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DLR-Vorstand Ehrenfreund
"Wir sind extrem abhängig von der Raumfahrt"

Unser tägliches Leben sei bestimmt von der Raumfahrt, sagte die DLR-Vorstandsvorsitzende Pascale Ehrenfreund im Dlf. Wenn die Satelliten ausfallen würden, gäbe es kein Navi im Auto, keine Wettervorhersage, kein Fernsehen. Deshalb gebe es auch nicht wirklich einen Rechtfertigungsdruck für die Forschungsausgaben.

Pascale Ehrenfreund im Gespräch mit Arndt Reuning |
    Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) im März 2017 in Oberpfaffenhofen.
    Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) (imago / Oryk Haist)
    Arndt Reuning: Forschungstrends 2018, so heißt unsere Reihe, in der wir zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der großen deutschen Forschungsorganisationen einen Blick zurück werfen auf das Jahr 2017 und gleichzeitig wissen möchten, unter welchen wichtigen Themen das laufende Jahr stehen wird. Heute schauen wir auf das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ich habe mit der Vorstandsvorsitzenden des DLR gesprochen, mit Pascale Ehrenfreund. Und zunächst einmal habe ich sie gefragt, nach dem größten Erfolg für das DLR im vergangenen Jahr.
    Pascale Ehrenfreund: Das DLR hat zum ersten Mal eine Gesamtstrategie, die DLR-Strategie 2030 verabschiedet. Und das war schon ein großer Erfolg für uns, denn das gibt uns eine wirkliche Richtung für die nächsten 15 Jahre. Und ich glaube, etwas, das ja auch sehr durch die Presse ging: Wir haben sieben neue Institute gegründet und die bauen wir jetzt auf. Und da können wir uns mit ganz, ganz tollen neuen, spannenden Themen in der Zukunft beschäftigen. Wir haben vier neue Institute für die Digitalisierung der Luftfahrt gegründet, wir haben ein Institut in dem wirklich wichtigen Thema Big Data, Datenwissenschaften, und wir haben auch ein Institut für vernetzte Energiesysteme und unser erstes Institut für Sicherheitsforschung, nämlich für maritime Sicherheit.
    Reuning: Nicht immer läuft ja alles ganz glatt. Gab es auch Misserfolge oder Dinge, die Sie im Nachhinein vielleicht anders angegangen wären im vergangenen Jahr?
    Ehrenfreund: Da fällt mir also wirklich nichts Dramatisches ein. Wir haben unheimlich viel Arbeit. Weil wir uns neu ausrichten und wir neue Institute aufbauen, weil wir eigentlich so dynamisch in die Zukunft gehen und wirklich so wahnsinnig viel zu tun haben und die ganze Organisation ja natürlich in diese Neuausrichtung eingebunden ist, kann ich mich wirklich an einen Misserfolg in dem Sinne gar nicht erinnern.
    "Wir haben ganz spannende Kandidatinnen für die Zukunft"
    Reuning: Aber es gibt ja vielleicht Rückschläge. Das DLR ist zum Beispiel beteiligt an der Initiative Astronautin, deren Ziel ist es, die erste deutsche Frau ins Weltall zu bringen, auf die Internationale Raumstation. Sie selbst saßen ja auch im Auswahlkomitee, das im vergangenen April zwei Kandidatinnen gekürt hat, in der Schlussrunde sozusagen. Eine der beiden angehenden Astronautinnen ist mittlerweile wieder aus dem Projekt ausgestiegen. War das ein Rückschlag für dieses Projekt?
    Ehrenfreund: Ja. Ich meine, das war eine wirklich ganz tolle Jetpilotin! Und natürlich auch eine Inspiration für Frauen und Mädchen. Aber wir hatten hier ein enormes Pool, ganz am Anfang von 400, dann haben wir gescreent und ich muss dazu sagen, dass das eine Privatinitiative ist und das DLR in dem Sinne nur damit involviert ist, dass wir hier Forschungsarbeiten leisten. Und ich kann sagen, dass es also dann sechs Finalisten gab, und die waren eigentlich alle ganz toll. Und jetzt ist eine nachgerückt, die also wirklich sicher fast genauso gut ist. Sie ist keine Jetpilotin, aber sie ist eine Astronomin aus dem European Southern Observatory, also von ESO und extrem enthusiastisch. Und ich glaube, dass wir mit allen Kandidatinnen, die in der letzten Auswahl waren und die auch getestet wurden, wirklich ganz spannende Kandidatinnen haben für die Zukunft.
    Reuning: Unter welchem Zeichen sehen Sie denn das Jahr 2018 am DLR, was sind da die wichtigen Themen?
    Ehrenfreund: Wir haben natürlich unsere sieben neuen Institute. Die müssen wir stabil aufbauen, wir müssen natürlich viele Wissenschaftlerinnen und Ingenieure aufnehmen und wir müssen auch Gebäude kaufen, Infrastrukturen aufbauen, das ist also sicher ein spannendes Unternehmen. Und wir müssen also auch jetzt diese Querschnittsinitiative, diese interdisziplinäre Forschung, die wir in unserer Strategie ausgelegt haben, implementieren. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen auch noch ein paar Beispiele geben.
    Reuning: Gerne.
    "Das Flugzeug von morgen soll kostengünstiger am Computer entworfen werden"
    Ehrenfreund: Ich glaube, in der Luftfahrtforschung gehen wir also wirklich in die Zukunft mit den vier neuen Instituten. Das Flugzeug von morgen soll eben schneller und kostengünstiger am Computer entworfen werden und auch erprobt werden, und auch die ganze Wartung eines Flugzeuges kann man natürlich sehr effizient mit einem digitalen Zwilling verfolgen. Und da, glaube ich, können wir wirklich in die Zukunft gehen und wir arbeiten nicht nur an der Elektromobilität, aber auch am autonomen Fahren. Und wir haben ein Testfeld, das Testfeld Niedersachsen, wo wir also wirklich autonomes Fahren und auch vernetzte Verkehrssysteme in der Zukunft bauen können. Und ich glaube, in der Raumfahrt ein ganz wichtiges Thema ist: Wir sind Pioniere in der Radartechnologie in Deutschland, wir hatten ganz spannende Satelliten, die schon zehn Jahre lang im All sind und mit denen wir ein digitales Höhenmodell der gesamten Erdoberfläche beobachten konnten und ausgearbeitet haben. Und wir haben jetzt ein zukünftiges Projekt mit dem Namen Tandem L, wo wir eigentlich wieder mit einer Radartechnologie die gesamte Biomasse der Erde wirklich in einer hohen Auflösung und in einer extrem schnellen Wiederholung messen können.
    Reuning: Sie hatten die Radartechnik angesprochen. Da geht es ja um Erdbeobachtung. Wie sieht das denn aus mit Missionen zu anderen Himmelskörpern, sind Sie da auch beteiligt?
    Ehrenfreund: Ja, wir sind an ganz, ganz vielen Missionen beteiligt, vor allem jetzt gerade im Mai 2018 wird die NASA-Sonde "Insight" starten. Und das DLR liefert ein Instrument, das dann auf der Oberfläche mehr oder weniger einige Meter in die Tiefe bohren wird und so also das Temperaturprofil der Oberfläche bis fünf Meter in die Tiefe des Mars untersuchen wird. Und da sind wir natürlich ganz stolz, dass wir bei so einer großen amerikanischen Mission teilnehmen. Mit den Japanern werden wir zu einem Asteroiden fliegen und unseren kleinen MASCOT-Lander abwerfen, im Jahr 2019, jetzt sind wir gerade auf der Reise. Also ganz viele spannende Themen.
    "Raumfahrt bestimmt wirklich unser tägliches Leben"
    Reuning: Sehen Sie sich denn da auch einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, wenn es gerade um das Finanzielle geht? Ist das denn irgendwie zu vermitteln, dass wir Geld dafür ausgeben, dass wir eben, sagen wir, zu einem Asteroiden fliegen und dort eine Landeeinheit absetzen, während wir doch hier auf der Erde vielleicht sehr viel drängenderer Probleme haben?
    Ehrenfreund: Also im Allgemeinen wissen Sie ja, dass Raumfahrt wirklich unser tägliches Leben bestimmt. Wenn die gesamten Satelliten ausfallen würden, würde Ihr Leben ganz anders aussehen, Sie haben kein Navi in Ihrem Auto, Sie haben keine Wettervorhersage, Sie werden sich sehr schlecht zurechtfinden, Sie werden auch wahrscheinlich gar nicht mehr fernsehen können. Das heißt, wir sind heute extrem abhängig von der Raumfahrt. Ich glaube, das vergessen wir oft, und ich glaube, da gibt es nicht wirklich einen Rechtfertigungsdruck. Sie wissen, Erdbeobachtungen - das haben wir vorher kurz angesprochen mit Tandem L -, das ist etwas, das unsere Zukunft sichert, vor allem in Europa sind wir wirklich dem COP-21-Abkommen der Klimaziele verpflichtet, und vor allem auch jetzt mit der Situation in Amerika, glaube ich, wird Europa hier eine ganz wichtige Rolle spielen. Und man muss es den Menschen erklären, wie wichtig das ist, aber es ist selbstverständlich, dass wir mit Erdbeobachtungen die Zukunft unserer Landwirtschaft, Migration, Katastrophenhilfe leisten und vieles mehr. Das ist natürlich ganz wichtig, dass man das kommuniziert, aber ich glaube, da gibt es sehr wenig Rechtfertigungsdruck. Und wenn wir uns ansehen, wie wir unser Sonnensystem und unser Universum weiter beforschen: Nun, das ist der Drang des Menschen, das ist die Neugier. Wir können uns nicht weiterentwickeln, wir wollen wissen, wie unser Sonnensystem aufgebaut ist, wir wollen wissen, warum wir auf dieser Erde entstanden sind, warum Leben entstanden ist und wir uns entwickelt haben. Und das sind auch ganz fundamentale Fragen, mit denen wir uns auch intellektuell weiterentwickeln können.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.