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Ein unverzichtbarer Meilenstein

Es kann fast schon beängstigend sein, wenn ein Künstler Jahr um Jahr und in noch kürzerer Folge CDs auf den Markt bringt – immer mit Musik ein und desselben Komponisten. Der Pianist Eric Le Sage ist seit einiger Zeit dabei, Robert Schumanns Klavierwerke und Kammermusiken komplett auf CD zu veröffentlichen. Entweder alleine oder mit Musikerfreunden und -kollegen.

Von Elgin Heuerding |
    In seiner Reihe beim Label Alpha ist nun die elfte CD erschienen. Aber von Überanstrengung, Überforderung oder Überdruss keine Spur. Eric Le Sage geht dieses Unternehmen unverdrossen elegant und mit Verve an. Er hat es offensichtlich langfristig und gut geplant. So kann er auch einen Ohrwurm wie die Träumerei aus Schumanns „Kinderszenen“ ganz entspannt und gelassen spielen. Mit dieser Träumerei begrüßt Sie Elgin Heuerding herzlich zu dieser Sendung.

  • Alpha 169 CD 1, Take 14 2'22
    Robert Schumann: Träumerei / Interpret: Eric Le Sage, Klavier

    Die Träumerei aus Robert Schumanns Kinderszenen spielte hier Eric Le Sage. Für sein Projekt, alle Klavierwerke und Kammermusiken von Schumann einzuspielen, wurde Le Sage vor einem halben Jahr mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Viele lobende Kritiken hat er für seine Schumann-Veröffentlichungen bekommen. Was aber prädestiniert den französischen Pianisten für Schumann?

    Um beim Komponisten anzufangen. Der war ein begnadeter und ein innerlich zerrissener Mensch. Geplagt von dem beständigen Wechsel: ein paar Monate lang intensiv arbeiten zu können, dann wieder Stillstand. Schon als junger Student rauscht Robert Schumann von einem Extrem ins andere. Er ist einerseits Schriftsteller, andererseits Musiker. Er will Pianist werden, malträtiert seine Finger aber so sehr, dass er sich doch aufs Komponieren verlegen muss. In der Komponistenszene haben noch andere das Sagen. Gegen die sich Schumann mit seinem neuen poetischen Weg wendet. Für seine musikästhetischen Auseinandersetzungen schafft sich Schumann den Davidsbund. Das ist ein halb realer, halb erfundener Kreis von Personen, die unterschiedliche Standpunkte in der Diskussion vertreten. Zuerst existieren diese Davidsbündler nur für Schumanns innere Gespräche, dann bevölkern sie auch seine Musikkritiken. Sich selber weist Schumann dabei zwei Figuren zu: den stürmisch, drängenden Florestan und den lyrisch, zarten Eusebius. Vertont hat er die beiden in seinem Carnaval, op. 9. Und natürlich misst sich das interpretatorische Vermögen eines Musikers auch daran, wie gut er den unterschiedlichen Charakteren Form geben und so die existenzielle Zerrissenheit Schumanns vermitteln kann.

  • Alpha 169 CD 1, Take 41 und 42 3'04
    R. Schumann: Carnaval, op. 9, daraus: Eusebius und Florestan / Interpret: Eric Le Sage

    Eusebius und Florestan, zwei Sätze aus Robert Schumanns Carnaval, op. 9. Es spielte der Pianist Eric Le Sage.

    Der widmet sich auf dieser CD den frühen und den späten Klavierwerken. Neben Carnaval finden sich die Abegg-Variationen opus 1, mit deren Drucklegung Schumann den Schritt in die Welt der Komponisten getan hatte. Von den Variationen hoffte er, dass „dieser erste Tropfen, der im großen Äther zerflattert, sich vielleicht an manches wunde Herz anlegen wird, um seinen Schmerz zu mildern und seine Wunde zu decken“.

    Die frühe Schumann-Zeit ist reich an Klavierwerken: Da sind die Kinderszenen opus 15, die Arabeske op. 18 oder gleich darauf folgend Blumenstück op. 19. Eric Le Sage erkundet diese Klangwelt mit einem ausgeprägten Sinn für Poetik, mit großer Noblesse und zudem Klarheit. Diese Kombination scheint den Pianisten wie eine feste Burg davor zu bewahren, je in ein Übertreiben, ein Zuviel abzuschweifen.

    Schon Komponistenkollege Franz Liszt hat an den frühen Klavierwerken Schumanns erkannt, dass man, je mehr man in sie eindringt, desto mehr an „Kraft und Leben“ in ihnen entdeckt. Dass Eric Le Sage sich so lange schon mit Schumann beschäftigt, ist also ein Vorteil. Ein spürbarer, hörbarer. Eric Le Sage ist bei Schumann zuhause. Anhand der ja oftmals privaten frühen Kompositionen Schumanns eröffnet er uns einen tiefen Einblick in dessen Fantasiereich. Das vor Frische und Idee quillt. Das diese „neue poetische Zeit“ beschwört, die der junge Schumann mitschaffen will. In der Musik eben mehr ist und sein soll als bloß Musik. Eric Le Sage kennt dieses Mehr. Und bei der dahinrasenden Toccata op. 7 zeigt er uns zudem, wie selbstverständlich ihm spielerische Leichtigkeit zu Gebote steht.

  • Alpha 169 CD 1, Take 7 6'30
    Robert Schumann: Toccata, op. 7 / Interpret: Eric Le Sage, Klavier

    Der französische Pianist Eric Le Sage mit der Toccata op. 7 von Robert Schumann.

    Mit dieser Einspielung bringt Eric Le Sage das Mammutprojekt zu Ende, alle Klavierwerke und Kammermusiken Schumanns einzuspielen. Als würdigen Abschluss gibt es eine Art Schumann-Essenz: Neben den frühen poetischen Entwürfen des jungen Komponisten stehen letzte Werke. Eric Le Sage hat zu sieben Fughetten op.126 gegriffen, einer Auseinandersetzung Schumanns mit Bach. Und zu den Geistervariationen. Kurz bevor Schumann sich in den Rhein stürzte und dann in die Nervenheilanstalt Bonn-Endenich eingeliefert wurde, hörte er die Geister Schuberts und Mendelssohn zu ihm sprechen, ihm allerlei Melodien diktieren. Teils herrlich, teils schauerlich. Eine Offenbarung von Himmel und Hölle. Mit diesem Werk beschließt Eric Le Sage seinen Weg von Alpha zu Omega. Für die Schumanninterpretation ist seine CD-Serie ein unverzichtbarer Meilenstein. Das meint Elgin Heuerding. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, hier hören Sie noch Eric Le Sage mit Schumanns letzten Noten.

  • Alpha 169 CD 2, Take 38 3'27
    Robert Schumann: Thema Es-Dur mit Variationen / Interpret: Eric Le Sage, Klavier


    Vorgestellte CD: Robert Schumann. Klavierwerke & Kammermusik – XI
    Interpret: Eric Le Sage, Klavier
    Label: Alpha / LC 000516; Bestell-Nr.: Alpha 169