Archiv

Emmanuel Macron
Extrem entschlossen, stahlharter Kern

Emmanuel Macron wird der nächste Präsident Frankreichs. Gräben will er überwinden, Präsident aller Franzosen sein. Charismatisch nennt ihn seine Biografin, seine Anhänger loben, dass er ihnen zuhören würde. Der künftige Präsident tritt mit dem Anspruch an, das alte Parteiensystem aufzubrechen - und ist dabei ein überzeugter Pro-Europäer.

Von Ursula Welter |
    Der neue Präsident Frankreichs Emmanuel Macron. Hier bei einer Wahlveranstaltung in Paris.
    Der neue Präsident Frankreichs Emmanuel Macron: Pro-Europäer, modern und traditionell zugleich. Das schreibt seine Biografin. (AFP/Eric Feferberg)
    "Macron, président." Vor einem Jahr konnte von diesem Schlachtruf noch keine Rede sein.
    "Was hat Emmanuel Macron vor", fragte der prominente TV-Moderator am Abend des 6. April 2016. Da war Macron noch Minister, im Kabinett Valls unter Staatspräsident Hollande, da diente er noch zwei Männern, die selbst Ambitionen hatten, erneut oder erstmals Präsident zu werden und da hatte er gerade eine Bewegung gegründet "En marche!". "Vorwärts", "unterwegs", und immer mehr Franzosen folgten dem Ruf des Mannes, der alles auf diese Karte setzte:
    "Ich trage das ganze Risiko, um die Franzosen auf einer neuen Ebene zusammenzubringen, ich habe keinen Parteiapparat, werde nicht staatlich finanziert."
    Im August verließ Macron seinen Ministerposten, im November rief er sich zum Präsidentschaftskandidaten aus, als Konkurrent seiner Förderer, die er damit auf dem falschen Fuß erwischte.
    Zwar wurde Emmanuel Macron zwischen 2006 und 2009 als Mitglied der Sozialistischen Partei geführt, aber nur, weil er 2006 20 Euro gezahlt hatte, um zugunsten der sozialistischen Kandidatin im Vorwahlkampf abstimmen zu dürfen. Weil danach nichts folgte, auch kein Mitgliedsbeitrag, verschwand Macrons Name 2009 auch wieder von der Liste.
    Parteilos und doch Ex-Minister einer sozialistischen Regierung
    Parteilos also, ohne Parteiapparat, und doch Ex-Minister einer sozialistischen Regierung. Als er 2014 in dieses Amt kam, kannte kaum jemand das Gesicht des Emmanuel Macron, bis dahin war er der Mann im Hintergrund:
    "Ich bin als Allererster überrascht, und auch bewegt."
    Mit seinem früheren Berater auf dem Ressortposten wollte Hollande eine sozialliberale Handschrift zur Schau stellen.
    "Au travail", "an die Arbeit", rief der Newcomer an jenem Augusttag seinen Mitarbeitern und den Journalisten zu, aber seine Energie stieß auf verkrustete Strukturen. Nicht alles, was er sich an Reformen ausdachte, trugen die Sozialisten mit.
    Zwar wurde die Sonntagsarbeit unter seinem Namen gelockert, die Staatsbahn erhielt mit Fernbussen Konkurrenz, aber weder konnte er die 35-Stunden-Woche aushebeln, noch den Beamtenapparat entschlacken. Im Parlament kritisierten ihn vor allem die eigenen Leute.
    In Situationen des Streits mit den Genossen, so berichtet seine Frau, Brigitte, habe sich der begnadete Pianist in seiner Dienstwohnung ans Klavier gesetzt.
    Wer ist Emmanuel Macron?
    "Er ist extrem entschlossen und hat einen stahlharten Kern."
    Charakterisiert die Journalistin Anne Fulda den 39 Jahre alten, künftigen Staatspräsidenten Frankreichs. In ihrem Buch mit dem Untertitel "Ein zu perfekter, junger Mann" lässt die Biografin Familie und Freunde Macrons zu Wort kommen.
    "Seine Frau hat etwas Interessantes gesagt: Er brauche alle und doch niemanden."
    Macron telefonierte täglich mit seiner Großmutter
    1977 kommt Emmanuel Macron in Amiens als Sohn eines Ärzte-Ehepaars zur Welt. Die Großmutter mütterlicherseits vergöttert er, mit ihr telefoniert Macron täglich, selbst nachts.
    Als die geliebte Großmutter 2013 stirbt und der Staatspräsident auf diese Nachricht seines Ministers eher desinteressiert reagiert, sei er auf Distanz zu Francois Hollande gegangen, schildert Macron diesen Moment der Enttäuschung.
    Hochbegabter Absolvent der Elitehochschule ENA, Assistent des französischen Philosophen Paul Ricoeur, Kenner des Werks von Hegel und Machiavelli, mit 30 Investmentbanker im Bankhaus Rothschild, mit 36 Jahren Minister, und nun, drei Jahre später, Staatspräsident. Der jüngste Frankreichs.
    "Er hat nicht wirklich viele Freunde, sein Vater schildert ihn als einen Jungen, der in seinen Büchern steckte, in seiner Welt lebte, der allerdings sofort die Aufmerksamkeit aller auf sich zog, sobald er in Gesellschaft war."
    "Charismatisch" nennt ihn seine Biografin. Seine Anhänger sagen, "er gibt uns das Gefühl, dass er uns wirklich zuhört."
    Der Jesuitenschüler heiratet seine Lehrerin gegen alle Widerstände
    Die Frau an seiner Seite, Brigitte, ist 24 Jahre älter. Mit 16 verliebt sich Macron als Jesuitenschüler in seine Französischlehrerin, gegen alle Widerstände heiratet er sie, 2007, sie bringt eine große Schar Enkelkinder mit in die Ehe. Brigitte, genannt "Bibi" sei seine Liebe und zugleich seine wichtigste Gesprächspartnerin, sagt Biografin Anne Fulda.
    Der Mann, der sich vorgenommen hat, Frankreichs Wirtschaftspolitik zu reformieren, das alte Parteiensystem weiter aufzubrechen, der gegen alle Europaskepsis in Frankreich ein pro-europäisches Programm verteidigt hat, der die Gegensätze von links und rechts überwinden will, obwohl ihn viele gar nicht oder auch nur gewählt haben, um Marine Le Pen zu verhindern, dieser Emmanuel Macron sei modern und traditionell zugleich, hebt seine Biografin:
    "Einer seiner Freunde hat mir erzählt, dass Macron kein Facebook-Konto hatte, bis er vor drei Jahren Wirtschaftsminister wurde. Schon erstaunlich für einen seiner Generation. Er liebt auch eher die Chansons der achtziger Jahre…."
    Nicht von Bedeutung für seine Unterstützer und Fans, denen Macron im Wahlkampf immer wieder zugerufen hatte:
    "Seid Ihr bereit? Habt Ihr die Energie? Ich auch!"