Die geheimnisvolle Anti-Gravitation, die hier am Werk sein muss, ist aber nicht das Einzige, was den Forschern derzeit Kopfzerbrechen bereitet. Neben der "Dunklen Energie" muss es im All auch riesige Mengen unsichtbarer Materie geben, die so genannte "Dunkle Materie". Sie soll aus riesigen Wolken noch unbekannter Elementarteilchen bestehen.
Diese neuen Erkenntnisse revolutionieren unser Bild des Universums: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht, und nachdem wir auch wissen, dass unsere Milchstraße nur eine von unzähligen Galaxien ist, zeichnet sich nun ab, dass der größte Teil der Energie und Materie im Universum unsichtbar ist. Eine kleine Schar von Physikern arbeitet daran, diesen Schattenseiten des Kosmos ihr Geheimnis zu entlocken. Sie bauen Experimente in stillgelegten Bergwerken und in Autobahntunnels. Sie kämpfen mit den Grenzen der modernen Messtechnik, mit Fledermäusen und mit Giftunfällen unter Tage. Vor allem aber kämpfen sie mit sich selbst - auf der Jagd nach der dunklen Seite des Universums. Wissenschaft im Brennpunkt begleitet sie auf ihrer Suche in der zweiteiligen Sendereihe:
Das große Schwarze
Die Schattenseiten des Universums
Teil 1: Dunkle Energie (13. Juni 2004)
Teil 2: Dunkle Materie (20. Juni 2004)
Die schwarz geflügelte Nacht,
eine Göttin,
vor der selbst Zeus in Ehrfurcht stand,
wurde vom Wind umworben
und legte ein silbernes Ei
in den Schoß der Dunkelheit;
Eros, den manche Phanes nennen,
entschlüpfte diesem Ei
und setzte das All in Bewegung.
Die Göttin selbst zeigte sich in der Dreiheit
von Nacht, Ordnung und Gerechtigkeit.
Seit dem Urknall expandiert das Universum. Die Abstände zwischen den Galaxien vergrößern sich immer weiter - und dies mit einer Geschwindigkeit, die immer mehr zunimmt. Eine geheimnisvolle Kraft, eine Art Anti-Gravitation treibt den Kosmos auseinander: Die Astronomen nennen sie die "Dunkle Energie". Außerdem vermuten sie große Mengen unsichtbarer Materie im All, die so genannte "Dunkle Materie". Sie besteht wahrscheinlich aus noch unbekannten Elementarteilchen, die als schwerfällige Wolken inmitten der Galaxien sitzen und diese zusammenhalten. Wir stehen vor einer neuen kopernikanischen Wende: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht, und nachdem wir wissen, dass die Sonne sich in einer Galaxie bewegt, die nur eine von sehr vielen Galaxien ist, zeichnet sich nun ab, dass der größte Teil der Energie im Universum unsichtbar ist. Volker Springel vom Max Planck Institut für Astrophysik in Garching:
Und es war eigentlich schon immer ganz interessant, schon vor fünf Jahren oder länger, dass die Modelle mit Dunkler Energie, die ja sehr spekulativ waren, immer eigentlich am besten gepasst haben. Und erst in jüngster Zeit sind ja die Evidenzen durch die Beobachtung entstanden, die nachweisen, dass es das gibt, damals hätte sich niemand dafür zu weit aus dem Fenster gelehnt, aber diese Dunkle Energie war schon immer irgendwie sexy für uns.
Im Sommer 2001 startete eine Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ins All und schickte eine besonderen Sonde auf die Reise: Die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, kurz WMAP. Sie war einen Monat unterwegs, bis sie den so genannten Lagrangepunkt L2 erreicht hatte. Er liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne und ist vier Mal so weit von der Erde entfernt wie der Mond. An dieser Stelle befindet sich die Sonde in einer besonders stabilen Position, relativ zu Erde.
WMAP scannt über viele Monate hinweg das ganze Firmament ab. Die Sonde misst Mikrowellen - also eine langwellige Strahlung, die vom Anfang des Universums übrig geblieben ist. Es handelt sich um das Nachglimmen des Urknalls, das überall im Kosmos vorhanden ist. Dieses Restleuchten ist aber nicht überall gleich groß. WMAP sieht ein Fleckenmuster, das sich über den gesamten Sternenhimmel zieht: Wärmere und kühlere Stellen wechseln einander ab. Der Astrophysiker Matthias Bartelmann, der gerade Professor an der Uni Heidelberg geworden ist, ist so begeistert von diesem Fleckenmuster, dass er es auf ein großes Poster gedruckt hat - für die weiße Wand in seinem Büro.
Da sind jetzt die kleinsten Strukturen, die Sie darauf sehen ungefähr 15 Bogenminuten groß. Das möchte ich einfach an die Wand hängen. (Lacht)
Bartelmanns Poster sieht aus wie ein Puzzle aus Millionen von blauen, grünen, gelben und roten Steinchen - die je nach Farbe für mehr oder weniger warme Flecken im All stehen.
Die Präzision, mit der die Raumsonde WMAP den Himmel der Mikrowellen kartiert hat, ist enorm. Ihre Daten ermöglichen es den Astronomen, erstmals sehr genau zu berechnen, wie alt das Universum ist, welche Form es hat und woraus es sich zusammensetzt. Zuvor war es den Forschern nicht möglich gewesen, sich in diesen Dingen genau fest zulegen. Alle kosmologischen Rahmendaten waren stets mit großen Unsicherheiten behaftet gewesen.
Dass Sie jetzt sagen können, das Universum ist 13,7 plus minus 0,2 Milliarden Jahre alt. Ich glaube, vor zwei Jahren hätten sie damit noch einen großen Lacherfolg erzielt.
Viele große Fragen der Kosmologie, so scheint es zumindest, sind nun beantwortet. Ist diese Wissenschaft damit am Ende?
Ich würde eher sagen, mit MAP beginnt die Kosmologie neu. Weil: alle Unsicherheit mit dem Rahmenmodell ist weitestgehend verschwunden. Das heißt, Sie haben jetzt nicht mehr die Freiheit zu sagen: Aber wenn mein Universum so und so beschaffen wäre, dann würde die Galaxieentwicklung so und so ablaufen. Das ist irrelevant geworden. Man weiß, wie das Universum im Großen beschaffen ist.
Dunkel und unsichtbar war die erste Welt
am Anfang allen Seins,
so dunkel wie die Wolle schwarzer Schafe.
Diese Welt der dunklen Erde war klein,
eine winzige Insel
auf dem unendlichen Weltennebel.
Vier Himmelsrichtungen gab es,
und über jeder lag eine Wolke.
In der Mitte aber wuchs die Weltenkiefer,
von der alle Kiefern
ihren Anfang genommen haben.
Die vier Wolken enthielten das Wesen
dieser ersten Welt,
die gestaltlos war,
und jede Wolke hatte eine bestimmte Farbe.
Das Universum im Jahr 1900: Das Universum ist ein fester, unbeweglicher Raum, starr wie ein Tierkäfig, aber unvorstellbar groß. Darin bewegen sich die Sterne. Die Astronomen wissen, dass es Sterneninseln, also Galaxien, gibt. Sie sind sich aber noch uneins darüber, ob diese Sterneninseln innerhalb unserer Milchstraße liegen oder ob sie noch viel weiter entfernt sind.
Das war eine lange, lange Diskussion. Und da hat man erstmal versucht die Größe der Milchstraße zu messen mit Kugelsternhaufen.
Bruno Leibundgut von der Europäischen Südsternwarte ESO.
Und Einstein hat die Relativitätstheorie völlig unabhängig von dem entwickelt. Hat dann aber, als er feststellte, dass das auch ein Modell fürs Universum ist, nachgefragt, was denn die Sterne für Geschwindigkeiten hätten. Weil er sehr früh realisiert hatte, dass das Universum in seinem Modellen nicht stabil sein kann. Entweder kollabiert es oder es expandiert.
Albert Einstein ging davon aus, das die Geometrie der Welt nicht ein für alle mal vorgegeben ist, sondern dass sie sich ändert, je nach dem wie die Masse im Universum verteilt ist. Ein radikal neues Konzept. Trotzdem war Einstein darum bemüht, seine neuen mathematischen Rechnungen an das astronomische Weltbild seiner Zeit anzupassen. Mit seiner Relativitätstheorie wollte er ein statisches Universum beschreiben, so wie es die Astronomen seiner Zeit sahen, also eines, das nicht zusammenschrumpft oder auseinander läuft. Zu diesem Zweck nahm Einstein einen Kunstgriff vor: er ergänzte in seinen mathematischen Gleichungen eine Konstante, die so genannte kosmologische Konstante, die er mit dem griechischen Buchstaben Lambda bezeichnete.
Bald nachdem Einsteins Relativitätstheorie etabliert war, machten auch die Astronomen mit ihren Sternbeobachtungen große Fortschritte: Den alten Streit über die Frage, ob es noch andere Galaxien gibt, die außerhalb unserer Milchstraße liegen, entschied ein amerikanischer Astronom, der die Entfernung bestimmter Sterne im Andromeda-Nebel bestimmen konnte.
In den 20er Jahren, 1926, hat Edwin Hubble die ersten Cepheiden gemessen, im Andromeda-Nebel und damit dann zeigen können, dass der Andromeda-Nebel viel, viel weiter weg ist als unsere Galaxie groß ist.
Fünf Jahre später schaffte Hubble noch einen zweiten, revolutionären Schritt. Ihm gelang es, die Bewegungsrichtung von etwa 30 Galaxien zu messen, und er erkannte, dass die meisten sich mit großer Geschwindigkeit von uns weg bewegen. Seine Schlussfolgerung: das Universum expandiert. Als Einstein sah, dass der Kosmos nicht statisch war, bezeichnete er Lambda als völlig überflüssig und als die "größte Eselei" seines Lebens. Heute aber gehen die Astrophysiker davon aus, dass Einstein mit eben diesem Lambda auf etwas Wichtiges gestoßen war: Die "Dunkle Energie", die für die Expansion des Universums verantwortlich ist.
Das Universum im Jahr 1930: Es gibt Galaxien weit außerhalb der Milchstraße. Die Milchstraße steht nicht mehr im Zentrum, sie ist nur eine von vielen Galaxien, und diese Galaxien entfernen sich alle voneinander, wie Rosinen in einem aufgehenden Hefeteig. Der Weltraum hat keine starre, ewige Struktur mehr, sondern er hat eine dynamische Geometrie. Er bläht sich auf.
Wenn man den Astrophysiker Matthias Bartelmann fragt, woran er gerade arbeitet, klappt er seinen Laptop auf und startet kurzerhand ein kleines Universum. Auf dem Bildschirm entstehen Strukturen, wie sie auch am Sternenhimmel zu sehen sind. Fein gewebte Netzwerke aus Galaxien, die aus der Ferne betrachtet ein wenig aussehen wie Wände aus Schaum. Für sein kleines Universum hat der Experte für Computersimulationen einiges zusammengerührt: eine geometrische Raumstruktur, Strahlung, Materie. Die wichtigste Zutat in seinem kosmischen Kochrezept aber ist die so genannte Dunkle Materie. Von dieser bislang noch unbekannten und unsichtbaren Masse im All vermuten die Astronomen, dass sie fast nur über ihre Gravitationskraft wirkt. Sie sammelt sich zu großen Klumpen an und sorgt dafür, dass Sterne sich zu Galaxien versammeln. Die "Dunkle Materie" wurde also dringend gebraucht bei der Erschaffung der Welt, weiß der Heidelberger Professor aus eigener Erfahrung.
Man startet eigentlich immer mit einer anfänglichen Verteilung der dunklen Materie, die zu sehr frühen Zeiten angenommen wird. So dass die Dichteschwankungen, die man da hat, sehr, sehr klein sind. Und dann mischt man der Dunklen Materie die entsprechende Menge Gas bei und lässt es einfach zeitlich laufen. Und bis zu dem Zeitpunkt, wo die Materie sehr dicht wird, spielt das Gas einfach keine Rolle. Es strömt mit der Bewegung der Dunklen Materie mit. Und dann, wenn das Gas sehr heiß wird, fängt es an, Dinge zu tun, die Dunkle Materie nicht kann - es strahlt Energie ab, es hat einen Druck, das heißt es widersetzt sich der weiteren Kompression.
Und so entsteht ein Galaxienhaufen, ein Gebiet im Weltall, in dem extrem viel Materie auf engem Raum vorhanden ist. Die Computer-Simulation dient Bartelmann als eine Art Experiment. Er versucht auf seinem Laptop Strukturen zu erzeugen, die in etwa dem entsprechen, was Astronomen mit ihren Teleskopen am Himmel beobachten. Dabei stellt sich immer wieder heraus: Nur die Ergebnisse der Simulationen mit Dunkler Materie und Dunkler Energie stimmen mit den realen Bildern des Weltalls überein.
Izanagi und Izanami standen auf der
schwebenden Brücke des Himmels
und beratschlagten und sprachen:
,Ist unten am Boden nicht etwa gar ein Land?'
Hierauf stießen sie mit dem
himmlischen Juwelenspeer nach unten
und rührten damit im blauen Meer herum.
Als sie die Salzflut gerührt hatten,
bis sie sich zäh verdickte,
und sie den Speer wieder heraufzogen,
häufte sich das vom Ende des Speeres
herabtropfende Salz des Wassers an
und wurde eine Insel,
die den Namen bekam Ono-goro-zima:
"Von selbst verdichtet und geronnen."
Das Universum im Jahr 1980: Der Kosmos hat einen Anfang - den Urknall. Er expandiert zu Beginn explosionsartig, und wurde nach einigen hundert tausend Jahren durchsichtig. Die Dunkle Materie bildete die ersten filamentartigen Strukturen und großen Klumpen. Sie zog die gewöhnliche Materie an und verdichtete sie zu Sternen, Galaxien und Galaxienhaufen. Die Konstante Lambda, also die Dunkle Energie, taucht in den Gleichungen der Kosmologen zur Relativitätstheorie kaum noch auf. Sie ist aus der Mode gekommen.
Das darf man vorm Mikrofon gar nicht sagen, aber: Wissenschaft ist ja auch nicht nur objektiv. Vor allem wenn's dann bei solchen Theorien oder Messungen so weit kommt. Die Interpretation das dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte bis die Interpretation soweit abgeschliffen oder die Leute sich soweit geeinigt haben, dass das wirklich in ein Textbuch rein kann. Die Wissenschaft selbst, wenn diese Theorien diskutiert werden dann ist das meist noch sehr, sehr offen. Sehr menschlich geht's da eigentlich zu. Da wird sehr stark diskutiert. Da gibt's auch Moderichtungen oder Mainstream.
In den 90er Jahren verdichteten sich die heftigen Diskussionen der Kosmologen zu einer kuriosen Schlagzeile: "Die ältesten Sterne sind älter als das Universum", war damals in den Zeitungen zu lesen. Irgendetwas konnte also nicht stimmen. Und in der Tat waren gleich mehrere Dinge nicht in Ordnung: Die Methoden zur Altersbestimmung der Sterne waren, wie sich später herausstellte, zu ungenau, und auch die Abschätzung der so genannten Hubble-Konstanten, aus der man das Alter des Universums errechnen kann, war zu vage. Schließlich belegten die Messungen immer eindeutiger, dass das Universum eigentlich viel zu wenig Masse enthielt.
Und dann war immer die Frage, wo sind die übrigen 70 Prozent der Masse. Und weil die Hubble-Konstante auch nicht gut genug bestimmt war, war das nie wirklich so ein brennendes Problem, man hat sich da immer so mit Fehlerbalken und so herausreden können. Vor vielleicht 5 Jahren ist es dann schwieriger und schwieriger geworden. Das wirklich miteinander zu verbinden. Die Sternentwicklungsleute haben gesagt, jetzt kriegen wir die Alter nicht mehr runter, jetzt haben wir alles versucht, das ist jetzt die bleiben bei 12 Milliarden Jahren oder so was.
Dann, im Jahr 1998, gelang es einem amerikanischen Forscherteam, dem auch Bruno Leibundgut von der ESO angehörte, ein Durchbruch. Die Astronomen hatten Supernovae vom Typ Ia vermessen, eine besondere Gruppe von sehr genau bekannten Stern-Explosionen. Gewaltige Leuchtfeuer, die das Team in verschiedenen Entfernungen beobachtete. Am schwierigsten war es diejenigen zu finden, die sich ganz weit draußen befinden, auf dem halben Weg zum Urknall. Denn von ihnen kommen nur sehr wenige Photonen, also Lichtteilchen bei uns an.
Ich hab ein Spektrum damals analysiert, da hab ich mir ausgerechnet, da haben wir in einer Stunde 5 Photonen von dem Objekt beobachtet. In einem gewissen Wellenlängenbereich haben wir in einer Stunde 5 Photonen beobachtet. So was zu analysieren ist beliebig schwierig, ich habe da zwei Monate dran verbracht. nur an diesem einen Spektrum.
Mit diesen langwierigen Messungen gelang es Leibundgut und Kollegen herauszufinden, wie schnell der Kosmos expandiert. Ausgegangen war das Forscherteam von der damals gängigen Annahme, dass das Universum sich erst sehr zügig ausgedehnt hat, um danach immer langsamer zu werden.
Und da haben wir 1,2 Jahre gemessen, und wie dann das erste Datenset zusammen kam, da war Adam Riess in Amerika, der hat das zusammengeschrieben, hat gesagt er findet in der Analyse, dass halt statt einer Abbremsung eine Beschleunigung da wäre. Das war eine Email, die ist herum gegangen, da haben wir gesagt, das kann nicht sein. Da haben wir versucht, den Fehler zu finden. Und nach 2 Monaten haben wir gesagt: Wissen wir auch nicht, jetzt publizieren wir das mal. Es muss halt jemand anderes den Fehler finden. Und dann haben wir das geschrieben und gesagt: es sieht so aus wie wenn da eine kosmologische Konstante wäre, also was wir gefunden haben, ist dass die entfernten Supernovae im vergleich zu den nahen Supernovae zu lichtschwach waren. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wieso das der Fall ist. Aber die für uns damals einfachste Möglichkeit war halt, dass die entsprechend weiter entfernt waren, als was die Modelle hergegeben haben. Und in dem Fall weiter entfernt als in einem leeren Universum. Das leere Universum ist der Grenzfall, wenn kein Materie da ist, dann expandiert das Universum einfach linear auswärts - und die waren aber weiter weg oder lichtschwächer als in einem leeren Universum vorhergesagt wurde. Und deswegen haben wir gesagt: irgendwas muss die Objekte weggestoßen haben - oder besser uns von den Objekten weggestoßen haben. Und das war dann die beschleunigte Expansion.
Das überraschende Ergebnis lautete also: Das Universum hat sich direkt nach dem Urknall extrem schnell ausgebreitet, dann ist es sozusagen auf die Bremse gegangen, um nun doch wieder aufs Gaspedal zu treten. Bald nach der ersten Publikation von Riess, Leibundgut und Kollegen bestätigte eine zweite unabhängige Arbeitsgruppe diese Ergebnisse:
Es war ein sehr starker Wettlauf, wenn Sie mit jemandem von der Gruppe sprechen, behaupten die immer, dass sie vor uns da waren.
Verantwortlich für die dynamische Expansion des Universums ist Einsteins kosmologische Konstante - die aber nicht unbedingt konstant sein muss. Der amerikanische Kosmologe Michael Turner ersetzte sie darum bald darauf durch den Begriff "Dunkle Energie".
Manchmal, wenn etwas große Rätsel aufgibt, dann muss man ihm einen Namen geben. Es ging mir mit dem Begriff der "Dunklen Energie" darum, den Astronomen klar zu machen, dass es sich hierbei nicht notwendiger Weise um Einsteins Konstante Lambda handeln muss. Es könnte auch sein, dass die Dunkle Energie sich im Verlauf des Universums ändert. Wir können derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich einfach nur um die kosmologische Konstante handelt.
Das Universum im Jahr 2003: Die Astronomen haben sich in ungewohnter Eintracht auf das so genannte Konkordanz-Modell geeinigt: Das Weltall ist 13,7 Milliarden Jahre alt. Es besteht zu 70 Prozent aus der Dunklen Energie, die Expansion des Kosmos vorantreibt, zu 25 Prozent aus einer noch unbekannten Dunklen Materie und zu 5 Prozent aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie.
Dieses Bild hatte sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet, mit großer Sicherheit bestätigt wurde es von der Raumsonde WMAP, die das Nachglimmen des Urknalls, das überall im Kosmos vorhanden ist, so genau vermessen hat.
Die wohl größte Überraschung war, dass es bei WMAP keine große Überraschungen gab. Die Kosmologie hat sich wirklich verändert, sie hat sich zu einer Präzisionswissenschaft entwickelt. Weil die verschiedenen Messungen jetzt alle zusammenpassen. Es wird nicht mehr so leicht passieren, dass eine neue Messung alles auf den Kopf stellt. Denn dann müsste man erklären können, warum diese eine Messung richtig und fünf andere falsch liegen.
Volker Springel vom Max Planck Institut für Astrophysik in Garching:
Es ist eines der wichtigsten Experimente überhaupt der vergangenen Jahre. Aber es hat keines der größten Rätsel lösen können, die im Bereich der Dunklen Materie und der Dunklen Energie liegen. Und in meinen Augen sind diese Fragen nach wie vor komplett offen und stellen klar: eine der größten Herausforderungen für die gesamte Astrophysik, für die gesamte Physik sind eigentlich absolut fundamentale Probleme.
Was die Dunkle Energie anbelangt, so vermuten Teilchenphysiker, dass es sich um einen Vakuumeffekt handelt. Eine Art Grundschwingung im leeren Raum, die das Universum auseinander treibt. Doch die entsprechenden quantentheoretischen Rechnungen ergeben allesamt einen viel zu geringen Wert für die Dunkle Energie.
Die Kosmologen diskutieren derzeit darum ein neues Modell: die so genannte Quintessenz. Demnach steckt hinter der Dunklen Energie keine kosmologische Konstante, sondern ein physikalisches Kraftfeld, ähnlich wie ein elektrisches oder magnetisches Feld - das im Verlauf der Geschichte des Kosmos schwächer wird.
Das ist eben ein Teilchenfeld, ein Skalarfeld, das irgendwann in der Frühphase des Universums ein explosive Expansion angetrieben hat - und dann geht dieses Feld in einen neuen Grundzustand über und hört dann auf. Wie allerdings dieser Übergang in den Grundzustand genau abläuft, dass hängt davon ab, wie das Potenzial von dem Feld beschaffen ist. Und dann dauert es eine Weile bis dieser Slowroll, dieser Übergang in den Grundzustand vollzogen ist - und eine Idee, eben dieses Lambda zu erklären, ist dass dieser Grundzustand noch nicht erreicht ist. Dass letztlich wir immer noch oder wieder in eine Phase der schnellen Expansion hineingeraten - aufgrund dieses Feldes.
Die Entwicklung dieses Quintessenz-Feldes würde also das Schicksal des Kosmos bestimmen. Wenn es sich irgendwann deutlich abschwächen würde, könnte es sogar sein, dass das Universum wieder in sich zusammen fällt. Die Kosmologen sprechen hier vom "Big Crunch" - dem großen Zermahlen. Aber auch der umgekehrte Fall ist möglich: Würde die Dunkle Energie sehr stark anwachsen, würde sie irgendwann stärker als alle anderen Kräfte werden, und das Universum könnte regelrecht explodieren: Die Kosmologen sprechen hier vom "Big Rip" - dem großen Riss am Ende der Geschichte. Eric Gaswiser von der Yale Universität.
Wenn es sich bei der Dunklen Energie um eine Konstante handelt, würde das Universum langsam immer weiter expandieren - und zwar bis in alle Ewigkeit. Wenn aber die Dunkle Energie nicht konstant ist, sondern im Laufe der Zeit ansteigt, würde das Weltall in einer endlichen Zeit unendlich groß werden. Die Galaxien, die Planeten, und auch die Moleküle und Atome würden irgendwann von der gewaltigen Kraft der Dunklen Energie auseinander gerissen. All dies würde in den letzten Minuten passieren, kurz vor dem allerletzten Moment: Dem "Big Rip", der großen Explosion. Danach wird nichts mehr übrig sein. Genau so, wie man sich nicht Fragen kann, was vor dem "Big Bang" war, kann nicht wirklich fragen, was nach dem "Big Rip" kommt.
Möglicherweise lässt sich die Dunkle Energie eines Tages mit Hilfe der so genannten String-Theorie erklären. Nach diesem mathematischen Modell sind die Elementarteilchen nicht punktförmig, sondern sie bestehen aus winzigen schwingenden Saiten. Diese Strings bewegen sich aber nicht nur in drei Raum-Dimensionen, sondern sie erstrecken sich über 10 Dimensionen.
Es wäre wunderbar, wenn wir diese zusätzlichen Dimensionen der String Theorie finden könnten. Noch haben wir dafür aber keinen Test. Aber es könnte sein, dass diese höhere Dimensionen zur Dunklen Energie beitragen. Im Moment sammeln wir viele solche verrückte Ideen, legen sie alle auf den Tisch und fragen uns: welche von ihnen ist richtig? In den nächsten 10, 20 Jahren wird sich hoffentlich eine dieser Ideen durchsetzen, und dann werden wir wissen, warum das Universum seine Expansion beschleunigt.
Neue handfeste Messdaten werden in Zukunft wiederum die Supernovas liefern, deren Bewegung Bruno Leibundgut in den Tiefen des Alls beobachtet.
Jetzt geht es darum festzustellen, was die Natur der Beschleunigung ist. Wichtig ist jetzt, dass wir charakterisieren können, was jetzt die Dunkle Energie ausmacht. Da müssen wir jetzt die Charakterisierung messen, z.B. die Stärke und solche Dinge und das können wir im Moment auch nur mit den Supernovae machen.
Leibundgut und Kollegen haben inzwischen 42 extrem weit entfernte Supernovae vom Typ Ia entdeckt und vermessen. Nach ihren neusten Datenanalysen sieht es so aus, als sei die Dunkle Energie entweder nur wenig oder gar nicht veränderlich. Bis auf weiteres bleibt also Albert Einsteins kosmologische Konstante die richtige Beschreibung für die Dunkle Energie. Das Universum wird sich in den nächsten 30 Milliarden Jahren weiter ausdehnen. Was aber danach kommt ist noch ungeklärt. Ob die Dunkle Energie auch nach dieser Zeit konstant bleiben wird. Und was letztlich hinter ihr steckt - bleibt bis auf weiteres im Dunkeln.
Es gibt eine Sage von einem Feigenbaum,
dem riesigen Acvatha, dem immer lebenden,
der wurzelt im Himmel,
die Zweige abwärts gerichtet ...
Seine wahre Gestalt, sein Ursprung, sein Ende,
sein wirkliches Wesen,
kann keiner auf Erden erfahren.
Die zitierten Schöpfungsberichte stammen aus der griechischen Mythologie, aus den Erzählungen der Navaho-Indianer sowie aus der japanischen und indischen Überlieferung.
Der zweite und letzte Teil der Reihe "Das große Schwarze. Die Schattenseite des Universums" trägt den Titel "Dunkle Materie" und wird kommende Woche, am 20. Juni, zur gleichen Zeit ausgestrahlt.
Diese neuen Erkenntnisse revolutionieren unser Bild des Universums: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht, und nachdem wir auch wissen, dass unsere Milchstraße nur eine von unzähligen Galaxien ist, zeichnet sich nun ab, dass der größte Teil der Energie und Materie im Universum unsichtbar ist. Eine kleine Schar von Physikern arbeitet daran, diesen Schattenseiten des Kosmos ihr Geheimnis zu entlocken. Sie bauen Experimente in stillgelegten Bergwerken und in Autobahntunnels. Sie kämpfen mit den Grenzen der modernen Messtechnik, mit Fledermäusen und mit Giftunfällen unter Tage. Vor allem aber kämpfen sie mit sich selbst - auf der Jagd nach der dunklen Seite des Universums. Wissenschaft im Brennpunkt begleitet sie auf ihrer Suche in der zweiteiligen Sendereihe:
Das große Schwarze
Die Schattenseiten des Universums
Teil 1: Dunkle Energie (13. Juni 2004)
Teil 2: Dunkle Materie (20. Juni 2004)
Die schwarz geflügelte Nacht,
eine Göttin,
vor der selbst Zeus in Ehrfurcht stand,
wurde vom Wind umworben
und legte ein silbernes Ei
in den Schoß der Dunkelheit;
Eros, den manche Phanes nennen,
entschlüpfte diesem Ei
und setzte das All in Bewegung.
Die Göttin selbst zeigte sich in der Dreiheit
von Nacht, Ordnung und Gerechtigkeit.
Seit dem Urknall expandiert das Universum. Die Abstände zwischen den Galaxien vergrößern sich immer weiter - und dies mit einer Geschwindigkeit, die immer mehr zunimmt. Eine geheimnisvolle Kraft, eine Art Anti-Gravitation treibt den Kosmos auseinander: Die Astronomen nennen sie die "Dunkle Energie". Außerdem vermuten sie große Mengen unsichtbarer Materie im All, die so genannte "Dunkle Materie". Sie besteht wahrscheinlich aus noch unbekannten Elementarteilchen, die als schwerfällige Wolken inmitten der Galaxien sitzen und diese zusammenhalten. Wir stehen vor einer neuen kopernikanischen Wende: Nachdem wir wissen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht, und nachdem wir wissen, dass die Sonne sich in einer Galaxie bewegt, die nur eine von sehr vielen Galaxien ist, zeichnet sich nun ab, dass der größte Teil der Energie im Universum unsichtbar ist. Volker Springel vom Max Planck Institut für Astrophysik in Garching:
Und es war eigentlich schon immer ganz interessant, schon vor fünf Jahren oder länger, dass die Modelle mit Dunkler Energie, die ja sehr spekulativ waren, immer eigentlich am besten gepasst haben. Und erst in jüngster Zeit sind ja die Evidenzen durch die Beobachtung entstanden, die nachweisen, dass es das gibt, damals hätte sich niemand dafür zu weit aus dem Fenster gelehnt, aber diese Dunkle Energie war schon immer irgendwie sexy für uns.
Im Sommer 2001 startete eine Rakete vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ins All und schickte eine besonderen Sonde auf die Reise: Die Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, kurz WMAP. Sie war einen Monat unterwegs, bis sie den so genannten Lagrangepunkt L2 erreicht hatte. Er liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne und ist vier Mal so weit von der Erde entfernt wie der Mond. An dieser Stelle befindet sich die Sonde in einer besonders stabilen Position, relativ zu Erde.
WMAP scannt über viele Monate hinweg das ganze Firmament ab. Die Sonde misst Mikrowellen - also eine langwellige Strahlung, die vom Anfang des Universums übrig geblieben ist. Es handelt sich um das Nachglimmen des Urknalls, das überall im Kosmos vorhanden ist. Dieses Restleuchten ist aber nicht überall gleich groß. WMAP sieht ein Fleckenmuster, das sich über den gesamten Sternenhimmel zieht: Wärmere und kühlere Stellen wechseln einander ab. Der Astrophysiker Matthias Bartelmann, der gerade Professor an der Uni Heidelberg geworden ist, ist so begeistert von diesem Fleckenmuster, dass er es auf ein großes Poster gedruckt hat - für die weiße Wand in seinem Büro.
Da sind jetzt die kleinsten Strukturen, die Sie darauf sehen ungefähr 15 Bogenminuten groß. Das möchte ich einfach an die Wand hängen. (Lacht)
Bartelmanns Poster sieht aus wie ein Puzzle aus Millionen von blauen, grünen, gelben und roten Steinchen - die je nach Farbe für mehr oder weniger warme Flecken im All stehen.
Die Präzision, mit der die Raumsonde WMAP den Himmel der Mikrowellen kartiert hat, ist enorm. Ihre Daten ermöglichen es den Astronomen, erstmals sehr genau zu berechnen, wie alt das Universum ist, welche Form es hat und woraus es sich zusammensetzt. Zuvor war es den Forschern nicht möglich gewesen, sich in diesen Dingen genau fest zulegen. Alle kosmologischen Rahmendaten waren stets mit großen Unsicherheiten behaftet gewesen.
Dass Sie jetzt sagen können, das Universum ist 13,7 plus minus 0,2 Milliarden Jahre alt. Ich glaube, vor zwei Jahren hätten sie damit noch einen großen Lacherfolg erzielt.
Viele große Fragen der Kosmologie, so scheint es zumindest, sind nun beantwortet. Ist diese Wissenschaft damit am Ende?
Ich würde eher sagen, mit MAP beginnt die Kosmologie neu. Weil: alle Unsicherheit mit dem Rahmenmodell ist weitestgehend verschwunden. Das heißt, Sie haben jetzt nicht mehr die Freiheit zu sagen: Aber wenn mein Universum so und so beschaffen wäre, dann würde die Galaxieentwicklung so und so ablaufen. Das ist irrelevant geworden. Man weiß, wie das Universum im Großen beschaffen ist.
Dunkel und unsichtbar war die erste Welt
am Anfang allen Seins,
so dunkel wie die Wolle schwarzer Schafe.
Diese Welt der dunklen Erde war klein,
eine winzige Insel
auf dem unendlichen Weltennebel.
Vier Himmelsrichtungen gab es,
und über jeder lag eine Wolke.
In der Mitte aber wuchs die Weltenkiefer,
von der alle Kiefern
ihren Anfang genommen haben.
Die vier Wolken enthielten das Wesen
dieser ersten Welt,
die gestaltlos war,
und jede Wolke hatte eine bestimmte Farbe.
Das Universum im Jahr 1900: Das Universum ist ein fester, unbeweglicher Raum, starr wie ein Tierkäfig, aber unvorstellbar groß. Darin bewegen sich die Sterne. Die Astronomen wissen, dass es Sterneninseln, also Galaxien, gibt. Sie sind sich aber noch uneins darüber, ob diese Sterneninseln innerhalb unserer Milchstraße liegen oder ob sie noch viel weiter entfernt sind.
Das war eine lange, lange Diskussion. Und da hat man erstmal versucht die Größe der Milchstraße zu messen mit Kugelsternhaufen.
Bruno Leibundgut von der Europäischen Südsternwarte ESO.
Und Einstein hat die Relativitätstheorie völlig unabhängig von dem entwickelt. Hat dann aber, als er feststellte, dass das auch ein Modell fürs Universum ist, nachgefragt, was denn die Sterne für Geschwindigkeiten hätten. Weil er sehr früh realisiert hatte, dass das Universum in seinem Modellen nicht stabil sein kann. Entweder kollabiert es oder es expandiert.
Albert Einstein ging davon aus, das die Geometrie der Welt nicht ein für alle mal vorgegeben ist, sondern dass sie sich ändert, je nach dem wie die Masse im Universum verteilt ist. Ein radikal neues Konzept. Trotzdem war Einstein darum bemüht, seine neuen mathematischen Rechnungen an das astronomische Weltbild seiner Zeit anzupassen. Mit seiner Relativitätstheorie wollte er ein statisches Universum beschreiben, so wie es die Astronomen seiner Zeit sahen, also eines, das nicht zusammenschrumpft oder auseinander läuft. Zu diesem Zweck nahm Einstein einen Kunstgriff vor: er ergänzte in seinen mathematischen Gleichungen eine Konstante, die so genannte kosmologische Konstante, die er mit dem griechischen Buchstaben Lambda bezeichnete.
Bald nachdem Einsteins Relativitätstheorie etabliert war, machten auch die Astronomen mit ihren Sternbeobachtungen große Fortschritte: Den alten Streit über die Frage, ob es noch andere Galaxien gibt, die außerhalb unserer Milchstraße liegen, entschied ein amerikanischer Astronom, der die Entfernung bestimmter Sterne im Andromeda-Nebel bestimmen konnte.
In den 20er Jahren, 1926, hat Edwin Hubble die ersten Cepheiden gemessen, im Andromeda-Nebel und damit dann zeigen können, dass der Andromeda-Nebel viel, viel weiter weg ist als unsere Galaxie groß ist.
Fünf Jahre später schaffte Hubble noch einen zweiten, revolutionären Schritt. Ihm gelang es, die Bewegungsrichtung von etwa 30 Galaxien zu messen, und er erkannte, dass die meisten sich mit großer Geschwindigkeit von uns weg bewegen. Seine Schlussfolgerung: das Universum expandiert. Als Einstein sah, dass der Kosmos nicht statisch war, bezeichnete er Lambda als völlig überflüssig und als die "größte Eselei" seines Lebens. Heute aber gehen die Astrophysiker davon aus, dass Einstein mit eben diesem Lambda auf etwas Wichtiges gestoßen war: Die "Dunkle Energie", die für die Expansion des Universums verantwortlich ist.
Das Universum im Jahr 1930: Es gibt Galaxien weit außerhalb der Milchstraße. Die Milchstraße steht nicht mehr im Zentrum, sie ist nur eine von vielen Galaxien, und diese Galaxien entfernen sich alle voneinander, wie Rosinen in einem aufgehenden Hefeteig. Der Weltraum hat keine starre, ewige Struktur mehr, sondern er hat eine dynamische Geometrie. Er bläht sich auf.
Wenn man den Astrophysiker Matthias Bartelmann fragt, woran er gerade arbeitet, klappt er seinen Laptop auf und startet kurzerhand ein kleines Universum. Auf dem Bildschirm entstehen Strukturen, wie sie auch am Sternenhimmel zu sehen sind. Fein gewebte Netzwerke aus Galaxien, die aus der Ferne betrachtet ein wenig aussehen wie Wände aus Schaum. Für sein kleines Universum hat der Experte für Computersimulationen einiges zusammengerührt: eine geometrische Raumstruktur, Strahlung, Materie. Die wichtigste Zutat in seinem kosmischen Kochrezept aber ist die so genannte Dunkle Materie. Von dieser bislang noch unbekannten und unsichtbaren Masse im All vermuten die Astronomen, dass sie fast nur über ihre Gravitationskraft wirkt. Sie sammelt sich zu großen Klumpen an und sorgt dafür, dass Sterne sich zu Galaxien versammeln. Die "Dunkle Materie" wurde also dringend gebraucht bei der Erschaffung der Welt, weiß der Heidelberger Professor aus eigener Erfahrung.
Man startet eigentlich immer mit einer anfänglichen Verteilung der dunklen Materie, die zu sehr frühen Zeiten angenommen wird. So dass die Dichteschwankungen, die man da hat, sehr, sehr klein sind. Und dann mischt man der Dunklen Materie die entsprechende Menge Gas bei und lässt es einfach zeitlich laufen. Und bis zu dem Zeitpunkt, wo die Materie sehr dicht wird, spielt das Gas einfach keine Rolle. Es strömt mit der Bewegung der Dunklen Materie mit. Und dann, wenn das Gas sehr heiß wird, fängt es an, Dinge zu tun, die Dunkle Materie nicht kann - es strahlt Energie ab, es hat einen Druck, das heißt es widersetzt sich der weiteren Kompression.
Und so entsteht ein Galaxienhaufen, ein Gebiet im Weltall, in dem extrem viel Materie auf engem Raum vorhanden ist. Die Computer-Simulation dient Bartelmann als eine Art Experiment. Er versucht auf seinem Laptop Strukturen zu erzeugen, die in etwa dem entsprechen, was Astronomen mit ihren Teleskopen am Himmel beobachten. Dabei stellt sich immer wieder heraus: Nur die Ergebnisse der Simulationen mit Dunkler Materie und Dunkler Energie stimmen mit den realen Bildern des Weltalls überein.
Izanagi und Izanami standen auf der
schwebenden Brücke des Himmels
und beratschlagten und sprachen:
,Ist unten am Boden nicht etwa gar ein Land?'
Hierauf stießen sie mit dem
himmlischen Juwelenspeer nach unten
und rührten damit im blauen Meer herum.
Als sie die Salzflut gerührt hatten,
bis sie sich zäh verdickte,
und sie den Speer wieder heraufzogen,
häufte sich das vom Ende des Speeres
herabtropfende Salz des Wassers an
und wurde eine Insel,
die den Namen bekam Ono-goro-zima:
"Von selbst verdichtet und geronnen."
Das Universum im Jahr 1980: Der Kosmos hat einen Anfang - den Urknall. Er expandiert zu Beginn explosionsartig, und wurde nach einigen hundert tausend Jahren durchsichtig. Die Dunkle Materie bildete die ersten filamentartigen Strukturen und großen Klumpen. Sie zog die gewöhnliche Materie an und verdichtete sie zu Sternen, Galaxien und Galaxienhaufen. Die Konstante Lambda, also die Dunkle Energie, taucht in den Gleichungen der Kosmologen zur Relativitätstheorie kaum noch auf. Sie ist aus der Mode gekommen.
Das darf man vorm Mikrofon gar nicht sagen, aber: Wissenschaft ist ja auch nicht nur objektiv. Vor allem wenn's dann bei solchen Theorien oder Messungen so weit kommt. Die Interpretation das dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte bis die Interpretation soweit abgeschliffen oder die Leute sich soweit geeinigt haben, dass das wirklich in ein Textbuch rein kann. Die Wissenschaft selbst, wenn diese Theorien diskutiert werden dann ist das meist noch sehr, sehr offen. Sehr menschlich geht's da eigentlich zu. Da wird sehr stark diskutiert. Da gibt's auch Moderichtungen oder Mainstream.
In den 90er Jahren verdichteten sich die heftigen Diskussionen der Kosmologen zu einer kuriosen Schlagzeile: "Die ältesten Sterne sind älter als das Universum", war damals in den Zeitungen zu lesen. Irgendetwas konnte also nicht stimmen. Und in der Tat waren gleich mehrere Dinge nicht in Ordnung: Die Methoden zur Altersbestimmung der Sterne waren, wie sich später herausstellte, zu ungenau, und auch die Abschätzung der so genannten Hubble-Konstanten, aus der man das Alter des Universums errechnen kann, war zu vage. Schließlich belegten die Messungen immer eindeutiger, dass das Universum eigentlich viel zu wenig Masse enthielt.
Und dann war immer die Frage, wo sind die übrigen 70 Prozent der Masse. Und weil die Hubble-Konstante auch nicht gut genug bestimmt war, war das nie wirklich so ein brennendes Problem, man hat sich da immer so mit Fehlerbalken und so herausreden können. Vor vielleicht 5 Jahren ist es dann schwieriger und schwieriger geworden. Das wirklich miteinander zu verbinden. Die Sternentwicklungsleute haben gesagt, jetzt kriegen wir die Alter nicht mehr runter, jetzt haben wir alles versucht, das ist jetzt die bleiben bei 12 Milliarden Jahren oder so was.
Dann, im Jahr 1998, gelang es einem amerikanischen Forscherteam, dem auch Bruno Leibundgut von der ESO angehörte, ein Durchbruch. Die Astronomen hatten Supernovae vom Typ Ia vermessen, eine besondere Gruppe von sehr genau bekannten Stern-Explosionen. Gewaltige Leuchtfeuer, die das Team in verschiedenen Entfernungen beobachtete. Am schwierigsten war es diejenigen zu finden, die sich ganz weit draußen befinden, auf dem halben Weg zum Urknall. Denn von ihnen kommen nur sehr wenige Photonen, also Lichtteilchen bei uns an.
Ich hab ein Spektrum damals analysiert, da hab ich mir ausgerechnet, da haben wir in einer Stunde 5 Photonen von dem Objekt beobachtet. In einem gewissen Wellenlängenbereich haben wir in einer Stunde 5 Photonen beobachtet. So was zu analysieren ist beliebig schwierig, ich habe da zwei Monate dran verbracht. nur an diesem einen Spektrum.
Mit diesen langwierigen Messungen gelang es Leibundgut und Kollegen herauszufinden, wie schnell der Kosmos expandiert. Ausgegangen war das Forscherteam von der damals gängigen Annahme, dass das Universum sich erst sehr zügig ausgedehnt hat, um danach immer langsamer zu werden.
Und da haben wir 1,2 Jahre gemessen, und wie dann das erste Datenset zusammen kam, da war Adam Riess in Amerika, der hat das zusammengeschrieben, hat gesagt er findet in der Analyse, dass halt statt einer Abbremsung eine Beschleunigung da wäre. Das war eine Email, die ist herum gegangen, da haben wir gesagt, das kann nicht sein. Da haben wir versucht, den Fehler zu finden. Und nach 2 Monaten haben wir gesagt: Wissen wir auch nicht, jetzt publizieren wir das mal. Es muss halt jemand anderes den Fehler finden. Und dann haben wir das geschrieben und gesagt: es sieht so aus wie wenn da eine kosmologische Konstante wäre, also was wir gefunden haben, ist dass die entfernten Supernovae im vergleich zu den nahen Supernovae zu lichtschwach waren. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wieso das der Fall ist. Aber die für uns damals einfachste Möglichkeit war halt, dass die entsprechend weiter entfernt waren, als was die Modelle hergegeben haben. Und in dem Fall weiter entfernt als in einem leeren Universum. Das leere Universum ist der Grenzfall, wenn kein Materie da ist, dann expandiert das Universum einfach linear auswärts - und die waren aber weiter weg oder lichtschwächer als in einem leeren Universum vorhergesagt wurde. Und deswegen haben wir gesagt: irgendwas muss die Objekte weggestoßen haben - oder besser uns von den Objekten weggestoßen haben. Und das war dann die beschleunigte Expansion.
Das überraschende Ergebnis lautete also: Das Universum hat sich direkt nach dem Urknall extrem schnell ausgebreitet, dann ist es sozusagen auf die Bremse gegangen, um nun doch wieder aufs Gaspedal zu treten. Bald nach der ersten Publikation von Riess, Leibundgut und Kollegen bestätigte eine zweite unabhängige Arbeitsgruppe diese Ergebnisse:
Es war ein sehr starker Wettlauf, wenn Sie mit jemandem von der Gruppe sprechen, behaupten die immer, dass sie vor uns da waren.
Verantwortlich für die dynamische Expansion des Universums ist Einsteins kosmologische Konstante - die aber nicht unbedingt konstant sein muss. Der amerikanische Kosmologe Michael Turner ersetzte sie darum bald darauf durch den Begriff "Dunkle Energie".
Manchmal, wenn etwas große Rätsel aufgibt, dann muss man ihm einen Namen geben. Es ging mir mit dem Begriff der "Dunklen Energie" darum, den Astronomen klar zu machen, dass es sich hierbei nicht notwendiger Weise um Einsteins Konstante Lambda handeln muss. Es könnte auch sein, dass die Dunkle Energie sich im Verlauf des Universums ändert. Wir können derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich einfach nur um die kosmologische Konstante handelt.
Das Universum im Jahr 2003: Die Astronomen haben sich in ungewohnter Eintracht auf das so genannte Konkordanz-Modell geeinigt: Das Weltall ist 13,7 Milliarden Jahre alt. Es besteht zu 70 Prozent aus der Dunklen Energie, die Expansion des Kosmos vorantreibt, zu 25 Prozent aus einer noch unbekannten Dunklen Materie und zu 5 Prozent aus gewöhnlicher, sichtbarer Materie.
Dieses Bild hatte sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet, mit großer Sicherheit bestätigt wurde es von der Raumsonde WMAP, die das Nachglimmen des Urknalls, das überall im Kosmos vorhanden ist, so genau vermessen hat.
Die wohl größte Überraschung war, dass es bei WMAP keine große Überraschungen gab. Die Kosmologie hat sich wirklich verändert, sie hat sich zu einer Präzisionswissenschaft entwickelt. Weil die verschiedenen Messungen jetzt alle zusammenpassen. Es wird nicht mehr so leicht passieren, dass eine neue Messung alles auf den Kopf stellt. Denn dann müsste man erklären können, warum diese eine Messung richtig und fünf andere falsch liegen.
Volker Springel vom Max Planck Institut für Astrophysik in Garching:
Es ist eines der wichtigsten Experimente überhaupt der vergangenen Jahre. Aber es hat keines der größten Rätsel lösen können, die im Bereich der Dunklen Materie und der Dunklen Energie liegen. Und in meinen Augen sind diese Fragen nach wie vor komplett offen und stellen klar: eine der größten Herausforderungen für die gesamte Astrophysik, für die gesamte Physik sind eigentlich absolut fundamentale Probleme.
Was die Dunkle Energie anbelangt, so vermuten Teilchenphysiker, dass es sich um einen Vakuumeffekt handelt. Eine Art Grundschwingung im leeren Raum, die das Universum auseinander treibt. Doch die entsprechenden quantentheoretischen Rechnungen ergeben allesamt einen viel zu geringen Wert für die Dunkle Energie.
Die Kosmologen diskutieren derzeit darum ein neues Modell: die so genannte Quintessenz. Demnach steckt hinter der Dunklen Energie keine kosmologische Konstante, sondern ein physikalisches Kraftfeld, ähnlich wie ein elektrisches oder magnetisches Feld - das im Verlauf der Geschichte des Kosmos schwächer wird.
Das ist eben ein Teilchenfeld, ein Skalarfeld, das irgendwann in der Frühphase des Universums ein explosive Expansion angetrieben hat - und dann geht dieses Feld in einen neuen Grundzustand über und hört dann auf. Wie allerdings dieser Übergang in den Grundzustand genau abläuft, dass hängt davon ab, wie das Potenzial von dem Feld beschaffen ist. Und dann dauert es eine Weile bis dieser Slowroll, dieser Übergang in den Grundzustand vollzogen ist - und eine Idee, eben dieses Lambda zu erklären, ist dass dieser Grundzustand noch nicht erreicht ist. Dass letztlich wir immer noch oder wieder in eine Phase der schnellen Expansion hineingeraten - aufgrund dieses Feldes.
Die Entwicklung dieses Quintessenz-Feldes würde also das Schicksal des Kosmos bestimmen. Wenn es sich irgendwann deutlich abschwächen würde, könnte es sogar sein, dass das Universum wieder in sich zusammen fällt. Die Kosmologen sprechen hier vom "Big Crunch" - dem großen Zermahlen. Aber auch der umgekehrte Fall ist möglich: Würde die Dunkle Energie sehr stark anwachsen, würde sie irgendwann stärker als alle anderen Kräfte werden, und das Universum könnte regelrecht explodieren: Die Kosmologen sprechen hier vom "Big Rip" - dem großen Riss am Ende der Geschichte. Eric Gaswiser von der Yale Universität.
Wenn es sich bei der Dunklen Energie um eine Konstante handelt, würde das Universum langsam immer weiter expandieren - und zwar bis in alle Ewigkeit. Wenn aber die Dunkle Energie nicht konstant ist, sondern im Laufe der Zeit ansteigt, würde das Weltall in einer endlichen Zeit unendlich groß werden. Die Galaxien, die Planeten, und auch die Moleküle und Atome würden irgendwann von der gewaltigen Kraft der Dunklen Energie auseinander gerissen. All dies würde in den letzten Minuten passieren, kurz vor dem allerletzten Moment: Dem "Big Rip", der großen Explosion. Danach wird nichts mehr übrig sein. Genau so, wie man sich nicht Fragen kann, was vor dem "Big Bang" war, kann nicht wirklich fragen, was nach dem "Big Rip" kommt.
Möglicherweise lässt sich die Dunkle Energie eines Tages mit Hilfe der so genannten String-Theorie erklären. Nach diesem mathematischen Modell sind die Elementarteilchen nicht punktförmig, sondern sie bestehen aus winzigen schwingenden Saiten. Diese Strings bewegen sich aber nicht nur in drei Raum-Dimensionen, sondern sie erstrecken sich über 10 Dimensionen.
Es wäre wunderbar, wenn wir diese zusätzlichen Dimensionen der String Theorie finden könnten. Noch haben wir dafür aber keinen Test. Aber es könnte sein, dass diese höhere Dimensionen zur Dunklen Energie beitragen. Im Moment sammeln wir viele solche verrückte Ideen, legen sie alle auf den Tisch und fragen uns: welche von ihnen ist richtig? In den nächsten 10, 20 Jahren wird sich hoffentlich eine dieser Ideen durchsetzen, und dann werden wir wissen, warum das Universum seine Expansion beschleunigt.
Neue handfeste Messdaten werden in Zukunft wiederum die Supernovas liefern, deren Bewegung Bruno Leibundgut in den Tiefen des Alls beobachtet.
Jetzt geht es darum festzustellen, was die Natur der Beschleunigung ist. Wichtig ist jetzt, dass wir charakterisieren können, was jetzt die Dunkle Energie ausmacht. Da müssen wir jetzt die Charakterisierung messen, z.B. die Stärke und solche Dinge und das können wir im Moment auch nur mit den Supernovae machen.
Leibundgut und Kollegen haben inzwischen 42 extrem weit entfernte Supernovae vom Typ Ia entdeckt und vermessen. Nach ihren neusten Datenanalysen sieht es so aus, als sei die Dunkle Energie entweder nur wenig oder gar nicht veränderlich. Bis auf weiteres bleibt also Albert Einsteins kosmologische Konstante die richtige Beschreibung für die Dunkle Energie. Das Universum wird sich in den nächsten 30 Milliarden Jahren weiter ausdehnen. Was aber danach kommt ist noch ungeklärt. Ob die Dunkle Energie auch nach dieser Zeit konstant bleiben wird. Und was letztlich hinter ihr steckt - bleibt bis auf weiteres im Dunkeln.
Es gibt eine Sage von einem Feigenbaum,
dem riesigen Acvatha, dem immer lebenden,
der wurzelt im Himmel,
die Zweige abwärts gerichtet ...
Seine wahre Gestalt, sein Ursprung, sein Ende,
sein wirkliches Wesen,
kann keiner auf Erden erfahren.
Die zitierten Schöpfungsberichte stammen aus der griechischen Mythologie, aus den Erzählungen der Navaho-Indianer sowie aus der japanischen und indischen Überlieferung.
Der zweite und letzte Teil der Reihe "Das große Schwarze. Die Schattenseite des Universums" trägt den Titel "Dunkle Materie" und wird kommende Woche, am 20. Juni, zur gleichen Zeit ausgestrahlt.