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Doping und Leichtathletik
Verstrickung der IAAF-Spitze

Die ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping" aus der vergangenen Woche zeigt Nachwirkungen. Neue Enthüllungen über Doping führen mitten hinein in die Führungsebene des Leichtathletik-Weltverbandes.

Von Jessica Sturmberg |
    Eine leere rote Laufbahn auf einem Sportfeld
    Die IAAF in der Schusslinie (picture alliance / dpa / Romain Fellens)
    Die Verstrickung in das offenbar staatlich unterstützte, flächendeckende Dopingsystem in Russland reicht demnach in die höchste Ebene des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.
    Der Sohn von Präsident Lamine Diack, Pappa Massata Diack arbeite eng mit einem chinesischen Geschäftspartner zusammen. Dieser sei nicht nur sein Freund, sondern auch Marketingberater der IAAF und er stecke hinter der Firma Black Tidings, die gemäß den ARD-Recherchen umgerechnet 300.000 Euro an die russische Marathonläuferin Lilya Shobukhova überwies.
    Das Geld ist offenkundig eine Rückzahlung dafür, dass Lilya Shobukhova wegen Dopings gesperrt wurde, obwohl sie zuvor nach eigener Aussage Bestechungsgeld an den russischen Nationaltrainer Alexey Melnikov gezahlt hatte - um eben gerade nicht gesperrt zu werden.
    „Der Verband hat uns 2011 gesagt, uns, dass wir Probleme bekommen könnten - die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 sei gefährdet. Und wir müssten zahlen, um diese Probleme zu lösen. Dann könnte ich an den Olympischen Spielen teilnehmen."
    Der russische Verband streitet die Vorwürfe der ARD-Dokumentation allesamt ab. Präsident Valentin Balachnitschev sagte im russischen Fernsehen:
    „Unsere vorläufige Untersuchung hat ergeben, dass alle Aussagen in diesem Film falsch sind. Ich habe mit den Personen gesprochen, die beschuldigt werden, und ich habe erkannt, dass alle Informationen nicht der Wirklichkeit entsprechen."
    Valentin Balachnitschev ist nicht nur russischer Verbandspräsident, er ist auch Schatzmeister der IAAF. Es besteht also noch viel Klärungsbedarf. Auch bei der Frage: wie laufen Kontrollen eigentlich ab? Da scheint es große Unterschiede zu geben.
    Die zentrale Zeugin der ARD-Dokumentation, 800-Meter-Weltklasseläuferin Yuliya Stepanova, hat heimlich mitgefilmt, als sie von einer russischen Kontrolleurin der weltgrößten Doping-Kontrollfirma IDTM aufgesucht wird. Was sie dann erzählt: Es beginnt schon damit, dass Yuliya Stepanova vorher von der Frau angerufen wird:
    „Hallo, ich bin's. Von der Dopingkontrolle. Ich muss Sie kontrollieren. Wann sind Sie denn zuhause?" (nachgesprochen)
    Nach den Regeln müsste die Kontrolleurin unangekündigt bei Yuliya Stepanova auftauchen. Als sie dann zum vereinbarten Termin erscheint, der nächste Regelverstoß: sie lässt Yuliya Stepanova allein auf die Toilette gehen, keine Beaufsichtigung der Abgabe der Dopingprobe. Jedwede Manipulation wäre möglich. Die Frau ist sogar eine der Ausbilderinnen russischer Kontrolleure.
    Die Unternehmensführung der schwedischen Kontrollfirma IDTM zeigte sich erschrocken über die Vorwürfe und will diesen jetzt nachgehen.
    Für Weltklasseläuferin Yuliya Stepanova steht jedenfalls fest:
    „Ich weiß, dass viele Sportler in unserem Land das Systemändern wollen und darüber reden wollen, aber sie haben Angst. Weil das ein riesiger Apparat ist, den man nicht zerstören kann. Eher zerstört das System die Leute, als die Leute das System."