Jasper Barenberg: Sie habe volles Vertrauen in Sigmar Gabriel, lässt die Kanzlerin, lässt Angela Merkel ausrichten. Der SPD-Chef revanchiert sich mit einem Lob über die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Großen Koalition. Offenkundige Versuche, die Wogen ein wenig jedenfalls zu glätten einerseits. Andererseits ist der Groll der Union unübersehbar. Sie sieht die SPD am Zug. Doch Parteichef Gabriel gibt seinem Fraktionschef Rückendeckung. Die Verantwortlichen in der SPD hätten sich im Fall Edathy tadellos und einwandfrei verhalten. Heute Abend beraten die drei Parteivorsitzenden.
Am Telefon begrüße ich Ralf Stegner, den stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden. Guten Morgen!
Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Wir haben es gerade gehört im Gespräch mit dem Kollegen in Berlin: Der Haussegen scheint doch mächtig schief zu hängen, oder?
Stegner: Na ja, dass es bei der CSU Unmut gibt, das kann ja nun wirklich jeder verstehen, denn dass der Hans-Peter Friedrich, der CSU-Mann, zurückgetreten ist, eigentlich über etwas, von dem man sagen kann, er hat das mit sehr honorigen Motiven ja gemacht, was er weitergegeben hat an Sigmar Gabriel, dass das also die CSU ärgert, das kann ich gut verstehen. Nur die SPD ist dafür nicht verantwortlich, denn ich glaube, es gab am Ende keine Alternative für Thomas Oppermann, sich anders zu verhalten.
Hätte er nämlich nicht öffentlich gesagt auf Medienanfragen, das was er da gefragt worden ist, dann wäre er bezichtigt worden, dass wir was zu vertuschen hätten, und spätestens zwei Tage später wäre das Problem bei der SPD gewesen. Insofern ist das ärgerlich und auch verständlich, aber ich glaube nicht, dass es eine ernsthafte Alternative für die SPD-Führung gegeben hat in dieser Frage.
Barenberg: Wir haben gerade gesprochen auch über das gute Arbeitsverhältnis, das für den Erfolg der Großen Koalition ja von zentraler Bedeutung ist. Bei all den Vorbehalten, die es jetzt gegen Thomas Oppermann gibt, warum sind Sie zuversichtlich, dass dieses gute Arbeitsverhältnis wieder so werden kann?
"Große Koalition wird weiter professionell zusammenarbeiten"
Stegner: Na ja, weil natürlich diese Koalition den Auftrag hat, Probleme zu lösen, und einen Koalitionsvertrag hat, der gerade mal erst begonnen wird abzuarbeiten, und da gibt es nicht den geringsten Grund, aus so einer Sache heraus, die ja einen Verursacher hat, der gar nichts zu tun hat mit den Parteispitzen.
Die Ursache liegt im Kern bei einem Abgeordneten, der Dinge tut, von denen wir nicht wollen, dass Abgeordnete das machen, und gerade was das Thema Kinderpornografie angeht oder auch nur alles, was in der Nähe ist, angeht, muss ich sagen, ist das ein Punkt, von dem sich ja alle Menschen, die bei Verstand sind, distanzieren. Das ist die eigentliche Ursache und ich glaube, alle sind professionell genug, wenn sich diese Wolken verzogen haben, auch wieder miteinander konstruktiv zusammenzuarbeiten zum Wohle des Landes. Das ist auch notwendig, es sind ja noch fast vier Jahre abzuarbeiten.
Barenberg: Für viele, denke ich mal, stinkt der politische Umgang mit dem Verdacht gegen Sebastian Edathy trotzdem zum Himmel. Können Sie das nachvollziehen?
Stegner: Na ja, ich glaube, dass das ein Thema ist, wo generell die meisten natürlich so viel Abstand wie möglich halten. Ich meine, die Vorstellung, dass jemand aus der SPD-Führung ernsthaft, ich sage mal, solche Ermittlungen gefährden würde, die ist doch abenteuerlich. Da steht man mit einem Bein im Gefängnis, das würde doch kein Mensch tun. Das ist ein Thema, von dem ich sagen muss, wo man eher darüber nachdenken muss, wie man die Grenzen so machen kann, dass man solche Bilder nicht kaufen darf, dass also auch das schon illegal ist.
Das wird ja alles geprüft und da hält man ein großes Maß an Abstand. Aber dass es da Ungereimtheiten in der Justiz gegeben hat, dass alle möglichen merkwürdigen Dinge vorgekommen sind, was man ja festgestellt hat bei der Pressekonferenz des Staatsanwalts in Hannover, das sind alles Sachen, die müssen aufgeklärt werden innerhalb der Justiz. Und wichtig ist, dass nicht der Eindruck entsteht, dass bei solchen Dingen Politiker irgendwie anders behandelt werden als andere.
Barenberg: Aber der Eindruck ist doch entstanden, dass es Regeln gibt für Politiker und dass es andere Regeln gibt für alle anderen. Nur so kann man doch nachvollziehen, oder so muss man auffassen, wenn ein Innenminister sein Amtsgeheimnis preisgibt, nur um Unannehmlichkeiten von sich einer anbahnenden Koalition fernzuhalten.
"Friedrich hat die Ermittlungen nicht behindert"
Stegner: Nein, das glaube ich nicht, weil Hans-Peter Friedrich ja nun nichts getan hat, um die Ermittlungen zu behindern, sondern er hat versucht, Schaden vom Land abzuwenden.
Barenberg: Schaden vom Land, oder Schaden von der Koalition?
Stegner: Nein, vom Land auch. Stellen Sie sich mal vor, da würde jemand angeklagt werden, der Mitglied der Bundesregierung ist. Das hätte ja passieren können. Er hat ja nicht die Öffentlichkeit informiert. Entscheidend ist, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist, die gleiche Strafe bekommt und nicht geschont wird, und das kann ich hier nicht erkennen, dass es einen Einfluss der Politik auf das Verfahren gegeben hätte. Das wäre ein Problem.
Deswegen, glaube ich, muss man auch sehr genau sortieren und sagen, das eine ist das Verfahren, das muss von der Justiz unabhängig betrieben werden, unabhängig von Einfluss, und das andere ist der Umgang damit in der Politik und da werden alle Fragen im Deutschen Bundestag beantwortet, da gibt es nichts zu verstecken. Genau das ist ja das, was Thomas Oppermann auch gemacht hat. Er hat das gesagt, was er wusste, und das ist auch richtig so, damit niemand auf die Idee kommt, man hätte da was zu vertuschen.
Barenberg: Der Eindruck der Kumpanei ist ja auch entstanden, weil beispielsweise Thomas Oppermann sich auf dem ganz kleinen Dienstweg beim BKA-Chef erkundigt hat, um sich noch mal die Verdachtsmomente bestätigen zu lassen. Dann gab es ein Hin und Her zwischen den Aussagen von Thomas Oppermann und dem BKA-Chef Jörg Ziercke und der Eindruck bleibt doch hängen, dass sich da in Gestalt von Thomas Oppermann einfach jemand das Recht herausnimmt, den BKA-Chef anzurufen. Ist das aus Ihrer Sicht die vollkommen übliche Vorgehensweise?
Stegner: Ich glaube, den BKA-Chef anzurufen, das ist noch nicht verwerflich, sich zu erkundigen, ob es da tatsächlich irgendetwas gibt für einen Fraktionsvorsitzenden. Das ist ja auch ein bestürzender Umstand, wenn man so was hört. Entscheidend ist, dass da keine Geheimnisse weitergegeben werden durch den BKA-Chef, und nach allem was ich weiß – ich kenne Herrn Ziercke ja auch lange -, ist das auch nicht geschehen. Das Fragen ist nicht das Problem, man darf sicherlich keine Geheimnisse weitergeben. Das hat er auch nicht getan und insofern, glaube ich, ist das nicht das Problem.
Kein Geheimnisverrat
Barenberg: FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht darin eine Anstiftung zum Geheimnisverrat.
Stegner: Ach wissen Sie, Herr Kubicki produziert ganz viele Luftblasen. Das bringt ihm immer Mandanten für seine Kanzlei. Insofern: Das würde ich jetzt nicht übertreiben, was die außerparlamentarische Opposition dazu sagt. Der Kern ist, dass man nicht Geheimnisverrat betreiben darf, und das hat Herr Ziercke vermutlich auch nicht getan. Aber anfragen darf da jeder.
Und noch mal: Auch das, was Hans-Peter Friedrich gemacht hat – da gibt es ja wirklich Leute, die sagen, dass das durchaus im Rahmen seiner Ermessensmöglichkeiten gewesen ist. Das wird juristisch unterschiedlich beurteilt. Für mich ist wichtig: der politische Umgang ist das eine. Darüber kann man reden, was im Parlament und zwischen den Koalitionsparteien ist. Und das andere ist ein Verfahren, ein unabhängiges Verfahren einer Justiz, die jeden vor dem Gesetz gleich behandelt, und das sehe ich hier schon auch.
Barenberg: Milde also gegenüber der eigenen Parteiführung. Auf der anderen Seite gehen Sie jetzt mit aller Härte gegen Ihren Parteifreund Edathy ins Gericht. Einstimmig hat der Vorstand gestern beschlossen, dass seine Rechte als Parteimitglied zunächst ruhen sollen, und dann soll es ein Verfahren, ein förmliches, gegen ihn geben, an dessen Ende möglicherweise der Parteiausschluss stehen könnte. Sind Sie dafür, Edathy aus der Partei zu werfen?
Stegner: Das wird am Ende das Verfahren zeigen. Es muss nur ganz klar sein, dass das doch nicht mit unseren Grundwerten vereinbar ist, wenn man sich Bilder von nackten Kindern und Jugendlichen kauft. Das ist doch nun wirklich ein Verhalten, von dem man sich wirklich nur distanzieren kann. Das kann nicht vereinbar sein mit dem, was wir richtig finden.
Und ich finde im Übrigen: Das ist natürlich das Thema, um das es im wesentlichen geht. Es geht hier um Kinder, die betroffen sind, um deren Schutzrechte, und deswegen müssen die Verfahren auch unabhängig stattfinden. Und die Frage, wer nun im Parlament wann was richtig gesagt hat, das klären Parlamente. Aber im Vergleich zu dem, worum es in der Sache eigentlich geht, finde ich, ist das etwas, womit man zwischen Parteien ja wirklich zurechtkommen kann.
Barenberg: Ralf Stegner, der Chef der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein und stellvertretender Bundesvorsitzender. Danke für das Gespräch.
Stegner: Sehr gerne. Tschüss, Herr Barenberg.
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