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E-Comics
Französische Comic-Autoren zünden den Turbo im Netz

Die digitale Revolution in der Buchbranche macht auch vor Comics und Graphic Novels nicht halt. E-Comics sind eine besondere Herausforderung, weil Text und Bild kreativ und userfreundlich ins Netz gebracht werden müssen. Allen voraus dabei sind, wie so oft in dem Bereich, die Franzosen.

Von Katja Petrovic |
    "Wir sind in der spannenden Phase, in der neue Codes für digitales und grafisches Lesen entwickelt werden; das ist eine neue Form von Comic-Kunst. Ganz ehrlich, dabei geht noch Vieles schief, aber WENN ein Autor etwas Tolles entdeckt, dann macht das Schule",
    schwärmt Samuel Petit, der zusammen mit französischen Verlegern neue Formate und eine eigene Verkaufsplattform für E-Comics im Internet entwickelt hat. Nachdem sich die Bande dessinée, wie man in Frankreich sagt, auf dem Papier schon längst als eigene Kunstform behauptet hat, sucht die Branche nun nach einer neuen Comic-Ästhetik im Netz.
    Den ersten Schritt machten Autoren mit autofiktiven Comic-Blogs, in denen das klassische Seitenformat aufgebrochen wurde. Seitdem kann man sich nonstop, ohne umzublättern am Bildschirm durch Geschichten scrollen, die ihren ganz eigenen Sog entwickeln - so wie zum Beispiel in der "Langen Reise" von Comic-Blogger Boulet, der seine Figuren albtraumhaft in dem Abgrund taumeln lässt und den Leser durch das Endlos-Scrolling dort förmlich mit hineinzieht.
    Das war die erste Phase, jetzt kommt die nächste und in der geht es für die E-Comics mithilfe von Animationen von der zweiten in die dritte Dimension:
    "Im digitalen Zeitalter erobern Comics die Touchscreens", heißt es hier. Und das verlangt eine Technik, die E-Comics auch auf kleinstem Raum erzählbar macht, damit die Lektüre auf Smartphone- oder Tablet-Bildschirmen noch Spaß bringt. Genau das kann der in Frankreich entwickelte Turbomedia-Modus, für den sich mittlerweile auch die Comic-Riesen Japan und Amerika interessieren.
    Dank dieser Technik, muss sich der Leser nicht mehr von Bild zu Bild klicken, sondern die Handlung entwickelt sich interaktiv, innerhalb einer einzigen Zeichnung. Comicautor Fabien Vehlmann erklärt, wie das geht:
    "Stellen Sie sich vor, sie haben auf ihrem Handy eine Zeichnung mit einem Gewitterhimmel, ich klicke, das Dekor bleibt gleich, es erscheinen nur ein paar Regentropfen. Ich klicke wieder und jetzt erscheint ein komplett weisser Hintergrund, weil der Autor ein Spannungselement einfügen wollte. Beim nächsten Klick erscheint eine Sprechblase, einfach so, wie aus dem Nichts, und dann erst erscheint die Figur. Der Leser behält durch das Klicken die Kontrolle über die Lektüre, aber die Effekte und die Leseerfahrung, die ihm angeboten werden, sind neu."
    Solche Experimente stellt Fabien Vehlmann zusammen mit anderen Autoren in der von arte finanzierten Online-Revue Professor Zyklop vor. Eine Art Versuchslabor für Turbomedia-Comics. Doch, betont Samuel Petit, muss bei aller Freiheit der Lesegenuss im Vordergrund stehen:
    "Der Turbomedia-Modus wurde dafür entwickelt, um den Leser weiterhin lesen zu lassen. Wenn es eine kleine Animation gibt, dann weil sie Sinn macht für die Erzählung. Also, bloß keine Gadgets! Der Autor darf das Ganze nicht zum Trickfilm oder Videospiel machen, er muss beim Buch bleiben."
    Phase drei schließlich besteht darin, technische Standards für E-Comics zu entwickeln und international durchzusetzen. Denn nur so können die neuen Comic-Kreationen von Verlegern bestellt, Buchhändlern verkauft und Comic-Fans gelesen werden. Aber auch da kann die Branche auf Frankreich zählen. Samuel Petit arbeitet daran und ist für den Vertrieb von E-Comics auch schon mit deutschen Verlegern und Buchhändlern in Kontakt.