...falls die von den Ingenieuren erdachten Barrieren doch nicht halten und die Radionuklide entkommen. Deshalb propagiert Fergus Gibb von der Sheffield University eine andere Lösung:
Mein Vorschlag ist ein Endlager in vier bis fünf Kilometern Tiefe und zwar in Bohrlöchern im Granit.
Fürs Bohrloch-Endlager soll der radioaktive Abfall getrennt werden. Es geht nur um den besonders "hässlichen" Müll: Zum einen um langlebige Radionuklide wie Curium, Neptunium oder Plutonium. Denn ihretwegen muss der Abfall über Jahrmillionen sicher untergebracht werden. Zum anderen geht es um Radionuklide, die starke Hitze entwickeln, wie Radio-Strontium und Radio-Cäsium. Ihretwegen muss ein "konventionelles" Endlager so groß sein, denn wegen der Hitze braucht man Abstand zwischen den Müllbehältern. Im Bohrloch-Konzept sollen Radio-Strontium oder Radio-Cäsium den Granit aufheizen - von den 120 Grad, die unten herrschen, auf 700 bis 900 Grad.
Granit ist ein gutes Gestein dafür. Die Idee ist, dass die Hitze des radioaktiven Abfalls den Granit direkt um den Abfallbehälter herum schmilzt. Nach etwa einem Jahr wird das Hitzemaximum erreicht und nach 20 oder 30 Jahren, wenn ein Großteil der stark Hitze entwickelnden Radionuklide zerfallen sind, kühlt sich das Ganze ab. Der Granit wird wieder fest, schließt den Abfall in einer Kapsel aus solidem Stein ein und das war’s.
Die vom Menschen gemachten Hüllen wie Metallcontainer wären unwichtig, der Granit selbst wird zur Hülle - und Granit "lebt" länger als die Radionuklide. Technisch gesehen entfalle die lange Zwischenlagerung: Ein Jahr, nachdem die Brennstäbe aus dem Reaktor geholt worden sind, lässt sich die Fraktion fürs Bohrloch abtrennen.
Falls die Nuklearindustrie den Abfall separiert - und weil sie über Verfahren nachdenkt, ist sie dazu wohl bereit - könnte die Endlagerung viel einfacher werden. Die unangenehmen Anteile wie die stark Hitze entwickelnden und die langlebigen Radionuklide machen etwa zehn Prozent am gesamten Müll aus Brennstäben auf. Sind sie abgetrennt, kann man mit den verbleibenden 90 Prozent viel einfacher verfahren. Die kämen in Endlager in 500 Metern Tiefe, denn sie werden in absehbaren Zeiträumen ungefährlich. Nur was wirklich weg muss, kommt ins kilometertiefe Bohrloch.
Eins pro Land reicht. Was unten sei, käme nie zurück, betont Gibbs. Denn Wasser ist das Problem im Endlager. Kommt es mit Atommüll in Kontakt, öffnet es den Radionukliden Wege aus dem Endlager. In 500 Metern Tiefe lässt sich das nicht ausschließen, vor allem nicht für 100.000 Jahre. In fünf Kilometern ist das anders.
Das ist recht tief, dort unten gibt es keine Verbindung zum Grundwasser nahe der Oberfläche. Falls es noch Wasser im Gestein gibt, dann braucht es Jahrtausende, um einen Meter zu fließen. Es kann nur zu den Seiten weg, nicht nach oben. Dafür ist es zu salzhaltig und damit schwer. Das Wasser ist über Jahrmillionen stabil. Selbst wenn wir dieses Wasser durch die Einlagerung sozusagen "umrühren", kann es nicht aufsteigen.
Vor allem kleine Länder wie Litauen finden Gefallen an der Idee, wäre sie doch billig. Aber auch Japan denkt darüber nach. Denn während flache Endlager-Bergwerke einem starken Beben nicht unbedingt standhalten, wäre das im Bohrloch anders. Selbst wenn die Steinplombe bricht, es gibt keine Verbindung nach oben. Die große Frage ist: Kommt die Lösung nicht zu spät? In der Idee vom Endlagerbergwerk stecken Jahrzehnte an Forschung. Ob da andere Vorschläge willkommen sind, ist offen.