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Ebola-Epidemie
"Können aktuell nicht auf ZMapp setzen"

Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist nach Angaben der WHO möglicherweise gravierender als bislang gedacht. Und mit "ZMapp" könne die Verbreitung nicht in den Griff bekommen werden, sagte der Virologe Stephan Becker im DLF. Das Medikament sei nicht ausreichend vorhanden – und getestet.

Stephan Becker im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Ebola-Toter wird von Menschen in Schutzanzügen beerdigt.
    Die Ebola-Epidemie fordert weiterhin Menschenleben. (dpa / Ahmed Jallanzo)
    "ZMapp" sei nicht klinisch für die Anwendung am Menschen getestet worden, sagte Becker im Deutschlandfunk. Diese klinischen Studien seien aber notwendig, da die "Sicherheit dieses Medikaments nicht nachgewiesen sei". Der Wirkstoff habe in Tierversuchen gut gewirkt und beim Menschen nicht geschadet. Das Mittel habe "sehr, sehr gut Effekte".
    "ZMapp" nur für europäische Helfer eingesetzt?
    Auf die Frage, warum die wenigen Dosen von "ZMapp" an europäische Helfer in Afrika statt an Einheimische gegeben wurden, sagte Becker: Man wolle nicht den Eindruck erwecken, "afrikanische Menschen als Meerschweinchen zu missbrauche". Die Diskussion, ob Menschen in Entwicklungsländer als Testpersonen herhalten, und der Vorwurf, die Wirkstoffe werden Europäern gegeben, schwappe "hin und her".
    Den Ausbruch der Epidemie erklärte der Marburger Professor damit, dass infizierte Patienten in den betroffenen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone leicht von einem in das andere Land reisen könnten. Das sei für die "Gesundheitssysteme dieser Länder schwierig zu kontrollieren". Daher habe die Epidemie gleich zu Anfang so große Ausmaße angenommen.
    Ebola hat in Afrika geringe Bedeutung
    Obwohl Ebola seit fast 40 Jahren bekannt ist, gibt es bis heute kein Mittel, das gegen das Virus klinisch verordnet werden kann. Als Grund nannte Becker, dass Afrika Probleme wie Aids und Malaria habe, die weit aus größere Bedeutung hätten. Mit bisher 2.000 bis 3.000 Ebola-Todesfällen in rund vier Jahrzehnten spiele das Ebola daher keine Rolle. Das sei auch ein Grund, warum Pharma-Unternehmen nicht in die Entwicklung investieren würden und von der öffentlichen Hand bisher nur experimentelle Impfstoffe auf dem Markt seien.
    Im März meldete Guinea einen Ebola-Ausbruch. Das Virus breitete sich nach Liberia und Sierra Leone aus, dazu kommen Fälle in Nigeria.

    Sandra Schulz: Telefonisch bin ich jetzt verbunden mit dem Virologen Professor Stephan Becker von der Universität Marburg. Guten Morgen!
    Stephan Becker: Guten Morgen!
    Schulz: Wir sprechen inzwischen über die gravierendste Epidemie seit der Entdeckung des Virus vor fast 40 Jahren. Inzwischen meldet die Weltgesundheitsorganisation, Mitarbeiter hätten in den betroffenen Gebieten Hinweise dafür gefunden, dass das wahre Ausmaß des Ausbruchs deutlich über den bislang bekannten Zahlen zu Krankheitsfällen und Opfern liege. Warum ist der Krankheit diesmal so wenig entgegenzusetzen?
    Becker: Na, es gibt da wahrscheinlich viele Gründe, und einer der Gründe ist, dass der Ursprung der Krankheit in einem Gebiet liegt, wo die drei Länder Sierra Leone, Guinea und Liberia sehr eng zusammenliegen. Und da ist natürlich die Möglichkeit, von einem Land in das andere überzuwechseln, sehr leicht. Und wenn jetzt Patienten oder Angehörige, die sich möglicherweise angesteckt haben, von einem Land ins andere wollen, dann geht das relativ einfach für die und es ist schwer, das zu kontrollieren – und das ist für die Gesundheitssysteme dann dieser Länder auch ein großes Problem. Es weiß keiner so recht, wer zuständig ist. Und die sind ja sowieso insgesamt sehr, sehr schwach, diese öffentlichen Gesundheitssysteme. Und all das spielt zusammen, dass quasi zu Anfang gleich dieser Ausbruch relativ große Ausmaße angenommen hat und auch schwer zu kontrollieren ist.
    Schulz: Jetzt hat die Weltgesundheitsorganisation Mitte der Woche entschieden, dass ein weitgehend ungetestetes Mittel zum Einsatz kommt, ZMapp heißt es, davon war auch gerade schon die Rede. Aber der Durchbruch im Kampf gegen die Krankheit ist das nicht, oder?
    Becker: Also, wir wissen momentan von diesem ZMapp aus den Tierversuchen, dass es sehr gut gewirkt hat. Wir wissen, dass das bei den Menschen, denen es gegeben worden ist, scheinbar nicht geschadet hat. Wir wissen aber nicht, ob das wirklich diesen sehr, sehr guten Effekt, den man ihm jetzt zuschreibt, tatsächlich hat. Und das größte Problem bei dem ZMapp ist, dass es einfach nicht mehr zur Verfügung steht. Also die paar Dosen, die weltweit vorhanden waren, die sind jetzt inzwischen, glaube ich, verbraucht. Und es dauert noch eine ganze Zeit lang, bis neues Material produziert worden ist. Und insofern ist das leider nicht wirklich eine Hoffnung, auf die wir bauen können.
    Schulz: Wie ist das denn eigentlich entschieden worden? Sie haben es gerade noch mal gesagt: Es gab weltweit nur wenige Dosen. Warum haben die europäische Helfer bekommen?
    Becker: Sie müssen sich daran erinnern, dass vor einigen Wochen oder vielleicht sogar nur Tagen, da war die Diskussion ja völlig umgedreht. Da haben wir vorwiegend darüber diskutiert, dass wir die afrikanischen Menschen, die jetzt krank sind oder die in Gefahr stehen, angesteckt zu werden, dass man die nicht als Meerschweinchen missbrauchen darf, um ungetestete Medikamente aus Europa und aus USA da anzuwenden. Nun, inzwischen dreht sich das wieder und man fragt dann: Warum werden denn jetzt zunächst mal Europäer oder Amerikaner behandelt und nicht die Afrikaner? Also das ist eine Diskussion, die immer so ein bisschen hin und her schwappt, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind weht.
    Schulz: Warum ist die Krankheit denn überhaupt so schlecht behandelbar, obwohl die schon seit 40 Jahren bekannt ist?
    Becker: Also es gibt eine ganze Reihe von wirklich sehr hoffnungsvollen Ansätzen gegen Ebola-Virus, also sowohl Medikamente, also, ja, Medikamente und auch Impfstoffe. Aber die sind momentan noch nicht zu diesem Punkt entwickelt, wo man sie beim Menschen anwenden kann. Das heißt, es gibt noch keine klinischen Studien mit diesen Medikamenten und Impfstoffen. Das heißt, die sind ... Die Sicherheit dieser Medikamente ist noch nicht, wie das notwendig ist, bei den Menschen nachgewiesen.
    Schulz: Aber warum, noch mal die Frage, warum ist das nicht schon längst passiert? Wie gesagt, die Krankheit ist ja schon lange bekannt.
    Der Direktor des Instituts für Virologie der Philipps-Universität in Marburg, Stephan Becker.
    Über Stephan Becker
    Geboren 1960 in Wetzlar, Hessen. Der Wissenschaftler begann seine Laufbahn mit dem Studium der pharmazeutischen Technologie an der Universität in Marburg, welches er 1985 abschloss. 1988 promovierte er und 2000 beendete er seine Habilitation. Seit 2007 ist Becker Direktor des Instituts für Virologie an der Universität Marburg.
    Becker: Ja, und es ist so, dass Ebola schon seit fast 40 Jahren bekannt ist, aber es sind insgesamt an Ebola bis zu diesem Jahr vielleicht 2000 bis 3000 Menschen erkrankt gewesen und dann entsprechend viele gestorben von diesen Infizierten. Aber für 40 Jahre einer Erkrankung ist das natürlich sehr, sehr wenig. Und es ist angesichts der Probleme, die Afrika mit Malaria, mit AIDS, mit anderen Infektionskrankheiten ist Ebola spielte da und spielt eigentlich auch heute noch keine große Rolle. Und deswegen hat man die Ressourcen natürlich auch entsprechend verteilt. Und außerdem kommt dazu, dass das Ebola-Virus und die Erkrankung für pharmazeutische Unternehmer nicht wirklich eine Sache ist, der man sich gerne annimmt. Es sind wenige Menschen, die da dran erkranken, und die, die da dran erkranken, können die Therapie auch nicht bezahlen. Und es findet statt in Ländern, die einfach die ärmsten der Welt sind. Insofern ist das für pharmazeutische Unternehmer nicht wirklich etwas, wo man investiert.
    Schulz: Das heißt, die Zuspitzung stimmt dann kommerziell nicht interessant, also nicht auf dem Markt?
    Becker: Das könnte man so sagen. Ich glaube aber, dass das zu kurz gegriffen ist. Es gab ja in der Vergangenheit sehr viel Forschung, die von der öffentlichen Hand finanziert worden ist, die dann auch dazu geführt hat, dass wir jetzt so viele zumindest mal experimentelle Impfstoffe und Medikamente haben. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit oder beziehungsweise es hätte natürlich schon längst gemacht werden müssen, ist aber nicht gemacht worden: Jetzt kann man jammern, aber man kann auch sagen, okay, jetzt lasst uns doch bitte schnell diese klinischen Studien machen, damit diese Medikamente wenigstens noch in diesem Ausbruch zum Einsatz kommen können, die getestet sind.
    Schulz: Wie weit sind denn die Forschungen an einem Impfstoff?
    Becker: Es gibt mehrere Impfstoffe, die in einem Tierexperiment sehr gut funktioniert haben, die also kurzfristig vor der Infektion gegeben werden können. Und die Tiere waren trotzdem geschützt. Und diese Impfstoffe, die muss man jetzt eben auch in klinischen Studien erst mal testen, bevor man sie wirklich großflächig anwendet.
    Schulz: Aber es gibt Präparate, denen man das grundsätzlich zutraut?
    Becker: Oh ja, das ist auf jeden Fall so.
    Schulz: Der Virologe Professor Stephan Becker von der Universität Marburg heute hier in den „Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!
    Becker: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.