Maxim Jakiwez hat seinen Helm und die Grubenlampe an den Nagel gehängt, er hat die Nase voll.
"Du kommst zur Arbeit und die Fahrzeuge sind kaputt. Die Geschäftsleitung reagiert nicht. Viele von uns haben die Ersatzteile und sogar den Diesel aus eigener Tasche bezahlt, nur damit wir arbeiten können. Und keiner hat uns die Auslagen erstattet, ich war wirklich bedient."
Jetzt schreinert der ehemalige Bergmann Mobiliar für Restaurants, wie dieser Pizzeria, in der er von den Lohnschulden der Bergwerke erzählt.
"Unseren Lohn bekamen wir häppchenweise, sie haben immer noch Schulden bei uns. Alles in allem fehlen mir drei bis vier Monatsgehälter."
Jetzt sägt, fräst und schleift er Holz für Tische, Stühle und Fenster – alles mit alten Maschinen einer aufgegebenen Tischlerei. Seit 200 Jahren wird in Lissitschanski in der Ostukraine Steinkohle abgebaut, doch seit dem Krieg nur noch in drei der vier Bergwerke. Die Förderleistung sank auf unter 20 Prozent, aber die Bergleute schufteten eher mehr als weniger.
Investoren ziehen sich zurück
Die Technik ist völlig marode, es fehlt Geld für die Stabilisierungsbauten unter Tage, nicht einmal Rettungsmasken gibt es genug. Statt im Krieg den heimischen Bergwerken zu helfen, importiert Kiew lieber Kohle aus dem Ausland. Ein chinesischer Investor hat sich wieder zurückgezogen, erzählt der Gewerkschaftschef Wladimir Iwanischin, der 3.500 Bergleute vertritt.
"Weil ein großer Teil des Donbass verloren ging, wegen des Krieges und der ganzen Unsicherheit haben die Chinesen auch die Reparaturzentren nicht mehr gebaut."
Der Donbass war ein einheitlicher Wirtschaftsraum mit großer Arbeitsteilung, doch jetzt liegen drei Viertel der Bergwerke in den sogenannten Lugansker und Donzeker Volksrepubliken. Jeglichen Handel, auch den von dringend benötigen Ersatzteilen für die Grubentechnik, verbietet die von Kiew verhängte Blockade. Viele gehen fort, sogar nach Russland, obwohl es ihnen den Krieg in der Ostukraine beschert hat. Nicht nur aus Lissitschansk, auch aus Sewerodonezk, dem Chemiestandort nebenan.
"Vor dem Beginn des Krieges im Februar 2014 hatten wir 7.000 Mitarbeiter, heute sind es 3.500. Die Leute sind gegangen: in die westlichen Landesteile, nach Russland, nach Europa", sagt Walerij Tschernysch, der oberste Gewerkschafter des Unternehmens ASOT, eines Chemiekonzerns, der dem Oligarchen Dmitri Firtasch gehört.
Chemieunternehmen vom Stromnetz abgeschnitten
Dort muss man ohne ihn zusehen, wie man ohne Stromversorgung weiter produziert. Denn Firtasch sitzt wegen eines Auslieferungsantrages der USA in Österreich fest. Seit den Gefechten 2014 sind die Überlandstromleitungen zerstört, Geschosse trafen den Chemieriesen ASOT. Eine Katastrophe wurde verhindert, weil frühzeitig Gefahrengüter abtransportiert wurden. Der Gewerkschafter weiß nicht, wer der ostukrainischen Wirtschaft mehr schadet: der Krieg oder die Regierung in der Hauptstadt Kiew.
"Wir wissen nicht, wer voriges Jahr im März das Kommando gegeben hat, unsere drei Düngemittelbetriebe nicht mehr mit Erdgas zu beliefern. Wir mussten schließen! Die Bauern waren stinksauer, dass sie keinen Dünger bekamen. Aber fest steht, dass jemand daraus seinen Nutzen zog: Denn in diese Lücke sprangen ausgerechnet russische Lieferanten, die noch dazu ihren Dünger zu Niedrigpreisen auf unserem Markt anboten und ihn damit kaputt machten."
Waleri Tschernyschs Gewerkschaftsverband hatte gerade 65jähriges Jubiläum, eine Erinnerung an bessere Zeiten. Der Donbass war einst eine mächtige Industrieregion mit Maschinen- und Bergbau, Chemieindustrie und riesengroßen landwirtschaftlichen Flächen.
"Wenn unsere Betriebe wieder normal arbeiten könnten, müssten wir nicht mit ausgestreckter Hand woanders betteln. Aber die Ukraine gibt ihren Bürgern nicht zu verstehen, dass sie sich für sie interessiert."
Bürger fühlen sich allein gelassen
Zu viele Personen profitieren vom Krieg. Jegliche Wirtschaftskontakte zu den sogenannten Volksrepubliken und Russland zu verbieten, schadet zusätzlich, findet der Kommunalpolitiker Eduard Schtscheglakow aus Lissitschansk.
"Wir reden hier von Bürgern der Ukraine auf dem Gebiet, das die Regierung nicht kontrolliert. Aber sie hat diese Territorien ja nicht aufgegeben. Doch die Blockade dürfte ihnen genau dieses Gefühl vermitteln: Dass ihre Regierung sich von ihnen abgewendet hat."