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Diskussionen um TTIP light
"Schiedsgerichte sind ein hochgefährliches Instrument"

Sofern in Freihandelsabkommen Schiedsgerichte vereinbart würden, hätten Investoren die Möglichkeit öffentliche Regulierungen anzugreifen, sagte Peter Fuchs von der Organisation PowerShift im Dlf. Das könne für den Steuerzahler sehr teuer werden.

Peter Fuchs im Gespräch mit Jule Reimer |
    Zwei Gegner der Freihandelsabkommen TTIP und CETA zeigen jeweils eine Hand, auf der ein Aufkleber mit durchgestrichenem TTIP- und Ceta-Schriftzug prangt.
    Proteste gegen TTIP und CETA: Diskutiert wird gerade eine Art TTIP light. (picture alliance / dpa / Thierry Roge)
    Jule Reimer: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier setzt im Zollstreit der Europäischen Union mit den USA auf Gespräche. Trotzdem sei es eine schwierige Situation, sagte er heute Morgen im ARD-Morgenmagazin. "Deshalb müssen wir versuchen, zwischen den Europäern und den Amerikanern eine faire Verhandlungslösung hinzubekommen." Grundsätzlich gehe es ihm darum, im Rahmen von Verhandlungen Zölle zu senken. Zum Hintergrund: US-Präsident Donald Trump hatte ja gestern die Ausnahmeregelung für die EU von den US-Importzöllen auf Stahl und Aluminium um einen Monat verlängert. Im Raum steht jetzt ein Freihandelsabkommen, ein neues Freihandelsabkommen, TTIP light. Beim realen TTIP-Abkommen, was gescheitert war zwischen Europäern und den USA, war ja besonders umstritten die Regelung des Investitionsschutzgerichtes.
    Ich bin jetzt verbunden mit Peter Fuchs von PowerShift, einer Nichtregierungsorganisation, die sich vor allen Dingen im Bereich Handelsbereich auskennt. Haben die USA ein Interesse, ein TTIP light ohne Investitionsschutz zu machen?
    Peter Fuchs: Guten Morgen, Frau Reimer. Ja, es kann gut sein, dass einige in den USA ein Interesse daran haben, denn US-Konzerne klagen gerne auch gegen europäische und andere Staaten, wenn sie sich in ihren Eigentums- und Profitinteressen verletzt sehen. Aber die Administration in den USA wird wohl nicht auf ein ISDS-Kapitel in neuen Verhandlungen mit Europa drängen. Die Europäer werden eventuell stark auf ihr neues Modell eines Investitionsschiedsgerichts drängen. Ich meine aber, dass aus Gründen des PR-Geschehens und des öffentlichen Drucks, den die Regierungen vermeiden wollen, vermutlich ein enger gefasstes Abkommen ausgehandelt wird, das dann ISDS erst mal außen vor lässt.
    Reimer: Sagen Sie noch mal: Warum sind diese Schiedsgerichte aus Umwelt- und Verbrauchersicht so problematisch aus Ihrer Sicht?
    Entschädigungen an Konzerne durch Steuergelder?
    Fuchs: Schiedsgerichte sind ein hochgefährliches Instrument, mit dem Investoren und ihre Anwaltskanzleien öffentliche Regulierungen im Sinne von Umwelt und Verbrauchern angreifen. Sie können diese Schiedsklagen außerhalb der Rechtssysteme Europas oder umgedreht außerhalb des US-Rechtssystems nutzen, indem sie bei einem internationalen Tribunal auf Entschädigung klagen, wenn bestimmte Regelungen, aber auch Gerichtsurteile oder Verwaltungshandeln den Investoren das Eigentum oder die Profiterwartungen schmälern.
    Reimer: Zum Beispiel schärfere Umweltgesetze?
    Fuchs: Genau. Aus Umwelt- und Verbrauchersicht können das Regulierungen eines Bergbaukonzerns sein, können das Regulierungen in der Chemie- oder Automobilproduktion sein. Und Investoren haben dann mit Hilfe von ISDS, diesen Schiedsgerichtssystemen oder auch Schiedstribunalen die Möglichkeit, das anzugreifen. Das kann für Steuerzahler sehr teuer werden, wenn Entschädigungen gezahlt werden, aber auch schon, wenn es gar nicht zu Urteilen kommt, ist das Instrument eine Waffe, mit der Druck gemacht wird auf Regierungen und Parlamente.
    Reimer: Falls jetzt tatsächlich eine Version TTIP light käme, also ohne Investitionsschutzregelungen, wäre man dann unter diesem Aspekt auf der sicheren Seite?
    Mit TTIP Light: "Überhaupt nicht auf der sicheren Seite"
    Fuchs: Nein! Wir wären überhaupt nicht auf der sicheren Seite. Vielleicht erinnern sich auch Ihre Hörerinnen und Hörer, dass mit CETA ja schon ein TTIP light in gewisser Weise auf den Weg gebracht wurde. CETA ist das Abkommen mit den Kanadiern. Das CETA-Abkommen mit Kanada ist auf europäischer Ebene verabschiedet, muss aber noch zum Beispiel im Deutschen Bundestag ratifiziert werden, oder kann dort abgelehnt werden. Denn in diesem CETA sind genau Investitionsschiedsgerichtsmöglichkeiten vorgesehen, die Investoren nutzen können – übrigens auch US-Investoren, denn 42.000 US-Firmen haben auch in Kanada Investitionen. Und wenn sie ihre europäischen Investitionen über Kanada steuern, können sie auch die Klagemöglichkeiten von CETA zukünftig nutzen. Wir sind also nicht auf der sicheren Seite; wir müssen auch CETA verhindern und sehr aufmerksam beobachten, was Deutschland, die Europäische Kommission weiter mit den ISDS-Schiedsgerichten anfangen wollen. Leider, leider treibt die Kommission dieses ganze Programm der Konzernsonderrechte weiter voran. Wenn es nicht direkt in TTIP light geht, dann versucht sie es aber in vielen anderen Abkommen mit Mexiko, mit Indonesien, mit Singapur.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.