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Energiegipfel
Für die Verbraucher wird es noch teurer werden

Die Bundesregierung und die Bundesländer haben sich über die Ökostrom-Reform geeinigt. Die Verbraucher wird das teuer zu stehen kommen, sagte Holger Krawinkel im Deutschlandfunk. Der Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sieht aber weniger Probleme in der Zukunft.

Holger Krawinkel im Gespräch mit Dirk Müller |
     Holger Krawinkel, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen
    Holger Krawinkel, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (dpa / picture-alliance / Klaus-Dietmar Gabbert)
    Dirk Müller: Am Telefon ist nun Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Guten Tag!
    Holger Krawinkel: Guten Tag, Herr Müller.
    Müller: Herr Krawinkel, wir haben es eben gehört: Alle beteiligten Verhandlungspartner von gestern sind zufrieden. Gehören wir beide zu den Verlierern?
    Krawinkel: Ja das ist natürlich die zwangsläufige Konsequenz. Wenn diejenigen, die Kosten verursachen, zufrieden sind, dann können natürlich die, die die Kosten zu zahlen haben, nicht zufrieden sein, und so wird das auch diesmal sein. Das ist ja die Geschichte dieser ganzen EEG-Reform: wirklich groß angetreten, die Kosten stabil zu halten, und immer mehr Nachbesserungen im Sinne der Kostenverursacher sind gekommen, und deswegen wird es natürlich am Ende teurer werden für den Verbraucher.
    Müller: Jetzt bin ich bereit, für eine gute Sache zu zahlen. Sie nicht?
    Krawinkel: Es kommt darauf an, wie die gute Sache wirklich konstruiert ist, und bei der Energiewende gibt es ja bekanntermaßen Alternativen. Es ist richtig: Windenergie an Land ist in der Tat sehr billig, viel billiger als zum Beispiel Offshore-Wind. Da soll jetzt doch mehr gebaut werden, das geht natürlich in die Kosten. Es gibt Industriebefreiungen, die sollen offensichtlich noch erweitert werden. Also es geht nicht nur um die Branchen, sondern auch um die Unternehmen, die in den Branchen sind. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass durch diesen Almunia-Vorschlag die EEG-Umlage um ein knappes halbes Cent nach oben geht. Das deutet alles darauf hin, dass der Verbraucher am Ende doch mehr bezahlen muss.
    Neue Geschäftsmodelle werden abgewürgt
    Müller: Wenn der Staat eingreift, wenn der Staat steuert und lenkt und ja auch versucht, die Preise jedenfalls zu limitieren, zu deckeln, festzulegen, in welcher Form auch immer ganz konkret das möglich ist auf dem Markt – es gibt ja auch noch einen freien Strommarkt zunächst einmal -, dann ist es so, dass wir auf keinen Fall mehr über Wettbewerb reden?
    Krawinkel: Ja das finde ich auch das Inkonsequente. Man hat natürlich jetzt bestimmte Elemente in dieser EEG-Reform drin, die zu mehr Markt führen, Direktvermarktung, Ausschreibung und so weiter. Das geht alles in die richtige Richtung, weil der Staat nicht diese Vergütungen festlegen soll. Aber wenn es zum Beispiel darum geht, dass jetzt sich neue Geschäftsmodelle entwickeln, gerade im Zusammenhang mit der Eigenerzeugung von Strom, dann werden die abgewürgt, und das finde ich besonders widersinnig. Wir zahlen jedes Jahr zehn Milliarden für die weltweite Entwicklung von Solarenergie, und jetzt sollen wir als Privatverbraucher, als Gewerbekunden und so weiter von dieser Entwicklung ausgenommen werden, indem wir eine Strafsteuer zahlen müssen, wenn wir diese erneuerbaren Energien nutzen. Ich finde, das ist der größte kapitale Fehler in dieser EEG-Reform.
    Müller: Ist das für Sie, Herr Krawinkel, ganz klar, dass das eine Subventionierung ist, die in Richtung Strom- und Energielobbyisten geht?
    Krawinkel: Man muss den Eindruck gewinnen, dass hier auch ein Stück weit die alten Strukturen erhalten bleiben sollen, und das wird natürlich dem, was wir an Vorleistungen erbracht haben, überhaupt nicht gerecht.
    Müller: Gibt es eine Organisation – ich meine, Sie sprechen für die Verbraucherzentrale -, wo ist die politische Partei, wo sind die Interessen, die genau diese Verbraucherinteressen vertritt?
    Krawinkel: Das war bisher immer ein großer Konsens zwischen allen Parteien, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden sollen. Es hat keine Partei gegeben, die wirklich mal auf die Bremse getreten hat. Auch in der Zeit von Schwarz-Gelb hatten wir den größten Zuwachs der EEG-Umlage durch den massiven Ausbau der Solarenergie. Die Partei müsste tatsächlich noch gegründet werden.
    Müller: Haben Sie keine Idee? Wer könnte das machen?
    Krawinkel: Das ist, glaube ich, ganz schwierig, weil das ist ja ein sehr punktuelles Thema, und eine Partei mit einem Thema, Strompreis senken, ich glaube, das wird nicht funktionieren. Da würden wir garantiert an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern.
    Müller: Finden Sie die FDP jetzt wieder sympathisch?
    Krawinkel: Die FDP hat im Prinzip bei diesem Spiel ganz genauso mitgewirkt. Ich habe ja gerade gesagt, zu Zeiten der FDP-Wirtschaftsminister hat es den größten Zubau von Solarenergie gegeben. Das hat die Branche gar nicht richtig anerkannt. Aber auch die größten Kostensteigerungen sind da verursacht worden.
    Müller: Kommen wir noch einmal, Herr Krawinkel, zu dieser These zurück: Es ist ja für eine gute Sache. Ich hatte das ja im Grunde schon so persönlich eingebracht, ohne jetzt tatsächlich das werten zu wollen, persönlich jedenfalls werten zu wollen. Ist das naiv, aus Verbrauchersicht zu denken, dass wir diese Umsteuerung, diese Wende in der Energiepolitik haben können, ohne dafür zu bezahlen?
    Krawinkel: Nein, das geht natürlich nicht. Die Frage ist natürlich: Wer bezahlt und wie werden die Kosten verteilt. Ich habe ja zusammen mit Klaus Töpfer den Vorschlag gemacht, einen Fonds zu gründen, aus dem zumindest die Technologie-Entwicklungskosten finanziert werden, und dieser Fonds soll dann gestreckt werden, über einen längeren Zeitraum getilgt werden, auch unter Zuhilfenahme von öffentlichen Mitteln. Wir haben bisher alle Infrastrukturprojekte, aber auch Technologieentwicklung im Bereich Atom-, Kohletechnologie über den Staatshaushalt finanziert. Nur jetzt im Bereich der Energiewende werden auf einmal diese Technologie-Entwicklungskosten, die immer anfallen bei so einem Wechsel, auf die Stromkunden abgewälzt. Ich glaube, das ist der zentrale Fehler, und deswegen wird ja auch versucht, überall Geld zusammenzukratzen und bestimmte Industriebereiche auszunehmen. Das kann natürlich auf Dauer nicht gut gehen.
    Müller: Reden wir noch einmal über die große Perspektive. Viele in Deutschland, oder Kritiker sagen ja auch, man hat das Gefühl, Fukushima ist nicht in Japan passiert, sondern an der norddeutschen Küste. Warum müssen wir wiederum mit Blick auf den politischen Willen das Ganze "so schnell" machen, 2022? Würde uns 2030 helfen?
    Krawinkel: Ich glaube, die Diskussion führt ins Nichts. Man muss auf der anderen Seite sehen: Die erneuerbaren Energien – ich habe es ja eben gerade erwähnt -, die haben inzwischen ein Kostenniveau erreicht, Windenergie an Land und Solarenergie, die etwa auf dem Niveau liegen von konventionellen Kraftwerken. Wenn Sie heute neue Kohlekraftwerke oder Gaskraftwerke bauen wollen, dann sind die nicht günstiger als erneuerbare Energien. Wir haben nur diesen Rucksack von Altlasten, den wir jetzt mit uns herumschleppen und der im Prinzip diese ganzen Verteilungskonflikte auslöst. Da ist das Problem. In der Zukunft sehe ich eigentlich relativ wenig Probleme. Da habe ich eher das Gefühl, dass die Regierung eher Angst hat, dass es zu schnell geht, gerade im Bereich Solarenergie-Eigenerzeugung, weil dann die Geschäftsmodelle der etablierten Energiewirtschaft nicht mehr funktionieren. Da scheint mir eigentlich viel eher der Punkt zu sein, dem Beachtung geschenkt werden muss.
    "Man muss im Prinzip nur konsequent weiterarbeiten"
    Müller: Das heißt, das Argument, was oft angeführt wird, dass nämlich dieser enorme Zeitdruck, innerhalb von zehn Jahren das alles jetzt zu bewerkstelligen - noch acht Jahre haben wir Zeit -, dass das wiederum, wenn man das strecken würde, eine Möglichkeit wäre, Kosten zu reduzieren, das ganze etwas überlegter anzugehen.
    Krawinkel: Nein. Ich glaube, der Atomausstieg ist hier gar nicht das Problem. Man muss im Prinzip nur konsequent weiterarbeiten. Wir müssen jetzt die kostengünstigen Energietechnologien, also Wind an Land und Solarenergie, stärker in den Markt bringen. Wir müssen natürlich auch für Reservekraftwerke sorgen, und das können nicht die alten Kohlekraftwerke sein. Also man muss im Prinzip konsequent jetzt auch die Kohleverstromung reduzieren. Das ist eigentlich der richtige Weg, weil es kann ja nicht sein, wenn wir mit Milliarden die erneuerbaren Energien fördern, aber gleichzeitig der CO2-Ausstoß ansteigt, dann ist das auch in unter Klimaschutzaspekten überhaupt keine Lösung. Ich glaube, das ist im Prinzip das Problem der Regierung, dass sie mit den alten Kostendiskussionen im Prinzip jetzt in die Zukunft plant, und das kann meines Erachtens nicht wirklich gut funktionieren. Da fehlt sozusagen der Mut, auch deutlich in die Richtung der erneuerbaren Energien zu gehen und vor allen Dingen die Verbraucher zu motivieren, in diese erneuerbaren Technologien zu investieren.
    Wir wissen, dass auch die Speichertechnologien sehr viel günstiger werden. Das heißt, wir werden etwas Ähnliches erleben wie den Umstieg von der Eisenbahn zum Auto. Viele werden sich selbst versorgen wollen und sie werden es auch können, und das sind riesige Wachstumsmöglichkeiten, die da bestehen. Die gehen in den Bereich von mehreren Hundert Milliarden Euro. Das wird überhaupt nicht deutlich durch diese EEG-Reform.
    Müller: Jetzt haben wir eine knappe halbe Minute noch. Ich möchte das noch fragen, weil das Stichwort zumindest noch nicht explizit gefallen ist. Sie sagen, das ist preiswert, das ist effizienter. Biomasse - ist das auch ein Stück Zukunft?
    Krawinkel: Nein. Ich glaube, Biomasse muss gezielt eingesetzt werden, um die schwankenden Leistungen von Wind und Sonne auszugleichen, aber nicht in Anlagen, die das ganze Jahr über laufen. Das ist auch energiewirtschaftlich unsinnig.
    Müller: Braucht man also nicht so viel darüber zu lesen, weil im Moment so viel darüber steht in den Zeitungen.
    Krawinkel: Nein. Ich glaube, das wird überbewertet.
    Müller: Das ist ein Wort im Deutschlandfunk heute Mittag. Vielen Dank an unseren Gesprächspartner zum Thema Energiewende. – Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Auf Wiederhören!
    Krawinkel: Auf Wiederhören. Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.