, Bildungsimpulsen und ja vielleicht Lebensfreude zu entdecken gibt in der scheinbar kargen Welt der Calvinisten.