Wenn der Rektor der Universität Freiburg Hans-Jochen Schiewer den sechs Wissenschaftlern und Kriminologen nicht bis Montagabend Unabhängigkeit zusichere und den Vorwurf aus der Welt schaffe, sie würden vertragswidrig handeln, sei Schluss. Endgültig.
"Um das ganz klar zu sagen. Ich bin da ziemlich gespalten. Es tut weh, wenn man sechs Jahre lang relativ intensiv an dem Thema gearbeitet hat für die Universität Freiburg, und muss dann erkennen, eigentlich ist kaum jemand wirklich daran interessiert, dass die Dinge auf den Tisch kommen",
sagt Professor Gerhard Treutlein von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, eines der dienstältesten Mitglieder der Unabhängigen Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin. Nach vielen Querelen und Streitigkeiten auch zwischen ehemaligen Kommissionsmitgliedern habe es gerade im letzten Jahr ein sehr konstruktives und gutes Arbeitsklima gegeben, dass dazu geführt habe, dass man nach neun Jahren nun eigentlich kurz vor dem Abschluss stehe, betonen Treutlein und seine Kollegen unisono. Doch sie befürchten, dass ihre Ergebnisse oder Teile davon in Schubladen verschwinden könnten und sie sehen darin eine Einschränkung ihrer Unabhängigkeit. Das Rektorat erwiderte gestern Abend darauf:
"Ziel der Universität Freiburg ist die fundierte, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Aufklärung zur Freiburger Sportmedizin. Die Universität hat die inhaltliche Unabhängigkeit der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin stets gewahrt und wird sie stets sicherstellen. Daher sucht sie den Dialog mit der Evaluierungskommission, um deren im Raum stehende Fragen einvernehmlich zu klären."
Rektor Schiewer hat der Kommission angeboten, ihr Anliegen auf der nächsten Senatssitzung am 23. März vorzutragen. Nur der Senat sei auch befugt, darüber zu bestimmen, ob auf die bisher geltende Vertraulichkeit verzichtet werden könne.
Anfang Januar ging die Kommission damit an die Öffentlichkeit, dass sie erhebliche wissenschaftliche Mängel bei Arbeiten entdeckt hatte. Plagiate, bewusste Datenverfälschung, Weglassen relevanter Informationen. Die Uni-Leitung warf der Kommission daraufhin vor, die Veröffentlichung nicht mit ihr abgestimmt zu haben. Diese war nur die bisher letzte in einer Reihe von vielen Streitigkeiten zwischen Kommission und Universitäts-Rektor. Während Schiewer auf das Vertragsverhältnis hinweist, halten die Kommissionsmitglieder dagegen, dass es erstens keinen solchen Vertrag gebe, weder mit der Vorsitzenden Paoli, noch mit den einzelnen Mitgliedern:
"Das heißt, im Prinzip sind wir Kommissionmitglieder zu überhaupt nichts verpflichtet. Und der zweite Punkt ist, dass uns beim Eintritt in die Kommission absolute Unabhängigkeit zugesichert wurde und das will er jetzt einschränken, dass wir inhaltliche Unabhängigkeit haben. Aber eine Kommission der Universität Freiburg sind und das würde bedeuten, wenn die Gutachten abgegeben werden, dann werden die einer juristischen Prüfung unterzogen, und was dann aber anschließend damit passiert, darüber hätten wir dann keine Kontrolle mehr."
Die Kommission beklagte immer wieder, dass sie bei der Arbeit behindert worden sei, vor allem dadurch, dass Dokumente nur verzögert herausgegeben wurden. In einem Fall waren sogar Ordner für mehrere Jahre in den Privaträumen einer Uni-Mitarbeiterin verschwunden.
Dennoch hat die Kommission viele detaillierte Erkenntnisse zutage gefördert, die bestätigten, was bis dahin oft nur als Gerücht in der Welt war: Freiburg war ein zentraler Ort der Doping-Machenschaften in Westdeutschland.
Wenn die Kommission ihre Arbeit am Montag tatsächlich einstellen sollte, könnte es sein, dass keine weiteren Aufdeckungen mehr folgen. Während Treutlein befürchtet, dass dies im Interesse der Uni Freiburg und so manchem Sportmediziner wäre, betonte der Vizepräsident des deutschen Sportärztebundes Professor Wilhelm Bloch aus Köln erst Ende Januar, dass nun die Arbeit darin bestehe, die Spreu vom Weizen zu trennen:
"Aus Sicht der Fachgesellschaft ist es auch so, dass wir aus diesem Prozess lernen wollen. Wir können nicht mehr ungeschehen machen, was dort passiert ist. Da sind sicherlich viele Dinge passiert, die keiner guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen, aber was müssen wir für die Zukunft daraus ziehen. Wie achten wir bei den jungen Nachwuchswissenschaftlern darauf, dass solche Dinge nicht mehr passieren?"