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Documenta 14
Von Athen lernen - heißt das Schulden machen?

Am Sonntag endet die Documenta 14. Wie es scheint, endet sie auch in einem Desaster. Finanziell, weil sie ein Loch von sieben Millionen Euro verursacht hat. Und künstlerisch, weil schon zu ihrer Eröffnung heftig über ihr Konzept gestritten worden ist. Sollte man die Documenta deshalb sogar abschaffen?

Georg Imdahl und Hanno Rauterberg im Gespräch mit Karin Fischer |
    Auf einem Hügel steht ein aus Büchern zusammengesetzter Parthenon nach dem Vorbild des Parthenon auf der Athener Akropolis.
    Das "Parthenon der Bücher" von Marta Minujín auf der documenta in Kassel. (Christel Boßbach)
    Das Konzept "zwei Orte für eine Documenta" – Kassel und Athen – war vermutlich als solidarischer Akt gemeint, sich auf eine "Zweistaatenlösung einzulassen", meint Hanno Rauterberg, Kunstkritiker der Wochenzeitung "Die Zeit". Von Athen lernen, heißt Schulden machen, das sei zwar nur ein schlechter Scherz mit dem Motto der Documenta, findet Rauterberg: "Aber zwei Documenta-Schauen zum Preis von einer zu machen, das war von Anfang an sehr unrealistisch." Aus künstlerischer Sicht lohnte sich die Kunstschau aber nicht. Statt neuer Positionen habe es nur Klagegesänge über Gewalt, Krieg und Flüchtlinge gegeben. Nur am Rande habe eine ästhetische Auseinandersetzung stattgefunden. Rauterberg spricht deshalb von einer "sehr zustimmungspflichtigen Ausstellung". Nur wer sich als Besucher Belehrung erhofft habe, sei in Kassel oder auch in Athen "gut aufgehoben" gewesen.
    Der Kunstkritiker Georg Imdahl hofft, dass das "finanzielle Debakel" für die Zukunft der Kunstschau auch "heilsame Folgen" haben könnte. "Wir müssen wegkommen vom Wachstumsdenken in Form von Großausstellungen", so Imdahl. Adam Szymczyk, künstlerischer Leiter der Documenta 14, habe sich sogar als "Apostel der Beschränkung, der Einkehr und der Reduktion" inszeniert, so Rauterberg ergänzend. Am Ende aber seien die Ausgaben höher gewesen als die aller gewesener Kasseler Schauen: Über 200 Künstler an über 80 Standorten.
    Kritik aus Athen am Kunstkonzept
    In Athen waren die Reaktionen auf den griechischen Standort sehr gespalten, ergänzte Rauterberg. Viele Künstler bzw. Aktivisten hätten das Kassel-Athen-Konzept kritisiert. Es sei kolonialistisch und exotisierend. Dem Kuratoren-Team sei es wohl darum gegangen, die Documenta als Institution zu erneuern, zu revolutionieren. Durch diesen Ansatz aber seien die meisten Energien "allein in die Neuformierung der Institutionen" geflossen und viel zu wenig in die Auswahl und ästhetische Setzung der Kunstwerke, so Rauterberg. Die Macher hätten deshalb das künstlerische Versprechen der Ausstellung bei den Besuchern nicht einlösen können, folgerte Rautenberg. Stattdessen sei das Publikum mit einer stark historisierenden Ausstellung konfrontiert worden. Mehr als die Hälfte der ausgestellten Künstler sei bereits verstorben.
    Documenta ohne kuratorischen roten Faden
    Imdahl schloss mit der Kritik an, die Documenta 14 habe eine "enorme Infrastruktur" aufgebaut. Dabei würden uns die auf der Schau verhandelten Themen sicherlich noch weiter beschäftigen: Die Kritik an der Normativität des Westens, die ökonomische Spaltung, der Blick auf die indigene Bevölkerung. Um all diese Themen zu bündeln, habe es aber an einem "kuratorischen Band" gemangelt, das all diese Aspekte zusammengehalten hätte.
    Während Rauterberg die Meinung vertritt, dass es eigentlich schon gereicht hätte einige wichtige Kunstwerke, sogenannte Key Works, der Documenta aufzuzeigen, ist Imdahl der Meinung, dass eine so wichtige Ausstellung wie die Documenta mehr brauche als eine Handvoll bedeutender Kunstwerke.
    Soll die Documenta abgeschafft werden?
    Besonders missfiel dem Zeit-Kritiker, dass die Documenta die Besucher offensichtlich als "beschränkte Wesen" wahrgenommen habe. Statt Leerstellen für eigene Denkräume zu schaffen, sei die Deutung vieler Kunsträume von den Kuratoren vorweggenommen worden. Soll die Documenta also abgeschafft werden? Während Imdahl in dieser Frage einen "blanke(n) Populismus" sieht, findet Rauterberg es durchaus fruchtbar, über ein solches Szenario einmal nachzudenken. Die Documenta sei aus wirtschaftlichen Gründen sicherlich bedeutend; für den Kasseler Oberbürgermeister und für die Regionalwirtschaft. Was aber fehle der Kunst? Man brauche die Documenta heutzutage nicht mehr als Antwort auf die Frage, was in der zeitgenössischen Kunst gerade wichtig und Trend ist. Dafür gebe es auch andere Schauen. Die Kasseler Kuratoren seien deshalb "verkrampft" und "unfrei" ans Werk gegangen. Der ganze "Hype" um die Documenta finde ohne die Kunst selber statt, fügte Imdahl hinzu. Der künftige Kurator brauche mehr Mut. Was verändert werden müsse, seien die Strukturen, sagte Rauterberg. Schließlich sei es kein Zufall, dass viele Leute auf dem Kuratoren-Posten landen würden, die vorher keine bedeutenden Institutionen geleitet hätten.