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Die Religion der Bahai
Neues "Haus der Andacht" in Chile

In der Bahai-Religion gibt es weder Klerus noch so etwas wie Kirchen. Ihre Sakralbauten werden als "Häuser der Andacht" bezeichnet. Bislang gab es nur sieben dieser Bauwerke. Nun wurde ein weiteres in Santiago de Chile eröffnet. Die Architektur wirkt spektakulär, doch das ist nicht alles, was den neuen Bahai-Tempel auszeichnet.

Von Frank Aheimer |
    Das "Haus der Andacht steht hoch über der Millionenmetropole am Fuße der Anden.
    Das "Haus der Andacht" in in Santiago de Chile erinnert ein wenig an eine Knospe (Bahai World News Service)
    Mehr als 5.000 Bahai aus 110 Ländern kamen nach Chile - zur Einweihung des neuen Bahai-Hauses. Das erste Haus der Andacht auf dem südamerikanischen Kontinent liegt am Fuße der Anden, unmittelbar vor den Toren der Millionen Metropole Santiago de Chile. Eingebettet in die Landschaft, umgeben von geschwungenen Wasserbecken winden sich neun lichtdurchlässige Glaselemente dreißig Meter in die Höhe und laufen am höchsten Punkt der Kuppel zusammen. Die helle Innendecke besteht aus 2.000 Quadratmetern gebogenem Marmor, der ebenfalls lichtdurchlässig ist. Der Entwurf stammt von dem in Kanada lebenden, persischen Architekten Siamak Hariri aus Toronto.
    "Das Licht trifft auf die Glasscheiben, geht durch die Struktur hindurch und küsst den Stein. Und die ganze Kuppel wird zu einer Art erleuchtetem Zelt von innen heraus. Und dann passiert das auch andersherum. Also, nachts verbreitet das Haus ein sehr sanftes, ätherisches Licht."
    Die Fassade von Innen: Ein kompliziertes Muster Muster aus hellen Marmorplatten
    Die Fassade von innen (Bahai World News Service )
    "Häuser der Andacht" sind High-Tech Gebäude
    3.000 Quadratmeter Glasplatten wurden für die Außenfläche nach einer völlig neuen Methode gegossen. Die ganze Konstruktion wird von einer 500 Tonnen schweren Hülle gestützt. Das Gebäude ist erdbebensicher. Die Glaskonstruktion kommt aus Deutschland - von einer Firma, die bereits am Bau der Berliner Reichstagskuppel beteiligt war.
    "Eine Besonderheit ist, dass die Bahai angewiesen sind, von dem Stifter des Bahai-Glaubens Bahaullah, diese Häuser so perfekt wie möglich zu machen. Er selbst schreibt: "Machet sie so vollkommen, wie es in der Welt des Seins möglich ist!"
    Das knospenförmige Bahai-Haus in Santiago de Chile bei Sonnenuntergang.
    Das Bahai-Haus in Santiago de Chile (Bahai World News Service / Frank Aheimer)
    "Die Bahai sind daher bestrebt, bei diesen Bauten sehr hochwertige Materialien zu verwenden und durchaus auch an die Grenzen der Technik zu gehen. Oder sogar neue Techniken zu entwickeln und eine möglichst lange Lebensdauer für diese Bauwerke zu erreichen. Zum Beispiel in Chile hatte der Architekt die Vorgabe, die Gebäude auf eine Lebensdauer von 400 Jahren auszulegen!"
    Ralf Mühlschlegel ist Bauingenieur und bei der Deutschen Bahai-Gemeinde zuständig für den Erhalt der Gebäude. Er hat das europäische Haus der Andacht - im Taunus in der Nähe von Frankfurt gelegen - umfassend saniert:
    "Der Unterschied zwischen einer Kirche oder einer Synagoge oder einer Moschee und den Häusern der Andacht besteht darin, dass die Häuser der Andacht kreisrunde Gebäude sind. Die Kuppeln sind lichtdurchflutet und haben neun Eingänge. Diese neun Eingänge können symbolisch als Einladung gewertet werden für die Anhänger aller großen Weltreligionen, in diese Gebäude einzutreten und Gott zu lobpreisen!"
    Architekt Siam Hariri vor einem der neun Eingänge des "Hauses der Andach"
    Architekt Siamak Hariri vor dem "Haus der Andacht" (Bahai World News Service)
    Die Bahai kennen keine Priester
    In der Bahai-Religion gibt es weder Klerus noch einen ritualisierten Gottesdienst. In ihren Häusern wird bewusst auf Ornamente, Skulpturen oder Bilder verzichtet.
    "Sie sind extrem schlicht gehalten, so dass das Wort Gottes, was aus den heiligen Schriften der großen Weltreligionen gelesen wird, dort im Vordergrund steht. Es werden Texte zum Beispiel aus dem Alten und dem Neuen Testament, aus dem Koran, aus der Bhagavad-Gita, aber natürlich auch aus den Bahai-Schriften in diesen Andachten gelesen. Was es nicht gibt, sind Ansprachen oder Vorträge. Es steht also nur das geschriebene Wort, was in den heiligen Schriften verewigt ist, im Vordergrund."
    Das neue Haus der Andacht in Chile soll ein Ort der Meditation und des Gebets sein und allen Menschen offen stehen. Dies in der Architektur des Bahai-Hauses zum Ausdruck zu bringen, war für Siamak Hariri die zentrale Herausforderung: "Wenn es wie eine Moschee, eine Kirche oder Synagoge aussehen würde, würden sich sicherlich einige Menschen ausgeschlossen fühlen! Also, wie schafft man etwas Neues, das umfassend und offen ist? Ein Gebäude, das von allen Seiten betreten werden kann und einen Geist von Toleranz und Transparenz atmet. Mein Ziel war es, dem Besucher das Gefühl zu geben, zum Himmel zu schweben, wenn er nach oben schaut."

    Das "Haus der Andacht steht hoch über der Millionenmetropole am Fuße der Anden.
    Das "Haus der Andacht" steht hoch über der Millionenmetropole am Fuße der Anden. (Bahai World News Service)
    Spiralförmig laufen die Betonseiten der Kuppel in der Mitte der Kuppel zusammen.
    Die Kuppel des Bahai-Hauses von Innen. (Bahai World News Service / Frank Aheimer)
    Eine abgerundete Ecke des Gebäudes aus einer einzelnen Glasplatte.
    3.000 Quadratmeter Glasplatten wurden verbaut (Bahai World News Service)