Wer ab April zum Lebensmitteldiscounter Lidl geht, soll auf allen Fleischprodukten von Lidl-Hausmarken eine neuartige Kennzeichnung finden, sagt Jan Bock, Leiter des Einkaufs bei Lidl, nämlich eine Kennzeichnung, die etwas darüber aussagt, wie das Tier gehalten wurde:
"Wir haben ein vierstufiges System ähnlich der Eierkennzeichnung gewählt von eins bis vier. Eins ist die Stallhaltung nach gesetzlichem Standard. Zwei ist die Stallhaltung Plus, wo die Tiere mindestens zehn Prozent mehr Platz haben, organisches Beschäftigungsmaterial und weitere Parameter. Stufe drei ist dann noch mit Auslauf und Stufe vier ist Bio."
Wie wird die versprochene Haltung überprüft?
Lidl ändert damit nicht sofort die Haltungsbedingungen seiner Fleischlieferanten, aber es gibt Verbrauchern die Möglichkeit, Fleisch aus besserer Haltung zu kaufen. Wie wird die versprochene Haltung überprüft? Stufe 1 sind die gesetzlichen Mindestvorschriften; Stufe 4 ist Bio, dafür gibt es ein etabliertes System, sagt Lidl-Manager Bock:
"In der Stufe drei arbeiten wir momentan mit dem deutschen Tierschutzbund zusammen, der für uns die Landwirte entsprechend überprüft und auditiert. In der Stallhaltung Plus arbeiten wir mit der Initiative Tierwohl zusammen, die jeden Landwirt zweimal im Jahr auditieren lässt – einmal unangekündigt und einmal angekündigt."
Das Kalkül von Lidl: Mit dem Fleisch könnte es laufen wie mit den Eiern. Bei verständlicher Kennzeichnung greifen Kunden zu tierfreundlichen Produkten.
"2019 werden bereits 50 Prozent unseres gesamten Frischfleischsortiments mit mindestens der Stallhaltung Plus, also der Stufe 2, gekennzeichnet sein. Unser Ziel ist es, langfristig die Stufe 1, Stallhaltung nach gesetzlichem Standard, komplett zu eliminieren."
"Was Lidl macht, ist erst einmal ein Meilenstein, weil es bisher niemanden gibt, der so etwas macht", sagt Stefanie Toewe von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace.
"Kein anderer Händler zeichnet Fleisch aus und wir haben auch politisch keine Kennzeichnung für Fleisch. Das heißt, der Verbraucher wird zukünftig ab April bei Lidl erkennen können, aus welcher Haltung das Fleisch kommt. Und das ist erst einmal ein richtiger guter Schritt."
Bundesregierung setzt auf die "Initiative Tierwohl"
Auch Peter Röhrig vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßt Lidls vierstufige Fleischkennzeichnung. Solche Privatinitiativen seien aber keine Dauerlösung:
"Ich kritisiere daran, dass es aufzeigt, welche Lücken der Gesetzgeber lässt und dass wir nach wie vor auch nach vielen Jahren Tierwohl- und Tierschutzdiskussion immer noch kein staatliches, staatlich kontrolliertes und vorgegebenes Kennzeichnungssystem haben."
Die Bundesregierung setzt seit Jahren auf die "Initiative Tierwohl", das Label des Handels und des Bauernverbands, das ebenfalls Verbraucher über die Qualität der Tierhaltung informieren soll. Umweltverbände und Tierschützer kritisieren dieses Haltungs-Label jedoch: Die Anforderungen an die Tierhaltung seien zu lasch; Teilnahme und Kennzeichnung seien lediglich freiwillig, nicht Pflicht. Der Deutsche Bauernverband hatte bisher argumentiert, eine vierstufige Fleischkennzeichnung à la Lidl sei zu kompliziert und lehnte vor allem eine Kennzeichnungspflicht ab. Jetzt scheint die Bauernlobby umzudenken. Bauernpräsident Joachim Rukwied:
"Wir diskutieren im Moment eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsformen. Hier priorisieren wir die Dreistufigkeit, die Diskussion haben wir aber noch nicht abschließen können."
Drei Stufen, weil die 4. Stufe, Bio, ohnehin klar geregelt und gekennzeichnet sei. Doch Lidl bringe nicht nur die Tierhaltung voran, sagt Andreas Winkler von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch:
"Bemerkenswert ist aus unserer Sicht vielmehr, dass Lidl als erster überhaupt auch mal über die Krankheiten der Nutztiere spricht."
Denn gute Haltung bedeute noch nicht gesundes Tier. Und Lidl fordert einen Tiergesundheitsindex, weil zu viele kranke Tiere geschlachtet und verzehrt würden. Foodwatch fordert, gesetzlich zu regeln, dass nur gesunde Tiere beim Verbraucher landen.